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  • 03.03.2008 | Pflichtteil

    So vermeiden Sie Pflichtteilsansprüche (Teil 4)

    von RA und Notar Reinhold Redig, Mörlenbach

    In den letzten Ausgaben von EE haben wir den Erb- und den Pflichtteilsverzicht als Gestaltungsmittel zur Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen dargestellt, die Beschränkung und Entziehung des Pflichtteilsrechts sowie die Verringerung der Pflichtteilsquote bzw. der gesetzlichen Erbquote (vgl. Redig, EE 07, 202; 08, 13 und 22). Die Beiträge finden Sie in unserem kostenlosen Online-Archiv unter www.iww.de, „myIWW“). Weiterer Ansatzpunkt für Pflichtteilsvermeidungsstrategien sind vermögensrelevante Maßnahmen. Dazu im Einzelnen:  

     

    Ergänzungsfeste Vermögensübertragungen

    Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist ein rechtlich selbstständiger außerordentlicher Pflichtteilsanspruch (BGH NJW 88, 1667; 94, 1791). Er steht neben dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch nach § 2303 BGB und kommt auch in Betracht, wenn keine ordentlichen Pflichtteilsansprüche bestehen, z.B. weil der Nachlass überschuldet ist. Rechtlich wird die Pflichtteilsergänzung dem ordentlichen Pflichtteil gleichgestellt. Pflichtteilsergänzungsansprüche stellen ebenso wie ordentliche Pflichtteilsansprüche eine Nachlassverbindlichkeit dar, die sich grundsätzlich auch gegen die Erben richtet, wenn sie selbst pflichtteilsberechtigt sind, vgl. § 2328 BGB. Maßstab und Grenze der Überlegungen, pflichtteilsrelevantes Vermögen zu verringern, ist § 2325 BGB.  

     

    Checkliste: Pflichtteilsvermeidungsstrategie: Ergänzungsfeste Vermögensübertragungen
    • Schenkung: Pflichtteilsergänzungsansprüche setzen eine rechtswirksame Schenkung i.S. der §§ 516 ff. BGB voraus (BGH NJW 04, 1382 „Dresdner Frauenkirche“).

     

    Schenkungen i.S. des § 2325 BGB sind auch Schenkungen unter Auflagen, renumeratorische Schenkungensowie unbenannte, ehebedingte Zuwendungen (BGH FamRZ 89, 732; NJW 92, 564; OLG Köln FamRZ 92, 480).

     

    Gleiches gilt für gemischte Schenkungen, also Verträge, bei denen der Wert der Gegenleistung dem der Leistung nur zum Teil entspricht und die Parteien dies sowohl wissen als auch die Unentgeltlichkeit des überschießenden Teiles wollen (BGH NJW-RR 96, 754; NJW 02, 3165).

     

    • Ausstattung: Zuwendungen als Ausstattung geben nicht die Möglichkeit zu Widerruf oder Rückforderung. Sie unterliegen der Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB nur insoweit, als sie übermäßig i.S. des § 1624 Abs. 1 BGB anzusehen sind (ausführlich zur Ausstattung Redig, EE 07, 119).

     

    Eine Ausstattung ist eine Zuwendung, die ein Elternteil seinem Kind mit Rücksicht auf seine Verheiratung oder die Erlangung seiner selbstständigen Lebensstellung zur Begründung oder Erhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung zuwendet. Die Verheiratung oder die Erlangung einer selbstständigen Lebensstellung muss in Aussicht stehen bzw. in greifbare Nähe gerückt sein. Ist dies von den Eltern noch nicht zu überschauen, ist die Zuwendung nicht als Ausstattung zu qualifizieren.

     

    Daraus resultiert, dass Zuwendungen an Minderjährige i.d.R. keine Ausstattung sind. Ausstattungszuwendungen können sowohl vor als auch zur, als auch nach der Eheschließung von den Eltern aus deren Vermögen an die Abkömmlinge erfolgen. Motiv ist, ein Kind mit anderen, bereits besser bedachten Kindern gleichzustellen (BGH NJW 65, 2056). Früher waren im Zusammenhang mit der Verheiratung die Begriffe der Aussteuer (BGHZ 11, 206, 208; 14, 205; Erman/Michalski, BGB 11. Aufl. 04, § 1624, Rn. 2) oder Mitgift (Erman/Michalski, a.a.O., Rn. 3) gebräuchlich.

     

    Erfolgt die Zuwendung jedoch als (nachträgliche) Gegenleistung für im elterlichen Betrieb unentgeltlich erbrachte Arbeitsleistungen, liegt keine Ausstattung vor (MüKo/v. Sachsen-Gessaphe, BGB, 4. Aufl., 02, § 1624, Rn. 12). Eine solche unentgeltliche Arbeit von Eltern für ihr Kind stellt keine Ausstattung dar (BGH NJW 87, 2816).

