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  • 23.07.2013 · IWW-Abrufnummer 132302

    Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 11.04.2013 – 11 U 80/12

    Der Rechtsanwalt schuldet nach Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung, welche sich gegen einen Unterhaltstitel richtet, dem Mandanten eine umfassende Beratung über die Risiken des Rechtsmittelverfahrens, die sich an den Besonderheiten des Unterhaltsprozesses, bei dem sich bereits allein aufgrund des Zeitablaufs veränderte Umstände ergeben können, zu orientieren hat. Hierbei sind insbesondere auch bereits bekannte Einkommensentwicklungen der Parteien zu berücksichtigen.


    In dem Rechtsstreit

    hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht auf die mündliche Verhandlung vom 26.02.2013

    für Recht erkannt:
    Tenor:

    1.

    Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 16.05.2012 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadenersatz in Höhe von 1.068,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.11.2008 zu zahlen.

    Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 155,30 € vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
    2.

    Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 97 % und der Beklagte 3 %.

    Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin 78 % und der Beklagte 22 %.
    3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Gründe

    I.

    Die Klägerin begehrt Schadenersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung aus einem Familienrechtsmandat. Das Landgericht hat die Kosten für das Berufungsverfahren in Höhe von 4.905,15 € abzüglich restlichem Honoraranspruch des Beklagten in Höhe von 155,30 € als begründet erachtet sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zugesprochen, im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Wegen der Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil gem. § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.

    Der Beklagte führt zur Begründung seiner Berufung unter anderem aus:

    Es sei zweifelhaft, ob die allgemeinen Grundsätze zur anwaltlichen Beratungspflicht auf einen Unterhaltsprozess, insbesondere auf eine Abänderungsklage des Unterhaltsschuldners, ohne weiteres übertragbar seien. Die Tatsachengrundlage in einem Unterhaltsprozess sei fließend und ändere sich durch Zeitablauf ständig, sodass schon ganz allgemein Prognosen in die weitere Zukunft überhaupt nicht möglich seien. Zudem kenne der Unterhaltsgläubiger in der Regel die Einkommensverhältnisse des Unterhaltsschuldners nicht.

    Das Landgericht wolle dem Beklagten vorwerfen, von der streitgegenständlichen Berufung nicht abgeraten zu haben. Bei der Frage, ob eine Pflichtverletzung vorliege, müsse der Zeitraum betrachtet werden, in dem die Entscheidung über die Berufungseinlegung erfolgen musste. Dies sei der Zeitraum zwischen dem 16.11.2007 und 16.12.2007 gewesen.

    Das Landgericht habe seine Argumentation unter anderem darauf gestützt, dass sich der Renteneintritt des D. im Februar 2008 zu Gunsten der Klägerin auswirken würde. Dieses Argument wäre tatsächlich unvollständig, wenn der Beklagte dargestellt hätte, dass der Renteneintritt zwingend zu einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit führen würde. Das Erwerbseinkommen könne nicht von einem Tag auf den anderen als überobligationsmäßig unter den Tisch fallen. Die Situation des D. wäre die wie bei jedem Arzt und Rechtsanwalt. Auch nach Renteneintritt würden einem noch die Früchte der bislang ausgeübten Tätigkeit in den Schoß fallen. Der Beklagte habe eine solche Behauptung, dass sich die Leistungsfähigkeit des D. ab Renteneintritt in jedem Fall erhöhen würde, gar nicht aufgestellt. Seine Äußerungen im Schreiben vom 23.11.2007 ließen nicht im Entferntesten den Rückschluss darauf zu, dass die Rente auf jeden Fall zu einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit führen würde. Der Beklagte spreche nur neutral davon, dass sich der Renteneintritt auswirken werde.

    Das Landgericht meine, die Darstellung des Beklagten sei zu pauschal gewesen, er hätte die Klägerin vielmehr darauf hinweisen müssen, dass der Eintritt des Herrn D. in das Rentenalter sich unterhaltsmindernd auswirken würde. Die Überprüfung, ob und in welchem Umfang ein solches überobligatorisches Einkommen vielleicht doch für die Unterhaltszwecke einzusetzen sei, sei kompliziert und erfordere eine umfassende Einbeziehung sämtlicher Einzelfallumstände, wie das Landgericht in seinen theoretischen Ausführungen auch völlig zutreffend ausführe.

