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  • 29.04.2025 · IWW-Abrufnummer 247889

    Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen: Urteil vom 14.02.2025 – 1 AGH 43/24

    1. Ein Dokument, das nach Unterschrift eingescannt und als Bilddatei (zB im PDF-Format) weder mit qualifizierter elektronischer Signatur noch auf sicherem Übermittlungsweg übermittelt wird, ist als solches kein zulässiges elektronisches Dokument.

    2. Im Übrigen wird ein nicht qualifiziert elektronisch signiertes Dokument nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach im Sinne des § 55a III 1 Alt. 2, IV Nr. 2 VwGO eingereicht, wenn die den Schriftsatz verantwortende Person das Dokument selbst versendet. Es genügt nicht, dass eine andere Person - hier ein anderer Rechtsanwalt - die Versendung vornimmt.

    3. Wird die elektronische Form des § 55d S. 1 VwGO aber nicht beachtet, ohne dass die Voraussetzungen des § 55d S. 3 und 4 VwGO erfüllt sind, führt dies zur Unwirksamkeit der in Papierform eingereichten Erklärungen und zur Unzulässigkeit damit erhobener Rechtsmittel.


    Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.02.2025, Az. 1 AGH 43/24

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

    Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Der Streitwert wird auf 10.000,-- Euro festgesetzt.

    Tatbestand
    Der am 00.00.1950 geborene Kläger ist seit dem 28.01.1983 bei der Beklagten als Rechtsanwalt zugelassen und wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen die Pflicht zur Nutzung eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA).

    Mit Schreiben vom 14.03.2023 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass bereits seit 2018 der Inhaber eines beA gem. § 31a VI BRAO verpflichtet sei, dieses zumindest passiv zu nutzen, hierfür die erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten und Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beA zur Kenntnis zu nehmen. Der Kläger habe sein beA noch nicht erstregistriert, sodass er dieses nicht nutzen könne. Das stelle eine Berufspflichtverletzung dar. Sie, die Beklagte, sei daher gehalten, ein Aufsichtsverfahren gegen den Kläger einzuleiten, und forderte diesen daher dazu auf, bis zum 30.04.2023 die erforderlichen Voraussetzungen für die Nutzung des beA zu schaffen.

    Nachdem der Kläger hierauf nicht reagierte, wies die Beklagte ihn erneut auf den o.g. Sachverhalt hin und bat ihn, gem. § 56 I 1 BRAO bis zum 24.05.2023 hierzu Stellung zu nehmen. Hierauf erklärte der Kläger, er befinde sich im 73. Lebensjahr und seit langer Zeit im Ruhestand. Er wisse "beim besten Willen nicht, was ich mit einem elektronischen Anwaltspostfach anfangen sollte. Also lassen Sie mich bitte damit in Ruhe".

    Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 19.07.2023 mit, dass er weiterhin als Rechtsanwalt zugelassen sei und daher allen berufsrechtlichen Pflichten unterliege. Ggf. müsse er seine Zulassung zurückgeben. Der Kläger erwiderte darauf, dass er wisse, dass er noch als Rechtsanwalt zugelassen sei. "Für Rechtssuchende bin ich nicht mehr erreichbar. ICH WILL AUCH NICHT MEHR ERREICHBAR SEIN!". Gegen die Einleitung eines Aufsichtsverfahrens lege er den zulässigen Rechtsbehelf ein.

    Die zuständige Abteilung der Beklagten beschloss daraufhin, den betreffenden Vorgang an die Generalstaatsanwaltschaft abzugeben mit der Anregung, den Kläger anzuschuldigen.

    Mit in Papierform beim Anwaltsgerichtshof eingegangener Klage vom 12.11.2024 begehrt der Kläger die Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, sich für ein beA erstzuregistrieren und die für die Nutzung eines beA erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen.

    Zur Begründung meint er, es gebe kein Gesetz für eine solche Pflicht und er sei nicht verpflichtet, einen sicheren Übermittlungsweg einzuhalten. Ein beA sei nicht zwingend, "DE-Mail auch gegeben" (sic, Bl. 1 d.A.).

    Der Kläger beantragt,

    festzustellen, dass er nicht verpflichtet sei,

    1.
    sich für ein beA erstzuregistrieren;

    2.
    die für die Nutzung eines beA erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Klage des Klägers sei bereits nicht elektronisch und damit nicht ordnungsgemäß eingereicht. In der Sache sei der Kläger entgegen seiner Auffassung gem. § 31a VI BRAO verpflichtet, das beA zu nutzen, die zur Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten und Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beA zur Kenntnis zu nehmen.

