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  • 01.11.2007 | Vor- und Nacherbschaft

    Anteil am Gesamthandvermögen, zu dem ein Grundstück zählt: § 2113 BGB gilt nicht

    von RA Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster
    Gehört zu einem Nachlass, für den Vor- und Nacherbschaft angeordnet worden ist, ein Anteil an einer Erbengemeinschaft, zu deren Gesamthandvermögen ein Grundstück zählt, kann der Vorerbe über dieses Grundstück ohne die Beschränkungen des § 2113 BGB verfügen (BGH 15.3.07, V ZB 145/06, FamRZ 07, 1015, Abruf-Nr. 071402).

     

    Sachverhalt

    Die Antragsteller (AS 1 und AS 2) sind Mitglieder einer Erbengemeinschaft und Miteigentümer eines Grundstücks. Eine weitere Miterbin (PS) ist verstorben und aufgrund Erbvertrags von ihrem Ehemann (KS) als alleinigem Vorerben beerbt. Nacherbin war die Tochter der Ehefrau (KE). Der Vorerbe beantragte Grundbuchberichtigung, worauf das Grundbuchamt (GBA) die Eintragung eines Nacherbenvermerks vornahm, gegen den sich AS 1 und AS 2 wenden. Das GBA lehnte mit Beschluss die Löschung des Nacherbenvermerks ab, half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem LG zur Entscheidung vor. Das LG wies die Beschwerde von AS 1 und AS 2 zurück. Dagegen haben diese weitere Beschwerde eingelegt.  

     

    Praxishinweis

    Das OLG Stuttgart hat den Fall dem BGH zur Entscheidung vorgelegt, weil das OLG Hamm in einem solchen Fall bei der Grundbuchberichtigung auch den Vermerk der Nacherbfolge fordert (Rpfleger 85, 21, 22). Der BGH ist dem nicht gefolgt, sondern hat die Auffassung des OLG Stuttgart bestätigt (dazu EE 06, 202, Abruf-Nr. 063396) und damit einen wichtigen Streit in der Praxis entschieden. Fraglich war, ob die Verfügungsbeschränkung des § 2113 BGB auch für Anteile am Gesamthandsvermögen gilt, zu dem ein Grundstück gehört mit der Folge, dass ein entsprechender Nacherbenvermerk nach § 51 GBO in das Grundbuch eingetragen werden muss. Der BGH hat dies verneint und dazu folgende wichtige Ausführungen gemacht:  

     

    Checkliste: Verfügungsbeschränkung (§ 2113 BGB) und Nacherbenvermerk (§ 51 GBO)
    • Nacherbenvermerk nach § 51 GBO: Dieser soll die Beschränkungen, denen der Vorerbe nach materiellem Recht in der Verfügung über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder über ein Recht am Grundstück unterliegt, im Grundbuch für Dritte erkennbar machen. Grund: Dadurch soll der Nacherbe gegenüber den sich aus dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs ergebenden Gefahren gesichert werden (BGHZ 84, 196, 201).

     

    • Voraussetzung der Eintragung: Der Vermerk darf allerdings nur eingetragen werden, wenn der Vorerbe im Bezug auf das für ihn eingetragene Recht am Grundstück durch die angeordnete Nacherbfolge in seiner Verfügungsmacht beschränkt ist. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, da das Grundstück nicht zur Erbschaft gehört und dieser daher nicht den Beschränkungen des § 2113 BGB unterliegt.

     

    • Verfügungsbeschränkung nach § 2113 BGB: Nach dieser Vorschrift ist u.a. die Verfügung eines Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Recht an einem Grundstück im Fall des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Die Vorschrift bezieht sich nur auf Verfügungen über Grundstücke, die zur Erbschaft gehören, bezüglich deren eine Nacherbfolge angeordnet worden ist (BGHZ 26, 378, 382). Sie ist nicht unmittelbar anwendbar, wenn die Vorerbschaft – wie hier – Anteile am Gesamthandsvermögen umfasst, zu dem ein Grundstück gehört (BGHZ, a.a.O.; BGH NJW 78, 698). Nachlassgegenstand ist nicht das Grundstück, sondern nur der Erbteil des Erblassers am Nachlass (RGZ 162, 397, 401).