    Der Berufungsrücknahme nach Hinweisen im Termin vom 30.04.2008 habe eine ganz andere Beurteilungsgrundlage zugrundegelegen. Der Ehemann der Klägerin habe im damaligen Berufungsverfahren erstmals mit Schriftsatz vom 06.01.2008 weitere Einkommensunterlagen vorgelegt, den Jahresabschluss für das Jahr 2007 erst mit Schriftsatz vom 04.03.2008. Dass es viel später zu einem Verzicht auf die Rechte aus dem vorhandenen Titel auf nachehelichen Unterhalt ab Februar 2008 gekommen sei, habe ganz andere Ursachen als die Berufungseinlegung und sei zum Zeitpunkt, auf welchen es vorliegend ankomme, noch nicht zu beurteilen gewesen.

    Es sei auch offen gewesen, ob dem geschiedenen Ehemann der Klägerin noch Einkünfte erheblichen Umfangs aus Aufträgen vor dem Renteneintritt zugestanden hätten oder nicht. Die Bewertung der Kammer zeige eine gewisse Unerfahrenheit auf familienrechtlichen Gebieten. Es komme immer wieder vor, dass die Rechtsprechung von diesen Grundprinzipien Abweichungen vornehme, um zu einem gerechten Ergebnis zu gelangen. Es habe zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung noch gar nicht abschließend beurteilt werden können, ob der geschiedene Ehemann D. Manipulationen an seinen Arbeitseinkünften vorgenommen habe. Es hätte zum Beispiel die Möglichkeit bestanden, Rechnungen später erstellen zu lassen. Der Hinweis des Beklagten sei richtig gewesen, die Sache erst einmal offen zu halten um im späteren Verlauf konkrete Feststellungen treffen zu können.

    Das Landgericht wolle dem Beklagten vorwerfen, die Klägerin nicht darauf hingewiesen zu haben, dass sich die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des geschiedenen Ehemannes im Jahre 2007 nicht aufgrund einer Prognose im Rahmen eines Mehrjahresvergleichs zu beurteilen sein würde, sondern dass auf das tatsächlich erzielte Einkommen abzustellen sei. Im Schreiben vom 18.11.2007 habe der Beklagte überhaupt nicht auf die Berechnungsmethode abgestellt, sondern ausschließlich darauf hingewiesen, dass das Einkommen des geschiedenen Ehemannes der Klägerin auch im Jahre 2007 möglicherweise wieder angestiegen sei.

    Die Ausführungen des Landgerichts zur Kausalität und zum Schaden seien nicht nachvollziehbar. Nach den eigenen Ausführungen des Landgerichts hätte die Berufung selbst unter Zugrundelegung der Entscheidungsgründe für die Monate Februar und Juni mit einem Gesamtbetrag von 922,00 € Erfolgsaussichten. Hätte der Beklagte insoweit der Klägerin von der Einlegung einer Berufung abgeraten, hätte er sich schadenersatzpflichtig gemacht. Jedenfalls insofern musste der Beklagte zuraten. Insofern wäre, die Argumentation des Landgerichts zum beratungskonformen Verhalten der Klägerin einmal als richtig unterstellt, die Berufung gleichwohl eingelegt worden, wäre also die Anschlussberufung, welche unabhängig von der Höhe des Antrages sei, ebenfalls eingelegt worden und wären die entsprechenden Kosten ebenfalls verursacht worden. Im Umfang dieser Kosten könne das Urteil hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität schon aus diesem Grund keinen Bestand haben.

    Das Landgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass der Schaden unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens ebenfalls im Wesentlichen entstanden wäre und daher auch unter diesem Gesichtspunkt die haftungsausfüllende Kausalität fehle. Und wenn die Klägerin aufgrund der Beratung des Beklagten insgesamt von einer Berufung abgesehen hätte, hätte ihr geschiedener Ehemann, das zeigen alle vorgelegten Unterlagen, in jedem Fall eine Abänderungsklage eingelegt.