     

    • Folgende Vorschriften sind nicht anwendbar:
    • Da die Ausstattung keine Schenkung, sondern causa sui generis ist, bedarf das Ausstattungsversprechen grundsätzlich keiner Form, insbesondere gilt nicht § 518 Abs. 1 BGB.
    • Die Notbedarfseinrede, § 518 BGB, die Rückforderung wegen Notbedarfs, § 528 BGB und der Widerruf, § 530 BGB, gelten nicht, da keine Schenkung vorliegt.
    Praxishinweis: Die Besonderheit der Ausstattungszuwendung erlangt u.a. Bedeutung, wenn der Zuwendende verarmt und Sozialhilfe in Anspruch nehmen muss. Das Sozialamt kann die Zuwendung nicht nach § 528 BGB zurückfordern, da keine Schenkung vorliegt. Eine Zuwendung als Ausstattung beschert dem Empfänger größeren Schutz vor Rückforderungen.
    • Keine Anwendung der §§ 519, 528, 530 ff. und 814 BGB.
    • Es gibt keine Gläubigeranfechtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG und nach § 134 InsO.
    • Aus der Ausstattung kann es keinen Ergänzungspflichtteil nach §§ 2325 ff. BGB geben.
    • Für Mängelgewährleistung gilt Schenkungsrecht, § 1624 Abs. 2 BGB.
    • Die Ausstattungsgewährung ist grundsätzlich sittliche Pflicht i.S. von § 1375 Abs. 2 Nr. 1 BGB (Kerscher/Tanck/Krug, Das erbrechtliche Mandat, 2. Aufl., § 13, Rn. 332). Geldzuwendungen, die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft an einen Ehegatten erfolgen, sind im Scheidungsfall dem Anfangsvermögen zuzurechnen, da sie einer sittlichen Pflicht i.S. des § 1375 Abs. 2 Nr. 1 BGB entsprechen (Palandt/Diederichsen, 67. Aufl., § 1624 Rn. 3). Derjenige Ehegatte, von dessen Eltern die Ausstattung in Form einer Geldzuwendung stammt, wird Alleineigentümer des zugewendeten Vermögenswerts (AG Stuttgart NJW-RR 99, 1449; LG Düsseldorf NJW 72, 60).
    • Keine Ausstattungen sind Zuwendungen Dritter (RGZ 62, 273, 275) oder Zuwendungen der Eltern an den oder die Verlobte/n des Kindes, wobei die Auslegung zulässig sein soll, dass das eigene Kind aus der Zuwendung berechtigt sein soll (RGZ 67, 204, 206; OLG Köln FamRZ 86, 703).

     

    • Ausnahme: Schenkungsrecht gilt in zwei Bereichen auch für die Ausstattung
    • bei übermäßigen Schenkungen, wenn über die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse zugewendet wird (Palandt/Diederichsen, a.a.O., Rn. 3). Keine Ausstattung ist z.B. anzunehmen, wenn ein im Übrigen vermögensloser Elternteil einem Kind einen Teil seines Hauses als Eigentumswohnung zuwendet, um den die Wohnverhältnisse des Kindes verbessernden Ausbau herbeizuführen (Palandt/Diederichsen, a.a.O., Rn. 3) und
    • für die Mängelgewährleistung nach § 1624 Abs. 2, §§ 523 f. BGB.

     

    • Kein Rechtsanspruch auf Ausstattung (Palandt/Diederichsen, a.a.O., Rn. 2). Die Eltern können ihrem Kind eine Ausstattung auf vielfältige Weise gewähren:
    • Geldzuwendung (AG Stuttgart NJW-RR 99, 1449),
    • Aussteuer (BGHZ 14, 205),
    • Wohnungseinrichtung anlässlich der Heirat (OLG Köln FamRZ 86, 703 f.),
    • Einrichtung eines Handwerkbetriebs,
    • Zahlung der Schulden des Schwiegersohnes (RG JW 1912, 913),
    • Übertragung von Wertpapieren (Staudinger/Coester, BGB, a.a.O., § 1624 Rn. 10),
    • Bestellung von Grundpfandrechten (Staudinger/Coester, BGB , 13. Aufl., 00, § 1624 Rn. 10),
    • Einräumung einer Teilhaberschaft am väterlichen Betrieb, wenn die Stellung des Kindes dabei günstiger ausfällt, als sie dies bei einem Fremden tun würde (Staudinger/Werner, BGB, 13. Aufl., 02, § 2050 Rn. 24),
    • Einräumung von Nutzungsrechten wie Gewährung mietfreien Wohnens anlässlich der Heirat der Tochter, wobei Ausstattungsempfänger nur das Kind, nicht der einheiratende Ehegatte ist (LG Mannheim NJW 70, 2111).
    • Ausstattung mittels Lebensversicherung, deren Prämien aus Kindergeld bezahlt wurden und die das Kind bei Volljährigkeit für die Ausbildung erhalten soll (OLG Düsseldorf NJW-RR 04, 1082).

     

    • Übergabeverträge: Schenkungen, Schenkungen unter Auflagen, gemischte Schenkungen und ehebedingte/unbenannte Zuwendungen lösen Pflichtteilsergänzungsansprüche aus. Es stellt sich die Frage, welche Gestaltungsmöglichkeiten einem Erblasser zur Verfügung stehen, um gleichwohl Teile seines Vermögens ergänzungsfest übertragen zu können.