     

    • Keine analoge Anwendung des § 2113 BGB: Auf Verfügungen, die ein Miterbe zusammen mit den übrigen Mitgliedern der Erbengemeinschaft über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück trifft, ist § 2113 BGB nicht entsprechend anzuwenden.

     

    Der BGH hat für den Fall, dass eine Gütergemeinschaft oder eine aus zwei Personen bestehende Erbengemeinschaft dadurch endet, dass einer der Gesamthänder stirbt und der andere dessen alleiniger Vorerbe und damit Alleineigentümer eines von der Gesamthand gehaltenen Grundstücks wird, eine analoge Anwendung des § 2113 BGB abgelehnt (BGH NJW 64, 768, 769; WM 76, 478, 479; NJW 78, 698). Grund: Sonst wäre nicht nur der Gesamthandsanteil, der zum Nachlass gehört, für den die Nacherbfolge angeordnet worden ist, sondern ein zum Gesamthandvermögen gehörendes Grundstück insgesamt den Beschränkungen des § 2113 BGB unterworfen. Dadurch könnte die Flexibilität der Geschäftsführung und der Verkehrsschutz im Recht der Personenhandelsgesellschaften leiden (BGH NJW 78, 698).

     

    Der Schutz der von der Nacherbschaft nicht betroffenen Gesamthandsteile muss erst recht Vorrang vor den Interessen des Nacherben haben, wenn diese Anteile nicht dem Vorerben – sondern wie hier – Dritten zustehen. Bei einer aus mehreren Personen bestehenden Erbengemeinschaft unterlägen anderenfalls alle Miterben den Verfügungsbeschränkungen des Vorerben, da sie nur gemeinschaftlich über das zum Gesamthandvermögen gehörende Grundstück verfügen können, § 2040 Abs. 1 BGB. Denn sie könnten praktisch nur mit Zustimmung des Nacherben über das Grundstück verfügen. Solche weitgehende Blockierung der von der Anordnung der Nacherbschaft nicht Betroffenen und daher an sich unbeschränkten Miterben entspricht nicht dem Zweck des § 2113 BGB. Diese Vorschrift will nicht in bestehende Rechte Dritter eingreifen, sondern nur die Nacherbschaft im Verhältnis zwischen Vor- und Nacherben schützen (Damrau/Hennicke, Praxiskommentar Erbrecht, § 2113 Rn. 4; Schaub, ZEV 98, 372, 374).

     

    • Ausnahme: Ein anderer Fall ist jedoch gegeben, wenn der Erblasser mehrere Erben einsetzt und nur für einen von ihnen einen Nacherbfolge anordnet. Denn in diesem Fall besteht von vornherein die Situation, dass einer der Miterben bei der gemeinschaftlichen Verfügung über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück durch die Nacherbfolge beschränkt ist. Dass sich in diesem Fall die Beschränkung nach h.M. auf die an sich unbelasteten Vollerben erstreckt, ist hinzunehmen, weil die Belastung der Miterben hier auf Anordnung des Erblassers zurückgeht. Dagegen führt die Anwendung des § 2113 BGB hier dazu, dass ein Miterbe durch Einsetzung eines Nacherben die übrigen Miterben, entgegen dem Willen des ursprünglichen Erblassers, den Verfügungsbeschränkungen des § 2113 BGB unterwerfen könnte (so zutreffend Schmid, BWNotZ 96, 144, 148; Ludwig, DNotZ 00, 67, 71).

     

    Entscheidend ist auch nicht, dass sich die Miterben dem „zu viel“ an Verfügungsbeschränkungen durch Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft entziehen können (so Kanzleiter, ZEV 96, 66 für die Gütergemeinschaft). Denn das Interesse der Miterben wird, insbesondere bei wertvollen wirtschaftlichen Einheiten, oft auf eine Fortführung der Gemeinschaft und damit auf die gemeinsame Nutzung und Verwaltung des Nachlasses gerichtet sein. Daher ist auch das Interesse der Miterben schützenswert, Zeitpunkt sowie Art und Weise der Auseinandersetzung zu bestimmen (Ermann/Schlüter, BGB, 11. Aufl., § 2042 Rn. 1; Schaub, ZEV 98, 372, 374).