Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 31.01.2008 | Anfechtung

    Anfechtung von Verfügungen von Todes wegen

    von RiLG Dr. Andreas Möller, Bochum
    1. Ein Erbvertrag macht eine spätere Verfügung von Todes wegen insoweit unwirksam, als sie das Recht der vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde (§ 2289 Abs. 1 S. 2 BGB).  
    2. Nach § 2281 Abs. 1 BGB und § 2078 Abs. 2 BGB kann eine erbvertragliche letztwillige Verfügung angefochten werden, soweit die Erblasserin zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes bestimmt worden ist; darunter fällt jeder Motivirrtum, gleichgültig, ob sich der Irrtum auf die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft bezieht.  
    3. Die Anfechtung kann nur auf solche irrige Vorstellungen und Erwartungen gestützt werden, die die Erblasserin bei der Errichtung der Verfügung tatsächlich gehabt hat, dazu gehören auch Vorstellungen und Erwartungen, die sie zwar nicht in ihr Bewusstsein aufgenommen, aber als selbstverständlich ihrer Verfügung zugrunde gelegt hat.  
    4. Es spricht gegen eine Verknüpfung der Erbeinsetzung mit einer lebenslänglichen Pflegeverpflichtung der Eltern, wenn in dem Erbvertrag nicht einmal andeutungsweise ein solches Motiv bekundet worden ist.  
    5. Die Feststellungslast für die anfechtungsbegründenden Tatsachen (Beweggrund und Kausalität) trägt der Anfechtende; an den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen.  
    (OLG München 27.7.07, 31 Wx 51/07, ZEV 07, 530, Abruf-Nr. 080112)  

     

    Sachverhalt

    Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann schlossen einen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig als Erben einsetzten. Als Nachfolger des Letztversterbenden sowie für den Fall des gleichzeitigen Todes setzten die Eheleute die Beteiligte zu 2 als alleinige Erbin ein. In dem Erbvertrag war vorgesehen, dass sämtliche Verfügungen als vertragsmäßig anzusehen sind. Für die Enterbung der Beteiligten zu 1 und 3 (der weiteren Kinder) werden im Erbvertrag keine Gründe genannt. Mit notarieller Urkunde focht die Erblasserin die Schlusserbeneinsetzung sowie die Ersatzerbeneinsetzung in dem Erbvertrag an. Als Grund führte sie aus, dass die Beteiligte zu 2 vor dem Erbvertrag ihr und ihrem Mann mündlich versprochen habe, den länger Lebenden bis zu seinem Tod persönlich zu pflegen und in ihren Haushalt aufzunehmen. Tatsächlich sprach sich die Beteiligte zu 2 für eine Heimunterbringung der Erblasserin aus. Mit notarieller Urkunde setzte die Erblasserin später die Beteiligten zu 1 und zu 3 zu gleichen Teilen zu ihren Erben ein. Das Nachlassgericht kündigte den Erlass eines Erbscheins mit dem Inhalt an, dass die Erblasserin von der Beteiligten zu 2 alleine beerbt worden ist. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wurde zurückgewiesen, woraufhin das Nachlassgericht den beantragten Alleinerbschein erteilt hat. Der Beteiligte zu 1 hat weitere Beschwerde eingelegt mit dem Ziel der Einziehung des Erbscheins.  

     

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Beschwerde, mit der der Beteiligte zu 1 die Einziehung des Erbscheins begehrt (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn. 51) hat keinen Erfolg. Der Erbvertrag ist für die Erbfolge bestimmend. Das später errichtete notarielle Testament beeinträchtigt die vertragsmäßig bedachte Beteiligte zu 1 und ist gemäß § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Diese Wirkung des Erbvertrags ist auch nicht durch die durch die Erblasserin erklärte Anfechtung entfallen.  

     

    Gemäß § 2281 Abs. 1i.V. mit § 2078 Abs. 2 BGB kann ein Erbvertrag angefochten werden, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands bestimmt worden ist. Darunter fällt jeder Motivirrtum, gleichgültig, ob sich der Irrtum auf die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft bezieht. Im Rahmen des § 2078 Abs. 2 BGB können nur solche Irrtümer die Anfechtung rechtfertigen, die bewegender Grund für den letzten Willen waren (BGH NJW-RR 87, 1412). Der Irrtum muss gerade für diese Verfügung zumindest derart mitbestimmend gewesen sein, dass der Erblasser sie ohne die irrige Vorstellung nicht getroffen hätte (BayObLG FamRZ 97, 1436).