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  • 31.01.2008 | Erbverzicht

    Tücken des Erbverzichts

    von RA Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster
    1. Die Unwirksamkeit eines Erbverzichts kann erst dann auf die Auslegungsregeln des § 2350 BGB gestützt werden, wenn die Ermittlung des Willens der Verzichtsparteien ohne Erfolg geblieben ist.  
    2. Dabei liegt die Beweislast bei demjenigen, der entgegen den Vermutungen des § 2350 BGB aus einem unbedingten Verzicht Rechte herleiten will.  
    (BGH 17.10.07, IV ZR 266/06, n.v., Abruf-Nr. 073717)  

     

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten um die Höhe der dem Kläger zustehenden Pflichtteilsquote. Dieser war durch das Testament zum Alleinerben seines Vaters, des Erblassers, eingesetzt worden. Später schloss der Erblasser mit seinem zweiten Sohn, dem Bruder des Klägers, einen notariellen Erbschafts- und Pflichtteilsverzichtsvertrag. In der Folgezeit schloss der Erblasser mit dem Beklagten, dem Cousin des Klägers, einen notariellen Erbvertrag, in dem der Erblasser diesen zum Alleinerben einsetzte. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ihm nach seinem Vater ein Pflichtteilsanspruch von 50 Prozent zusteht. Der Beklagte ist dagegen der Ansicht, der Kläger sei nur zu 25 Prozent pflichtteilsberechtigt, da dessen Bruder aufgrund der Unwirksamkeit seines Verzichts bei der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen sei, §§ 2310, § 2350 BGB. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das stattgebende Urteil des LG aufgehoben und die Feststellungsklage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger erfolgreich die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.  

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Der BGH hat die Entscheidung des OLG aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, da das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers zur Abtretung des Pflichtteilsanspruchs seines Bruders unberücksichtigt gelassen hat. Es ist auch seiner Hinweispflicht nach § 139 ZPO nicht nachgekommen. Im Hinblick auf den Pflichtteilsverzicht hat der BGH folgende wichtige Merksätze aufgestellt:  

     

    Checkliste: Erb- und Pflichtteilsverzicht
    • Bei einem unbeschränkten Verzicht nach § 2346 Abs. 1 BGB teilt der darin liegende Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 1 S. 2 HS. 2 BGB) grundsätzlich das rechtliche Schicksal des Erbverzichts (vgl. Staudinger/Schotten, BGB, 04, § 2350 Rn. 16; Soergel/Damrau, BGB, 13. Aufl., § 2350 Rn. 2).

     

    • Im Hinblick auf die Unwirksamkeit eines Erbverzichts nach § 2350 BGB gilt Folgendes: § 2350 BGB enthält zwei Auslegungsregeln:

     

    • Verzichtet jemand zugunsten eines anderen auf das gesetzliche Erbrecht, ist im Zweifel anzunehmen, dass der Verzicht nur gelten soll, wenn der andere Erbe wird, § 2350 Abs. 1 BGB.
    • Verzichtet ein Abkömmling des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht, ist im Zweifel anzunehmen, dass der Verzicht nur zugunsten der anderen Abkömmlinge und des Ehegatten des Erblassers gelten soll, § 2350 Abs. 2 BGB.

     

    § 2350 BGB ist jedoch nur anwendbar, wenn zuvor erfolglos versucht wurde, den Willen der Parteien des Verzichtsvertrags zu ermitteln. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift „im Zweifel“ (Palandt/Edenhofer, BGB, 66. Aufl., § 2350 Rn. 1). Dabei liegt die Beweislast bei demjenigen, der entgegen den Vermutungen des § 2350 BGB aus einem unbedingten Verzicht Rechte herleiten will (Erman/Schlüter, BGB, 11. Aufl., § 2350 Rn. 6).

     

    • Ist § 2350 BGB anwendbar, muss geprüft werden, ob im Rahmen des § 139 BGB (vgl. zu dieser Vorschrift BGHZ 105, 213, 220 f.) die Parteien des Verzichtsvertrags bei Unwirksamkeit eines Gesamtverzichts nicht zumindest einen isolierten Pflichtteilsverzicht nach § 2346 Abs. 2 BGB gewollt hätten. Denn ein unwirksamer Erbverzicht i.S. des § 2346 Abs. 1 BGB kann als ein Pflichtteilsverzicht i.S. des § 2346 Abs. 2 BGB aufrecht erhalten werden. Dies hängt davon ab, welche Entscheidung die Parteien des Verzichtsvertrags bei Kenntnis der Sachlage nach Treu und Glauben und bei vernünftiger Abwägung getroffen hätten (BGH WM 97, 625 zur Geltung einer salvatorischen Klausel und zur Anwendung des § 139 BGB bei einem teilweise formunwirksamen Bürgschaftsvertrag). Die Beweislast dafür, dass ein isolierter Pflichtteilsverzicht auch ohne den unwirksamen Erbverzicht vorgenommen worden wäre, liegt bei demjenigen, der sich auf die Wirksamkeit dieses Pflichtteilsverzichts beruft (vgl. BGH NJW-RR 86, 346 zur Frage der Beweislast).