    Der Vorsitzende des Senats hat den Kläger mit der Ladungsverfügung darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf § 55a VwGO Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestünden, und hinsichtlich der Pflicht zur Einrichtung eines beA auf § 31a BRAO verwiesen. Im Übrigen hat er darauf hingewiesen, dass im Falle des Nichterscheinens zum Termin auch ohne die Parteien in der Sache verhandelt und entschieden werden könne.

    Der Kläger hat darauf mit Faxschreiben vom 13.01.2025 erwidert, er könne den Einwand bzgl. der Zulässigkeit der Klage - "wenn nun das Verfahren ordnungsgemäß abläuft" - nicht nachvollziehen, nachdem die Klage angenommen, in den Geschäftsgang gegeben, zugestellt und Termin anberaumt worden und die Beklagte erwidert habe, es sei denn, das Gericht begreife den Formalismus (der elektronischen Einreichung) als Selbstzweck. Wie der BGH im Zusammenhang mit dem Dateiformat von Eingaben entschieden habe, komme es darauf nicht mehr an, wenn die Datei - wie im vorliegenden Fall - vom Gericht jedenfalls lesbar sei. Der Kläger hätte die Klage auch per DE-Mail als sicheren Übermittlungsweg einreichen können; allerdings verfüge der Anwaltsgerichtshof über keine DE-eMail-Adresse, sodass er selbst die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs behindere. Letztlich sei es widersinnig, von jemandem die Nutzung eines beA zu verlangen, der sich genau gegen die "Oktroyierung desselben" wende.

    Zuletzt hat der Kläger seine als pdf-Datei eingescannte Klageschrift am 10.02.2025 von Rechtsanwalt A aus dessen beA an den Senat übersenden lassen. In dem beigefügten Anschreiben hat Rechtsanwalt A klargestellt, nicht zu einer Prozessvertretung bevollmächtigt zu sein.

    Entscheidungsgründe
    I.

    A.

    Die Klage des Klägers ist bereits unzulässig.

    a)

    aa)

    Als Rechtsanwalt hätte er die vorliegende Klage gem. § 112c BRAO i.V.m. § 55a VwGO als elektronisches Dokument einreichen müssen. Er hat seine Klage jedoch nur in Papierform eingereicht.

    bb)

    Die Klage wird auch nicht dadurch zulässig, dass der Kläger seine - als pdf-Datei eingescannte - Klageschrift am 10.02.2025 durch Rechtsanwalt A über dessen beA hat übersenden lassen. Rechtsanwalt A bittet in seinem mit übermittelten Anschreiben vom 10.02.2025 ausdrücklich um Beachtung, dass er "nicht zu einer Prozeßvertretung bevollmächtigt" sei (sic). Für den Kläger bestimmte Schriftstücke könnten jedoch via beA zur Weiterleitung an sein Postfach übermittelt werden.

    Auch damit ist die Klage nicht wirksam als elektronisches Dokument i.S.d. § 55a VwGO übermittelt worden.

    Kein zulässiges elektronisches Dokument ist ein solches, das nach Unterschrift eingescannt und als Bilddatei (zB im PDF-Format) weder mit qualifizierter elektronischer Signatur noch auf sicherem Übermittlungsweg übermittelt wird (Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.07.2024, 5 So 50/24 juris-Rn 8; BeckOK-Schmitz, VwGO, 72. Ed. 01.01.2025, § 55a Rn 12/12.1).

    Weder das Anschreiben von Rechtsanwalt A noch die beigefügte Klageschrift des Klägers sind qualifiziert elektronisch signiert. Das prozessuale Schriftformerfordernis nach § 55a VwGO wäre daher nur erfüllt, wenn die Klageschrift auf einem sicheren Übertragungsweg übersandt worden wäre.

    Auch das ist aber nicht der Fall. Denn ein nicht qualifiziert elektronisch signiertes Dokument wird nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach im Sinne des § 55a III 1 Alt. 2, IV Nr. 2 VwGO eingereicht, wenn die den Schriftsatz verantwortende Person das Dokument selbst versendet. Es genügt nicht, dass eine andere Person - wie hier Rechtsanwalt A - die Versendung vornimmt (BVerwG, Beschluss vom 12.10.2021, 8 C 4/21 juris-Rn 4; BGH, Beschluss vom 30.03.2022, XII ZB 311/21 juris-Rn 11). Denn das beA ist personenbezogen; ein Versand aus ihm durch Dritte ist ohne qualifizierte elektronische Signatur unwirksam (BeckOK-Schmitz, VwGO, 72. Ed. 01.01.2025, § 55a Rn 16; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.06.2021, 3 Bs 130/21 juris-Rn 15). Andernfalls wären unautorisierte Übermittlungen und Manipulationen des Textes nicht ausgeschlossen, weil der Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs auch anderen Personen eine Zugangsberechtigung einräumen darf und einfache Signaturen auch von solchen Personen angebracht werden können (BVerwG, Beschluss vom 12.10.2021, 8 C 4/21 juris-Rn 5). Das Erfordernis der persönlichen Übermittlung durch die verantwortende Person ist somit kein Selbstzweck, sondern soll wie bei der handschriftlichen Unterzeichnung die Identifizierung des Urhebers einer Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (BGH, Beschluss vom 30.03.2022, XII ZB 311/21 juris-Rn 10).