     

    • Bewertung von Leistung und Gegenleistung: Grundsätzlich ist die Bewertung von Leistung und Gegenleistung Sache der Vertragsparteien. Im Rahmen der Vertragsfreiheit steht den Vertragsparteien ein erheblicher Bewertungsspielraum zu, der seine Grenze erst bei einer willkürlichen Bemessung, d.h. bei einem auffälligen groben Missverhältnis findet (BGH NJW 72, 1709; FamRZ 89, 732 – der BGH spricht von „frisieren“ oder „manipulieren“; vgl. dazu auch Müller, EE 08, 30). Überschreiten der Willkürgrenze hat prozessuale Konsequenzen: Der Pflichtteilsberechtigte trägt im Rahmen des § 2325 BGB die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Schenkung.

     

    • Auffälliges grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung: In diesem Fall kommt dem Pflichtteilsberechtigten eine Beweiserleichterung i.S. einer tatsächlichen Vermutung (nur) bezüglich des subjektiven Tatbestands zugute. Zu seinen Gunsten wird vermutet, dass dies auch die Vertragsparteien erkannt haben und dass sie sich in Wahrheit über die unentgeltliche Zuwendung derjenigen Bereicherung einig waren, die sich bei einer verständigen und nach den Umständen vertretbaren Bewertung der beiderseitigen Leistungen ergeben hätte (BGH NJW 81, 2458; 72, 1709 [als Scheingeschäft unbeanstandet blieb, dass die Forderung, der Wert der Pflege von 60.000 DM, in gleicher Urkunde erlassen wurde]).

     

    • Nießbrauchs- und Wohnrechtsvorbehalt: Bei der vorweggenommenen Erbfolge betreffend Grundstücksübertragungen spielt der Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts oder die Einräumung eines Wohnungsrechts eine große Rolle. Die 10-Jahres-Frist nach § 2325 Abs. 3 BGB beginnt nicht zu laufen, wenn der Schenker lediglich seine formale Stellung als Eigentümer aufgibt und er zugleich den verschenkten Gegenstand weiter nutzt (Genussrechtsprechung BGH, MDR 94, 1015; einschränkend OLG Oldenburg ZEV 06, 80, bei Einräumung eines Wohnrechts, dessen Übertragung an Dritte ausgeschlossen ist und das sich nur auf eine von mehreren Wohnungen erstreckt, beginnt die 10-Jahres-Frist mit Vollzug der Schenkung, sofern kein Rückübertragungsanspruch vorbehalten ist; OLG Düsseldorf NJW-FER 99, 279 – Rückübertragungsanspruch vorbehalten).

     

    • Vereinbarung einer Pflegepflicht: Die Pflicht zu Wart und Pflege des Übergebers ist eine abzugsfähige Gegenleistung (BGH NJW 72, 1709; ZEV 06, 265, 267 m. Anm. Joachim, ZEV 06, 504).

     

    • Nachträgliche Vereinbarung der Entgeltlichkeit: Der Pflichtteilsberechtigte muss auch nachträgliche Vereinbarungen über die Entgeltlichkeit von lebzeitigen Geschäften des Erblassers hinnehmen, solange zwischen Leistung und Gegenleistung kein auffallendes, grobes Missverhältnis besteht (BGH EE 07, 91, Abruf-Nr. 071211; NJW-RR 1989, 706).

     

    • Übernahme von Belastungen: Falls sich der Übernehmer zur Tilgung eines dinglich gesicherten Darlehens im Übergabevertrag verpflichtet, stellt dies in Höhe der Valuta der Darlehensschuld ebenfalls eine Gegenleistung dar, sofern der Übernehmer das Darlehen tatsächlich tilgt.

     

    • Rückübertragungsvorbehalt: Das Rückforderungsrecht des Übergebers hat Einfluss auf die Bewertung. Der Übernehmer ist dem Risiko ausgesetzt, die Immobilie unter bestimmten Voraussetzungen wieder zurück übertragen zu müssen und hindert ihn daran, diese wirtschaftlich sinnvoll zu verwerten oder zu veräußern. Dieser wirtschaftliche Nachteil kann mit bis zu 10 Prozent des Verkehrwerts des übergebenden Vertragsobjekts veranschlagt werden (OLG Koblenz ZErb 02, 104).

     

    • Grabpflegeverpflichtung: Auch eine solche Pflicht ist zu berücksichtigen (BGH NJW 81, 2458 – Vorinstanz hat Bewertung der Pflicht zur Pflege von fünf Gräbern mit 10.000 DM nicht beanstandet). Ebenso wirkt sich ein Vorsorgevertrag zur Grabpflege, den der Übergeber mit einem Gartenbauinstitut schließt, pflichtteilsmindernd aus.
     

    Einflussnahme auf das pflichtteilsrelevante Vermögen

    Das pflichtteilsrelevante Vermögen ist auch wie folgt zu beeinflussen: