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  • · Fachbeitrag · Sozialversicherungsrecht

    BSG-Entscheidungen gegen Syndikusanwälte: Informationen der DRV zur Umsetzung

    von RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen

    | Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) befreit Syndikusanwälte nicht mehr von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht ‒ bei Erstanträgen nie, in sogenannten Altfällen nicht, wenn kein Befreiungsbescheid für den aktuellen Arbeitgeber und das aktuelle Tätigkeitsfeld vorliegt. Das Verwaltungshandeln in Altfällen richtet sich seit dem 1.1.15 nach der von der DRV am 12.12.14 eröffneten Verlautbarung zum Befreiungsrecht. Das Thema ist für Betroffene und ihre Anwälte von hoher Brisanz. Werden künftig auch angestellte Kanzleianwälte erfasst? |

    1. Folgen für den Vertrauensschutz in Altfällen

    Das BSG bestätigte die Versagung einer Befreiung, zuletzt ‒ hier aber jeweils zu Neufällen mit Erstanträgen ‒ mit Urteilen vom 3.4.14 (B 5 RE 3/14 R, Abruf-Nr. 141251; B 5 RE 9/14 R, Abruf-Nr. 141250 und B 5 RE 13/14 R, Abruf-Nr. 141249). Über die Ausführungen des BSG hinaus umschreibt die DRV durch ihre Verlautbarung zum zukünftigen Verwaltungshandeln (abrufbar unter iww.de/sl585) den Vertrauensschutz in Altfällen wie folgt:

     

    • Existiert ein aktueller Befreiungsbescheid für die derzeit ausgeübte Tätigkeit beim aktuellen Arbeitgeber, bleiben Syndikusanwälte in dieser Beschäftigung befreit.

     

    • Betroffene, die am 31.12.14 das 58. Lebensjahr vollendet haben, bleiben befreit, wenn sie in der Vergangenheit befreit wurden und solange alle Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung im anwaltlichen Versorgungswerk vorliegen, sie insbesondere lückenlos als Rechtsanwalt zugelassen sind und einkommensbezogene Beiträge an ihr Versorgungswerk entrichtet haben. Das gilt auch bei einem Wechsel des Arbeitgebers (ArbG)nach Erteilung des Befreiungsbescheids. Personen, die bei ihrem ArbG keine rechtsberatende Tätigkeit ausüben, werden von dieser Regelung ausgenommen, werden also zur DRV verpflichtet.

     

    • Liegt eine Altbefreiung des Unternehmensanwalts vor und hat er am 31.12.14 das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet, muss der ArbG ihn spätestens zum Stichtag 1.1.15 zur gesetzlichen Rentenversicherung anmelden. Unter Berücksichtigung von § 6 DEÜV kann dies binnen sechs Wochen rückwirkend zu diesem Stichtag, also bis Mitte Februar 2015 erfolgen. Ist eine Anmeldung vor diesem Stichtag ‒ z.B. aufgrund eines erteilten Ablehnungsbescheids, der durch Widerspruch und Klage angefochten wird ‒ erfolgt, verbleibt es dabei. Das bedeutet: Diese Personengruppe bekommt ihre bereits (doppelt) entrichteten Rentenbeiträge einmal zur Anwaltsversorgung und zusätzlich zur DRV von der gesetzlichen Rentenversicherung, berechnet bis zum 31.12.14, nicht zurück. Beide Gruppen zahlen die laufenden Beiträge damit (doppelt) ab dem 1.1.15.

     

    • Wird bis zum 1.1.15 (beziehungsweise Mitte Februar 2015) angemeldet, werden Beiträge für diese Beschäftigten für die Vergangenheit (§ 25 Abs. 1 SGB IV ‒ innerhalb der hier geregelten Verjährungsfrist vier Jahre rückwirkend, gerechnet ab dem Jahresbeginn) nicht erhoben, wenn sie durchgehend als Rechtsanwalt zugelassen waren und für ihre Arbeitgeber eine rechtsberatende Tätigkeit ausgeübt haben.

     

    Diese Regelung ist auch für die Personengruppen, denen ein Vertrauensschutz zugebilligt werden soll und die deswegen befreit bleiben sollen, keinesfalls sicher. Denn sowohl mit Urteilen vom 31.10.12 (B 12 R 5/10 R, Abruf-Nr. 132217, B 12 R 8/10 R, Abruf-Nr. 132216, B 12 R 3/11 R, Abruf-Nr. 132218) als auch mit Urteilen vom 3.4.14 (a.a.O.) hat das BSG die bis zu den jeweiligen Daten gehandhabte Verwaltungspraxis der DRV „gekippt“. Natürlich müssen diese Personen nur Widerspruch erheben und klagen, wenn ihnen ein Ablehnungsbescheid zuteilwird, wovon bei der jetzt in Aussicht gestellten Verwaltungsregelung einstweilen nicht ausgegangen werden muss.

