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  • 02.06.2008 | Vermächtnis

    Gibt es ein Pflichtteilsvermächtnis?

    von RA Ernst Sarres, FA Familienrecht, Düsseldorf

    Sprachlich erscheint der Terminus „Pflichtteilsvermächtnis“ für einen Vermächtnistypus widersprüchlich, weil „Vermächtnisanspruch“ und „Pflichtteilsanspruch“ nicht kombinierbar scheinen. Das OLG Nürnberg kam zu diesem Begriff als Ergebnis der Auslegung eines Erbvertrags, wonach gemäß dem Willen der Vertragsparteien den Abkömmlingen neben dem bereits unentziehbaren Pflichtteilsanspruch noch ein zusätzlicher (absichernder) Geldzahlungsanspruch zugewendet sein sollte. Dazu im Einzelnen:  

     

    Der Fall des OLG Nürnberg (FamRZ 03, 1229)

    Die Eheleute hatten sich 1950 in einem notariellen Erbvertrag wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt. Vier pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge sind beim Erbfall vorhanden. Eine Vertragsklausel lautet wie folgt: „Der überlebende Eheteil ist lediglich verpflichtet, an vorhandene pflichtteilsberechtigte Personen den diesen nach dem Gesetz gebührenden Pflichtteil auf Verlangen hin auszuzahlen oder dinglich sicherzustellen.“ Der Kläger und Abkömmling beurteilt die Vertragsklausel als Vermächtnis und verlangt von seinem überlebenden Vater im Wege der im Jahr 2000 erhobenen Stufenklage Auskunft über den Bestand des Nachlasses seiner Mutter. Zu Recht?  

     

    Lösung: Das OLG hat dem Kläger den Auskunftsanspruch zugebilligt. Der Senat hat darauf abgestellt, dass die erbvertragliche Regelung auslegungsbedürftig sei. Nach Ansicht des OLG ist der Klausel ein Vermächtnisanspruch zu entnehmen, mit dem ein entstandener Pflichtteilsanspruch abgesichert werden sollte. Es könne dahinstehen, dass im Vertrag keine bestimmte Person genannt ist. Denn gemäß § 2178 BGB könne auch eine noch nicht erzeugte Person bedacht werden. Es gehe um das, was der Erblasser tatsächlich gewollt habe, nicht, was der Erbe wolle. Dem oder den Abkömmlingen sollte zusätzlich zum entstandenen Pflichtteilsanspruch das Recht zustehen, diese Forderung absichern zu lassen. Im Jahr 1950 sei die Regelung des § 2331a Abs. 2 S. 2i.V. mit § 1382 BGB (Sicherheitsleistung) noch nicht bekannt gewesen. Dieser Anspruch sei hier zusätzlich dem oder den Berechtigten eingeräumt worden. Im Zeitpunkt der Klageerhebung war der Vermächtnisanspruch gemäß §195 a.F. (heute §197 BGB) noch nicht verjährt. Auch ein Pflichtteilsanspruch war gemäß § 2332 BGB noch nicht verjährt, da der Kläger nach Kenntnis von erbrechtlichen Ansprüchen im Jahre 2000 vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist Ansprüche über das Gericht geltend gemacht hatte. Im Übrigen entspricht die Bewertung der Klausel (auch) als Vermächtnis der Intention der Erblasser.  

     

     

    Praxishinweis: Die Entscheidung ist sachlich schwer nachvollziehbar. Allein der Wortlaut des Vertrages ließ überwiegend nur den Schluss auf einen Pflichtteilsanspruch zu. Offenbar wollte das Gericht – im Ergebnis vertretbar – die Beteiligten vor einer streitigen Auseinandersetzung (Pflichtteilsberechtigter – Erbe) bewahren.  

     

    Diese hier eingetretene Rechtsfolge lässt sich nur dadurch vermeiden, einen Vertrag oder eine Verfügung noch deutlicher zu formulieren, um ungewollte Auslegungen zu vermeiden.