    Der Beklagte beantragt,

    die angefochtene Entscheidung zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und führt hierzu aus:

    Der Beklagte habe der Klägerin unbedingt die Einlegung einer Berufung angeraten. Er habe impliziert, dass kein oder kein nennenswertes Risiko bei der Durchführung der Berufung bestehen würde.

    Das Unterhaltsverfahren stelle noch weitergehende Anforderungen an die Beratung eines Rechtsanwaltes. Insbesondere müsse er auch auf zukünftig zu erwartende Risiken hinweisen und die sich verändernden Tatsachengrundlagen in seine Beratung mit einfließen lassen. Vorliegend habe der Beklagte die Klägerin auf eine Chance hingewiesen, die es in der Realität nicht gegeben habe. Er habe darauf abgestellt, dass sich die Einkommensverhältnisse ihres geschiedenen Mannes ab Februar 2008 positiver entwickeln und daher ihr Unterhaltsanspruch steigen würde. Hätte er sie darauf hingewiesen, dass in Unkenntnis der Einkommensverhältnisse des geschiedenen Ehemannes mit einem erheblichen Prozessrisiko zu rechnen gewesen wäre, hätte sie von der Einlegung einer Berufung abgesehen. Die Klägerin habe in den vorliegenden Schreiben an den Beklagten sehr deutlich gemacht, dass sie sich sogar bereits vor der erstinstanzlichen Abänderungsklage die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses aufrechterhalten wollte. Sie habe hiermit ihr Kostenbewusstsein dargelegt. Dem Beklagten werde vorgeworfen, nicht auf die ganz erheblichen Prozessrisiken hingewiesen zu haben.

    Die Problematik, dass die Einkünfte aus einer nach Renteneintritt fortgeführten selbstständigen Tätigkeit als überobligationsmäßig angesehen werden würden, habe der Beklagte nicht erkannt.

    Der Beklagte habe auch verkannt, dass sich ab Februar 2008 das Einkommen der Klägerin durch den dann durchzuführenden schuldrechtlichen Versorgungsausgleich erheblich erhöhen würde, nämlich um einen Betrag von monatlich 454,83 €. Hätte der Beklagte die Klägerin rechtlich zutreffend beraten, hätte er ihr nur in einem ganz geringen Umfang, nämlich für die Monate Februar und Juni 2007, zu einem Berufungsverfahren raten können, die Klägerin wäre dem Rat des Beklagten gefolgt .

    Dem Beklagten sei auch offensichtlich das Urteil des BGH (FamRZ 2007, 1532) nicht bekannt gewesen, welches im September 2007 veröffentlicht worden sei. Für den vorliegenden Sachverhalt bedeute dies, dass der Unterhalt der Klägerin im Jahr 2007 ausschließlich anhand der Einkünfte des geschiedenen Ehemannes der Klägerin aus 2007 zu berechnen gewesen wäre. In seiner Berufungsbegründung habe er dargelegt, dass mit einem Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2006 zu rechnen sei. Auf die Unrichtigkeit dieser Auffassung sei der Beklagte mit Hinweisschreiben des OLG vom 21.01.2008 hingewiesen worden.

    Für den Zeitraum Februar 2007 bis Januar 2008 habe keinerlei Prognose jedweder Art über die Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens abgegeben werden können. Hätte der Beklagte die Klägerin auf diese Rechtslage hingewiesen, hätte die Klägerin ein Berufungsverfahren nicht bzw. in dem geringen, sicher erfolgsversprechenden Umfang der Zeiträume Februar und Juni 2007 durchgeführt.

    Die Klägerin schulde dem Beklagten auch keine Gebühr gem. Ziffer 2100 VVRVG. Zum einen lägen die Voraussetzungen des § 10 RVG nicht vor, zum anderen hätte Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels für die Teilzeiträume Februar und Juni 2007 bestanden. Hätte der Beklagte die Klägerin sachgerecht beraten, hätte er insoweit zur Einlegung einer Berufung raten müssen, die dann insoweit auch erfolgreich gewesen wäre (151 GA). Die Gebühr nach 2100 VVRVG wäre dann auf die entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen gewesen, sodass hier kein gesonderter Gebührenanspruch entstanden wäre.