     

    Problematischer gestaltet sich die Lage für diejenigen, die nach den vorgestellten Verwaltungsmaßgaben ab 1.1.15 vom Vertrauensschutz ausgenommen bleiben. Dies gilt in mehrfacher Hinsicht: Auch, wenn zeitlich umgemeldet wird und die sonstigen von der DRV formulierten Voraussetzungen eines Verzichts auf eine rückwirkend zu erhebende Forderung von Rentenbeiträgen für die Vergangenheit vorliegen, kommt dem keine „Ewigkeitsgarantie“ zu. Dies zeigen die Erfahrungen mit der Rechtsprechung des BSG in der Vergangenheit, die die Verwaltungsgrundsätze der DRV bereits mehrfach in den Jahren 2012 und 2014 als unrechtmäßig gebrandmarkt und aufgehoben hat.

     

    PRAXISHINWEIS | Die wiedergegebene Verlautbarung der DRV gibt unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes Anlass zu massiver Kritik (sehr lesenswert: Kleine-Cosack, Vertrauensschutz und Rentenversicherungspflicht von Syndikusanwälten, AnwBl 2/15, 115, abzurufen im Internet über anwaltsblatt.de). Die berechtigte und voll umfänglich geteilte Kritik lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass die von der DRV unternommenen Einschränkungen des Vertrauensschutzes ungerechtfertigt und rechtlich unzulässig sind und dass insbesondere die Kopplung zwischen der aufgegebenen Anmeldung zum 1.1.15 (beziehungsweise Mitte Februar 2015) bei Meidung einer Beitragsbelastung für die Vergangenheit „eine an Erpressung grenzende Bedingung“ darstellt (Kleine-Cosack, a.a.O., S. 118). Zudem ist der folgende Aspekt zu beachten: Die Gruppe, die den bisherigen Verlautbarungen der DRV-Bund „in treuer Pflichterfüllung“ folgend klarstellende Anträge auf eine Weitergeltung einer bereits erteilten Befreiung bis zum 31.12.13 oder nach dem 10.1.14 gestellt hat und die daraufhin einen Ablehnungsbescheid erhalten hat, wird aufgrund ihrer Ehrlichkeit erneut bestraft. Denn einerseits soll in den bislang nicht gemeldeten Fällen erst ab dem Stichtag (1.1.15) zur Zahlung herangezogen werden, andererseits verbleibt es in den bereits angemeldeten Fällen aus 2014 bei diesem Status. Bis dahin (doppelt) abgeführte Rentenbeiträge sollen also nicht zurückerstattet werden ‒ fürwahr eine rechtspolitische Meisterleistung, die eines Rechtsstaats wie die gesamte Behandlung der Angelegenheit unwürdig ist!

     

    Viele Fragen bleiben offen (anderer Ansicht offenbar Schaffhausen, AnwBl 2/15, 156). Insbesondere bleibt unbeantwortet, wie in Altfällen zu verfahren ist, in denen Syndikusanwälten personenbezogene Befreiungsbescheide erteilt wurden oder in denen Bescheide ‒ rechtswidrig, aber bestandskräftig ‒ die Befreiung generell für die Tätigkeit als „Rechtsanwalt“ aussprachen (hinweisend zu Recht NJW-aktuell, Heft 52/14, 10). Kein Wunder also, dass insbesondere die hier besprochene Verlautbarung der DRV Bund erneut den lauten Ruf nach einer Korrektur dieses für alle Beteiligten ‒ ArbG und Unternehmensanwälte als Arbeitnehmer ‒ völlig unakzeptablen und unhaltbaren Zustands durch den Gesetzgeber nach sich zieht (zu Recht: Thüsing/Fütterer, AnwBl 1/15, 13; Hellwig, AnwBl 1/15, 2; Göcken, NJW-aktuell 1-2/15, 16). Dieser Ruf ist bereits zuvor intensiv an die Politik herangetragen worden. Bundesjustizminister und große Teile des Deutschen Bundestags machen sich für eine gesetzgeberische Lösung stark. Insbesondere soll eine gesetzliche Regelung zum Bestandsschutz für Altfälle kreiert werden.

     

    Darüber hinaus beschäftigt sich das BMJV mit der Frage, wie künftig die Stellung der Syndikusanwälte ausgestaltet werden soll. Momentan befindet man sich auf der Basis eines Eckpunkte-Papiers vom 13.1.15 in der Ressortabstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (abzurufen unter: iww.de/sl584, siehe hierzu in dieser Ausgabe S. 25). Die wichtigste Aussage des Papiers ist, dass der Syndikusanwalt in dieser Eigenschaft vom Zwang in die DRV-Bund befreit bleibt und seine Altersvorsorge rein über die anwaltlichen Versorgungseinrichtungen gestalten kann, sofern die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft dort vorliegen und dieser Status besteht.

