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  • · Fachbeitrag · Fristversäumnis

    Erfolgreich Wiedereinsetzung beantragen

    von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe B.A., Leipzig

    | Fristversäumnisse gehören zu den häufigsten Fehlern, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfordern. Dabei steht die Prüfung der Verschuldensfrage im Mittelpunkt, deren Ergebnis über Erfolg oder Ablehnung der Wiedereinsetzung entscheidet. Das Gericht prüft genau, wem das Missgeschick anzulasten ist. Der Beitrag erläutert, wie ein Wiedereinsetzungsantrag präzise begründet wird, dass ein Anwaltsverschulden auszuschließen ist, wenn das Personal einen Fehler gemacht hat. |

    1. So ist die Rechtslage

    Nur wenn der Bevollmächtigte eine ordnungsgemäße Büroorganisation glaubhaft machen kann, liegt bei Fehlern seines Personals kein Anwaltsverschulden vor, das dem Mandanten zuzurechnen wäre. In diesen Fällen kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aussichtsreich beantragt werden (§ 85 Abs. 2, § 233 ZPO). Wie kann der Rechtsanwalt nun diese „ordnungsgemäße Büroorganisation“ schlüssig darlegen?

     

    PRAXISHINWEIS | Die jüngere Rechtsprechung beweist: Das Scheitern vieler Wiedereinsetzungsanträge resultiert daraus, dass das Gericht zu wenig Informationen erhält. Viele Anwälte versäumen schlicht einen umfassenden und schlüssigen Sachvortrag. So reicht z.B. ein allgemein gehaltener, nicht weiter substanziierter Vortrag, einer bewährten Fachangestellten sei ein Versehen unterlaufen, zur Prüfung der Verschuldensfrage nicht aus (BGH 17.4.12, VI ZB 44/11, Abruf-Nr. 121617).

     

    2. Was muss das Gericht wissen?

    Damit das Gericht die Verschuldensfrage beurteilen kann, orientieren Sie sich an folgendem vierstufigen Vortrag, der die Kerninformationen herausstellt.

     

    Checkliste / Vier-Stufen-Vortrag

    • 1.Wann und unter welchen Umständen geschah das Fristversäumnis?
    • 2.Welche/r Mitarbeiter/in ist verantwortlich?
    • 3.Mitarbeiterprofil: Welche Ausbildung/Zusatzqualifikation? Seit wann in der Kanzlei beschäftigt? Seit wann mit der Fristenkontrolle betraut?
    • 4.Wie ist die Fristenkontrolle in der Kanzlei organisiert (Einweisung, schriftliche Arbeitsanweisung, Personalschulungen etc.)?
     

    Wird das Gericht mit diesen Informationen versorgt, kann es den gesamten Hergang nachvollziehen und sich ein Bild über die Qualifikation des betroffenen Mitarbeiters machen. Je detaillierter erkennbar ist, dass der Betroffene z.B. aufgrund Ausbildung oder langjähriger Erfahrung geschult ist bzw. in der Kanzlei einschlägige Vorschriften gelten, desto klarer die Hinweise für das Gericht, dass den Rechtsanwalt kein Verschulden trifft.

    Die folgende Musterformulierung kann mit einer Rechtsmittel- oder sonstigen Antragsschrift verbunden und sollte individuell angepasst werden.

     

    Musterformulierung /  Wiedereinsetzungsantrag

    Es wird beantragt, dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zu gewähren.

     

    Begründung: 

    Am ... ... 2013 war ... (Name Mitarbeiter/in) mit der Fristenkontrolle in der Kanzlei des Unterzeichners beauftragt. Zu den an diesem Tag zu notierenden Fristen gehörte auch die ...-frist im vorliegenden Rechtsstreit, deren Notierung im Fristenkalender unterblieb. Auf Nachfrage des Unterzeichners erklärte ..., dass es zu dem Versäumnis gekommen sei, da er/sie die Akte zur Notierung der Frist auf einen besonderen Stapel gelegt habe. Von dort sei sie versehentlich hinab auf einen weiteren Aktenstapel geglitten. Infolgedessen übersah ... die weitere Notierung der Frist, das Fristversäumnis wurde durch ihr/ihn erst am ... entdeckt und direkt am gleichen Tag dem Unterzeichner berichtet. Zur Glaubhaftmachung wird auf die eidesstattliche Versicherung des/der ... verwiesen, die vollumfänglich zum Gegenstand des Wiedereinsetzungsantrags gemacht wird.