    II.

    Die Berufung ist teilweise begründet.

    1. Der Senat folgt der Auffassung des Landgerichts insoweit, als sich die Empfehlung des Beklagten, unbedingt Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Lübeck einzulegen, als Beratungsfehler darstellt, da er die Klägerin nicht zureichend über die ganz erheblichen Risiken des Rechtsmittelverfahrens aufgeklärt hat.

    In welchem Umfang ein Rechtsanwalt den Mandanten nach einem Instanzenverlust über die Aussichten eines Rechtsmittels zu belehren hat, ist durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes noch nicht umfassend geklärt (BGH vom 24.05.2007 - IX ZR 142/05). Die Beratung setzt voraus, dass der Rechtsanwalt die Erfolgsaussichten zunächst sorgfältig geprüft hat. Erwecken die Ausführungen des Berufungsanwalts bei dem Auftraggeber den Eindruck, der Anwalt habe das Urteil einer umfassenden Prüfung unterzogen und er sei sich als Ergebnis dieser Prüfung sicher, die Entscheidung des Ausgangsgerichts könne nicht mit Aussicht auf Erfolg angegriffen werden, führt dies zu einer Pflichtverletzung, wenn der Anwalt die Erfolgsaussichten nicht sorgfältig geprüft hat (BGH vom 27.03.2003 - IX ZR 399/99). Die Art der Belehrung richtet sich dabei einerseits nach dem Begriffsvermögen des Mandanten und zum anderen nach dem Grad der Erfolgsaussichten bzw. Aussichtslosigkeit des Rechtsstreites. Von völlig aussichtslosen Verfahren muss der Anwalt abraten. Diesen Vorgaben hat die Beratung durch den Beklagten nicht entsprochen.

    Der Rechtsberater in Familiensachen steht vor dem grundsätzlichen Problem, dass in Unterhaltssachen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien in einer Vielzahl von Fällen im Fluss sind und sich mithin die Beratung über die Erfolgsaussichten in gewissem Maße als durchaus problematisch darstellt. Teilweise sind hierbei auch Prognosen hinsichtlich der Einkommensentwicklung anzustellen So war es auch vorliegend. Der geschiedene Ehemann der Klägerin verfügte über Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, hinsichtlich derer zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung noch unklar war, ob sie über den Zeitpunkt seines Renteneintrittes im Februar 2008 noch weiter erzielt werden würden.

    Der Beklagte hat bei Prüfung der Erfolgsaussichten der Berufung und der anschließenden Beratung der Klägerin die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 04.07.2007 (FamRZ 2007, 1532 f.) außer Betracht gelassen. Danach war für die Berechnung des in 2007 geschuldeten Unterhalts nicht mehr auf einen Einkommensdurchschnitt der Vorjahre abzustellen. Nach ständiger Rechtsprechung ist dem Rechtsberater für die Kenntnisnahme neuerer Entscheidungen ein realistischer Toleranzzeitraum zuzubilligen, der zwischen vier und sechs Wochen liegt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Versicherungsrecht 1980, 359 ff.) hat festgestellt, dass eine fehlende Kenntnisnahme sechs Wochen nach der Veröffentlichung nicht mehr als unverschuldet zu betrachten sei. Die hier in Rede stehende Entscheidung wurde Anfang September 2007 veröffentlicht, sodass der Beklagte ausreichend Zeit gehabt hatte, diese Entscheidung nachzulesen. Eine solche Kenntnisnahme war ihm jedenfalls bis zum Ablauf der Berufungsfrist (dem 10.12.2007) möglich und auch zumutbar.

    Der Beklagte hätte die Klägerin insbesondere darauf hinweisen müssen, dass die von ihm im Schriftsatz vom 18.11.2007 geäußerte Erwartung, das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten werde ab dem Jahr 2008 steigen, nicht unproblematisch war, zumal sich ihr Einkommen im Februar 2008 im Hinblick auf den dann durchzuführenden schuldrechtlichen Versorgungsausgleich um unstreitig monatlich 454,38 € erhöhen würde.

    Hinsichtlich des möglichen Einsatzes von Erwerbseinkommen des geschiedenen Ehemannes verbietet sich zwar eine generalisierende Betrachtung in der Weise, dass ein Unterhaltsanspruch auf diese Einkünfte nicht mehr teilweise zu stützen ist. Allerdings hätte der Beklagte darüber belehren müssen, dass eine differenzierende Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände nicht zwingend zu einer Anrechnung der Einkünfte des geschiedenen Ehemannes zu Gunsten der Klägerin würde führen müssen. Auch insoweit fehlte eine Aufklärung über die Risiken des Berufungsverfahrens, zumal dem Beklagten bekannt war, dass es sich bei der Klägerin um eine kostenbewusste Mandantin handelte. Dies ergibt sich bereits aus ihrem Schreiben vom 26.11.2006, in dem sie ihr Interesse dargelegt hatte, zwar solange wie möglich den ursprünglichen Unterhaltsbetrag erhalten zu wollen. Allerdings machte sie sehr deutlich, nicht auf den hohen Kosten für Rechtsanwälte und Gericht sitzen bleiben zu wollen; dabei sollte die Möglichkeit eines teilweisen Anerkenntnisses ausdrücklich offen gehalten werden. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist der bloße Hinweis des Beklagten, das Berufungsverfahren sei nicht frei von Risiken, nicht ausreichend gewesen, um der Klägerin vollständig ins Bild über die Risiken einer Berufungseinlegung zu setzen. Ergänzend wird Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (U.A. Seite 7 bis 10).

    2. Der Klägerin ist ein kausaler Schaden durch die Pflichtverletzung entstanden. Sie hat für den Senat in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass sie bei einer vollständigen Beratung über die bestehenden Risiken von einer Berufungseinlegung in dem tatsächlich vorliegenden Umfang abgesehen hätte. Allerdings hätte sie die vom Landgericht zutreffend als fehlerhaft erachteten Beträge für den Februar 2007 in Höhe von 500,00 € und für den Juni 2007 in Höhe von 422,00 € mit einer Berufung angefochten (151 GA). Der Beklagtenvertreter hat sich diesen Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zu Eigen gemacht. Mithin hat der Senat eine solche Berufung für die Betrachtung des hypothetischen Kausalverlaufs seiner nach den Maßstäben des § 287 ZPO anzustellenden Prüfung zugrundezulegen.

    Auch in diesem Fall wäre die Klägerin mit den erheblichen Kosten für die Anschlussberufung des Unterhaltsschuldners belastet worden. Ob der diesbezügliche Beweisantritt, Herr D. hätte bei einer solch eingeschränkten Berufung von einer Anschlussberufung abgesehen, verspätet ist, kann hierbei dahinstehen, da sich das Gegenteil bereits aus der vorliegenden, beigezogenen Akte zum Unterhaltsverfahren 15 UF 189/07 (128 F 18/07) ergibt.

    Danach stellt sich der Verfahrensablauf wie folgt dar:

    Die Berufung ging am 12.12.2007 ein (Bl. 319 Beiakte). Während der laufenden Berufungsbegründungsfrist hat D. die Klägerin durch seine Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 10.01.2008 aufgefordert, auf ihren Unterhaltsanspruch ab Februar 2008 unter Stellungnahmefrist bis zum 15.01.2008 zu verzichten (Bl. 352 bis 354 Beiakte). Die Klägerin reagierte gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten nicht, sondern begründete mit Schriftsatz vom 16.01.2008 ihre Berufung (Bl. 327 f. Beiakte). Diese Berufungsbegründung wurde den Prozessbevollmächtigten des D. am 18.01.2008 zugestellt (Bl. 329a Beiakte). Bereits an diesem Tag ging auch die Anschlussberufung des Herrn D. beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts ein (Bl. 333 f. Beiakte), welche auf Reduzierung des Unterhaltsanspruchs ab Februar 2008 auf null gerichtet war. Mit Verfügung vom 21.01.2008 (Bl. 358 f. Beiakte) setzte die Einzelrichterin des Senates dem Berufungsbeklagten D. eine Frist für die Berufungserwiderung bis zum 20.02.2008. Innerhalb dieser für § 524 Abs. 2 ZPO maßgeblichen Frist erweiterte der Unterhaltsschuldner mit Schriftsatz vom 18.02.2008 seine Anschlussberufung für die Zeit von Februar 2007 bis einschließlich Januar 2008 (Bl. 390 f. Beiakte). Erst auf die Empfehlung des Beklagten mit Schriftsatz vom 07.05.2008 (30 ff. GA) verzichtete die Klägerin auf ihre Rechte aus dem Titel ab Februar 2008 (Schriftsatz der hiesigen Klägervertreterin vom 11.11.2008, Seite 4; 40 GA).