    Die Übermittlung der Klageschrift des Klägers aus dem beA eines Dritten genügt daher nicht der gebotenen elektronischen Form. Mit dem Hinweis in seinem Anschreiben, nicht zur Prozessvertretung des Klägers bevollmächtigt zu sein, hat Rechtsanwalt A auch gerade klargestellt, dass er den Inhalt der beigefügten Klageschrift des Klägers nicht verantwortet.

    cc)

    Wird die elektronische Form des § 55d S. 1 VwGO nicht beachtet, ohne dass die Voraussetzungen des § 55d S. 3 und 4 VwGO erfüllt sind, führt dies zur Unwirksamkeit der in Papierform eingereichten Erklärungen und zur Unzulässigkeit damit erhobener Rechtsmittel (BVerwG, Beschluss vom 08.12.2022, 8 B 51/22 juris-Rn 2).

    Gem. § 55d S. 3, 4 VwGO bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften allein dann zulässig, wenn die Einreichung eines elektronischen Dokuments aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen.

    Eine solche vorübergehende Unmöglichkeit hat der Kläger nicht dargelegt oder glaubhaft gemacht; sie ist auch im Übrigen nicht ersichtlich, weil sie darauf zurückzuführen ist, dass der Kläger bis heute sein beA nicht erstregistriert und nutzbar gemacht hat und/oder seine Klage nicht auf dem von ihm selbst angesprochenen sicheren Übermittlungsweg per DE-Mail elektronisch übersandt hat.

    b)

    Soweit der Kläger zuletzt darauf verweist, er habe seine Klage nicht per DE-Mail einreichen können, weil der Anwaltsgerichtshof über keine DE-Mail-Adresse verfüge, hat er dies nicht glaubhaft gemacht.

    c)

    Schließlich kann der Kläger auch nichts Günstiges für sich daraus herleiten, dass der Senat das vorliegende Verfahren - trotz Formunzulässigkeit der Klage - tatsächlich betreibt. Denn das Gericht hat offensichtlich auch über unzulässige Rechtsmittel zu entscheiden und kann diese nicht im Hinblick auf die Unzulässigkeit ignorieren.

    B.

    Die Klage wäre aber auch in der Sache unbegründet.

    Der Kläger ist nach § 31a I 1, VI BRAO dazu verpflichtet, die für die Nutzung des für ihn als zugelassenen Rechtsanwalt eingerichteten beAs als erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das besondere elektronische Anwaltspostfach zur Kenntnis zu nehmen (BGH, Beschluss vom 28.06.2018, AnwZ (Brfg) 5/18 juris-Rn 4).

    Hierfür gibt es auch keine gesetzliche oder sonstige Ausnahme. Insoweit hat die Beklagte den Kläger bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass er - wenn er die Pflichten eines zugelassenen Rechtsanwalts nicht (mehr) erfüllen will - seine Zulassung zurückgeben kann und muss.

    II.

    Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 112c BRAO, 154 VwGO und §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

    Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 194 I 1 BRAO iV.m. § 52 I GKG (BGH, Beschluss vom 28.06.2018, AnwZ (Brfg) 5/18 i.V.m. BGH, Beschluss vom 28.06.2018, AnwZ (Brfg) 5/18 juris-Rn 4; BGH, Urteil vom 22.03.2021, AnwZ (Brfg) 2/20).

    Ein Anlass, die Berufung nach §§ 112c BRAO, 124 VwGO zuzulassen, besteht nicht. Weder weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat die Rechtssache grundsätzlich Bedeutung (§§ 124a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO); die entscheidungserheblichen Fragen sind in der Rechtsprechung geklärt. Ein Fall der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben, weil das Urteil des Senats in den tragenden Gründen nicht von der Rechtsprechung anderer Anwaltsgerichtshöfe, des Bundesgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichts abweicht.

    RechtsgebietebeA-Registrierung, Zulassung, BerufsrechtVorschriften§ 55a Abs. 3 VwGO, § 31a Abs. 1 S. 1, Abs. 6 BRAO