    Beweis: Eidesstattliche Versicherung des/der ..., Original anbei.

     

    ... ist seit ... 2013 in der Kanzlei als ... (z.B. ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte/Bürovorsteherin) beschäftigt. Das Aufgabenspektrum der Fristenkontrolle sowie die Bedeutung prozessualer Fristen ist ... gut bekannt.

     

    Die Fristenkontrolle gehört seit ... zu den Aufgaben von ... und wird seit dieser Zeit von ihm/ihr zuverlässig und fehlerfrei durchgeführt. Weder kam es bislang zu fehlerhaften Arbeitsvorgängen im Bereich der Fristenkontrolle, noch gab es Hinweise für den Unterzeichner, dass ... an diesem Tag für diese Arbeit nicht geeignet oder qualifiziert wäre. Bei der versäumten Frist handelt es sich um eine ...-frist, mithin eine Frist, mit deren Art und Dauer ... routiniert vertraut ist. Derartige ...-fristen sind von ihm/ihr in der Vergangenheit/seit dem Jahr ... unzählige Male korrekt und zuverlässig berechnet und notiert worden.

     

    Um die Fristenkontrolle in seiner Kanzlei ordnungsgemäß und zuverlässig sicherzustellen, weist der Unterzeichner alle neu eintretenden Mitarbeiter in das Aufgabenfeld ein. Dabei prüft der Unterzeichner Wissensstand und Qualifikation hinsichtlich Umgang und Bedeutung anwaltsüblicher Fristen sowie die Fähigkeit, diese korrekt zu berechnen und in den Fristenkalender einzutragen. Der Unterzeichner hat darüber hinaus eine präzise Arbeitsanweisung zum Fristenmanagement entwickelt, die jedem Beschäftigten ausgehändigt und deren Kenntnisnahme durch Gegenzeichnung bestätigt wird.

    Beweis: Arbeitsanweisung „Kanzleiorganisation Fristen ‒ Arten/Berechnung/Notierung“ vom ... mit Kenntnisnahmevermerk von ..., Kopie anbei.

     

    Nach alledem ist glaubhaft und schlüssig vorgetragen, dass der Unterzeichner sicher davon ausgehen konnte und weiterhin ausgehen kann, dass die Fristenkontrolle ordnungsgemäß organisiert ist, er sich an den Ansprüchen höchstrichterlicher Rechtsprechung orientiert (BGH 23.1.13, XII ZB 167/11) und den anwaltlichen Sorgfalts- und Kontrollpflichten Rechnung trägt. Ein Verschulden des Unterzeichners liegt nicht vor, da er seine Sorgfaltspflicht in Frist­sachen erfüllt und alles ihm Zumutbare geleistet hat, um die Wahrung der versäumten ...frist zu gewährleisten.

     

    Rechtsanwalt

     

    Stellen Sie die Organisation der Fristenkontrolle mit einer schriftlichen 
Arbeitsanweisung sicher (Noe, AK 13, 50), ist diese als Beweismittel stets beizufügen. Je umfassender und präziser sie ausgestaltet ist, desto weniger müssen Sie die Kanzleiorganisation im Wiedereinsetzungsantrag wiedergeben. Gleiches gilt für den genauen Grund des Fristversäumnisses. Wird dem Antrag eine eidesstattliche Versicherung beigefügt, in dem die genauen Umstände am Tag des Fristversäumnisses geschildert werden, kann in der Antragsschrift auf diese verwiesen werden.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 64 | ID 42227242