    Folglich hätte der Unterhaltsschuldner auch bei einer beschränkten Berufung nicht von einer Anschlussberufung abgesehen. Sein Schreiben vom 10.01.2008 zeigt vielmehr, dass er der Auffassung war, der Klägerin in jedem Fall ab Februar 2008 kein Unterhalt mehr zu schulden. Da die Klägerin auf seine Fristsetzung bezüglich des Verzichtes auf die Rechte aus dem Unterhaltstitels nicht reagiert hatte, war die Einlegung der Anschlussberufung unter Kostengesichtspunkten der günstigste Weg für den Unterhaltsschuldner sein Ziel zu erreichen. Unerheblich ist dabei, dass die Klägerin bei diesem hypothetischen Kausalverlauf nur für zwei Monate das Urteil angefochten hätte. Im Hinblick auf die Regelung des § 524 Abs. 2 ZPO hatte der Beklagte es noch bis zum Ablauf der gesetzten Berufungserwiderungsfrist (20.02.2008) in der Hand, einen Eintritt der Rechtskraft des Urteils im Übrigen zu verhindern. Insoweit verfangen die Ausführungen der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 19.03.2013 nicht. Es lag vielmehr in ihrer Hand, durch Abgabe der vorprozessual angeforderten Erklärungen die späteren, nachteiligen Folgen (Belastung mit den Kosten der Anschlussberufung) abzuwenden. Nach alledem wäre jedenfalls die Anschlussberufung des Unterhaltsschuldners nicht zu vermeiden gewesen. Die Schadensberechnung stellt sich mithin wie folgt dar:

    Der Wert der Berufung der Klägerin beträgt:


    922,00 €

    die Berufung des Unterhaltsschuldners:


    6.884,00 €

    Gesamtstreitwert Berufung:


    7.806,00 €

    Es wären mithin bei hypothetischer Durchführung der Berufung folgende Kosten entstanden:

    1,6 Verfahrensgeb. Beklagter: 412,00 € x 1,6 =


    659, 20 €

    1,2 Terminsgeb. : 412,00 € x 1,2 =


    494,40 €

    Summe


    1.153,60 €

    MwSt.


    219,18 €

    Summe


    1.372,78 €

    Gebühren des Klägervertreters


    1.372,78 €

    Fahrkosten Beklagtenvertreter


    415,01 €

    Zwischensumme:


    3.160,57 €

    Gerichtsgebühren (4-fach):


    676,00 €

    Endsumme:


    3.836,57 €

    Der vom Landgericht vorgenommene Abzug in Höhe von 155,30 € ist nicht gerechtfertigt, die Gebühr nach 2100 VVRVG ist auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.

    Mithin wären zulasten der Klägerin in jedem Fall Kosten in Höhe von 3.836,57 € angefallen. Der Klägerin steht mithin ein Schadenersatzanspruch in Höhe von lediglich 1.068,58 € (tatsächliche angefallene Kosten Berufungsverfahren: 4.905,05 € abzüglich 3.836,57 €) zu.

    Außerdem kann sie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach einem Wert von 1.068,58 € verlangen, die sich wie folgt berechnen:

    1,3 Geschäftsgeb. nach einem Wert von 1.068,58 €


    110,50 €

    Auslagenpauschale


    20,00 €

    Umsatzsteuer 19 %


    24,80 €

    Erstattungsfähige Kosten


    155,30 €

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

    Vorschriften§ 280 BGB § 675 BGB