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  • 01.04.2007 | Testament

    Bindung beim gemeinschaftlichen Testament und Erbvertrag – Gestaltung mit vielen Tücken

    von RA und Notar Jürgen Gemmer, FA Steuerrecht, Braunschweig

    Errichten Ehegatten eine Verfügung von Todes wegen (gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag), hat der Wunsch nach Bindung ihrer Verfügungen einen hohen Stellenwert. Für den Berater kann die Bindungswirkung aber auch zur Haftungsgefahr werden. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Bindungswirkung beim gemeinschaftlichen Testament und Erbvertrag.  

     

    Ausgangspunkt ist oft das Berliner Testament

    Viele Ehepartner betrachten während der Ehe ihr beiderseitiges Vermögen als Einheit und wollen dies meist auch beim Tod eines von ihnen bewahren. Damit wollen sie die Unabhängigkeit des Überlebenden von den gemeinsamen Kindern sicherstellen und erreichen, dass das Vermögen für die Kinder nach dem Tod des Längerlebenden gesichert ist. Klassischer Fall ist das „Berliner Testament“, in dem sich die Ehegatten zu Alleinerben einsetzen und nach dem Tod des Längerlebenden die Kinder als Schlusserben bestimmen. Eine solche Gestaltung lässt sich auch durch einen Ehegattenerbvertrag erreichen. Die Gefahren, die sich aus den Bindungswirkungen ergeben, sind jedoch beim gemeinschaftlichen Testament größer. Denn anders als der Erbvertrag, der notariell beurkundet werden muss, kann ein Testament von den Ehepartnern handschriftlich verfasst werden. Ursache für die Probleme ist, dass sich der juristische Laie nicht voll über die gesetzlichen Bindungswirkungen unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Klaren ist. Leider sind aber auch Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente, bei denen die Erblasser zuvor Rechtsrat eingeholt haben, nicht vor allen Fallstricken sicher.  

     

    Beispiel: Scheidung der Ehe

    M und F setzen sich im gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als befreite Vorerben ein und die gemeinsame Tochter T als Nacherbin. Nachdem die Ehe geschieden ist, heiratet F erneut und setzt im eigenhändigen Testament ihren zweiten Ehemann als befreiten Vorerben und T als Nacherbin ein. Kurze Zeit später verstirbt F. Richtet sich die Erbfolge nach F nun nach dem ursprünglichen gemeinschaftlichen Testament oder nach dem kurz vor ihrem Tod errichteten eigenhändigen Testament, wobei unterstellt wird, dass E und F bei Beurkundung des gemeinschaftlichen Testaments den Willen hatten, dass die darin getroffenen letztwilligen Verfügungen über den Bestand der Ehe hinaus fortgelten sollen?  

     

    Lösung: Nach der Rechtsprechung des BGH gilt Folgendes: Die wechselbezüglichen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament, die über § 2268 Abs. 2 BGB auch nach der Scheidung fortgelten, verlieren durch die Auflösung der Ehe nicht den Charakter der Wechselbezüglichkeit (BGH EE 04, 199, Abruf-Nr. 042917). Will sich ein geschiedener Ehegatte davon befreien, kann dies nur durch einen Widerruf in der für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Form (§ 2271 Abs. 1 S. 1, § 2296 BGB) geschehen.  

     

    Praxishinweis: Bei der Gestaltung bindender Verfügungen von Ehegatten ist der Wille der Parteien zu ermitteln und ausdrücklich zu regeln, ob  

    • die Verfügungen über die Scheidung hinaus bestehen sollen und
    • in welcher Form – wechselbezüglich oder nicht.