    2. Widerspruch und Klage vor dem SG sind unumgänglich

    Auch die neue Information der DRV zum Vertrauensschutz in Altfällen zwingen die Betroffenen in die sozialgerichtliche Klage. Die ArbG werden mit hoher Wahrscheinlichkeit im Fall des geringsten Zweifels zum 1.1.15 (beziehungsweise Mitte Februar 2015) angemeldet haben/anmelden, um Nachforderungen zu entgehen. Ob also bereits im Jahre 2014 seinerzeit indizierte Anträge zur Klarstellung einer weiter geltenden Altbefreiung abschlägig beschieden worden sind oder ob ein „Zwangskontakt“ mit der DRV nun aufgrund der vorstehenden Regelung über die ArbG hergestellt wird: Der Syndikus kann sich diesem Thema nicht mehr entziehen. Er trägt die Hauptlast einer doppelten Inanspruchnahme mit Rentenbeiträgen von seinem Gehalt.

     

    Will er sich dagegen wehren, muss er klagen, um den Eintritt einer Bestandskraft von ursprünglichem Bescheid und Widerspruchsbescheid zu vermeiden. Nur mit einer Klage werden auch die offenen Fragen sicher und rechtskräftig beantwortet. Werfen Sie folgende Fragen und Argumente auf:

     

    • Wie ist z.B. in den häufigen Fällen personenbezogener Altbescheide zu verfahren, zu denen sich die DRV nicht äußert?
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    • Warum soll eine Befreiung erst ab dem 58. Lebensjahr und nicht bereits zum Beispiel nach dem 56. Lebensjahr gelten? Denn auch im letzteren Fall lässt sich eine jahrzehntelang geübte Rentenplanung nicht mehr umsteuern. Deshalb erscheint die Grenze von 58 Lebensjahren völlig willkürlich.
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    • Die jetzt gefundene Regelung der DRV könnte auch zukünftig wieder durch die Rechtsprechung gekippt werden, wenn auch sie zu dem Ergebnis kommt, dass die Regel nicht bestandskräftig sein kann. Auch in diesem Fall wäre das Problem nicht gelöst, sondern nur verlagert.
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    • Zu bedenken ist, dass es sich immerhin um die Planung des sogenannten dritten Lebensabschnitts mit existenzieller wirtschaftlicher Bedeutung handelt.
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    • Einschlägigstes Argument in Altfällen gegen einen Ablehnungsbescheid ist, dass entstehende Versorgungslücken unzumutbar sind und der Vertrauensschutz entgegensteht. Schon das BSG stellt in seinen Erwägungen zum Vertrauensschutz auf die Lebensentscheidung zum Aufbau einer Altersversorgung der Inhaber „jüngerer“ Befreiungsbescheide ab. Deshalb gilt es in Altfällen umso mehr, die Länge der Versicherungsvita und etwaige private Vorsorgemaßnahmen zu beschreiben.

     

    Ohne durch eine Klage den Eintritt der Bestandskraft ablehnender Bescheide zu verhindern, lassen sich erwartete neue gesetzgeberische Regelungen mit einem rechtspolitisch unbedingt gebotenen umfassenden Vertrauensschutz für Altfälle für den einzelnen konkreten Fall nicht fruchtbar machen. Beim BVerfG sind gegen die Urteile des BSG vom 3.4.14 (a.a.O.) zwei Verfassungsbeschwerden anhängig (1 BvR 2534/14 und 1 BvR 2584/14). Auch diese Ergebnisse können nur eingebunden werden, wenn der konkrete Fall durch die Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten „offen gehalten“ wird. Aus diesen Gründen führt an Widerspruch und Klage kein Weg vorbei.

     

    PRAXISHINWEIS | Sie sollten eine Klage mit dem Antrag auf Ruhen des Verfahrens bis zu einer gesetzgeberischen Maßnahme und beziehungsweise oder bis zur Verkündung einer Entscheidung des BVerfG verknüpfen. Untersetzt werden kann dieser Antrag vor allem mit dem Hinweis auf das Eckpunkte-Papier des BMJV vom 13.1.15 und dessen oben dargestellte Kernbotschaft.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Zum Eckpunkte-Papier des BMJV, siehe in dieser Ausgabe S. 25
    • In der folgenden Ausgabe: Musterformulierung für die Widerspruchsbegründung gegen einen Ablehnungsbescheid
    • Siehe auch Horst, AK Sonderdruck 10/2014: Syndikusanwälte und Altersversorgung ‒ Beratung, Strategien, Handlungsoptionen
    • AK 14, 130: Syndikusanwälte sorgen sich um ihre Altersversorgung ‒ und der Kanzleianwalt?
    • Aktuelle Informationen zum Thema auf der Homepage des Bundesverbands der Unternehmensjuristen (BUJ) iww.de/sl467
    Quelle: Ausgabe 02 / 2015 | Seite 21 | ID 43148999