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  • 29.04.2025 · IWW-Abrufnummer 247888

    Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg: Beschluss vom 28.02.2025 – A 13 S 959/24

    1. Die Verhinderung eines Prozessbevollmächtigten infolge eines zum Zeitpunkt der Ladung bereits gebuchten Urlaubs ist bei einem Einzelanwalt regelmäßig ein erheblicher Verlegungsgrund im Sinn des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

    2. Die Verpflichtung zur Bestellung einer Vertretung nach § 53 BRAO für eine überschaubare Urlaubsabwesenheit steht dem Vorliegen eines erheblichen Grunds im Sinn des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich nicht entgegen.


    Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.02.2025, Az. A 13 S 959/24

    Tenor:

    Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. Mai 2024 - A 1 K 477/24 - zugelassen.

    Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung über die Berufung vorbehalten.

    Gründe
    Der fristgerecht gestellte und begründete Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21.05.2024 hat mit Blick auf den geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) Erfolg. Ob zudem die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung wegen der von dem Kläger ebenfalls geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) gegeben sind, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

    Der Kläger hat den Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels in Form der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) hinreichend dargelegt. Dieser liegt auch vor. Denn das Verwaltungsgericht hat den Terminsverlegungsantrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu Unrecht abgelehnt und damit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.

    Der grundrechtlich verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gibt den Beteiligten ein Recht zur Äußerung über Tatsachen, Beweisergebnisse und die Rechtslage und verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Das rechtliche Gehör soll den Betroffenen damit Gelegenheit geben, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.03.2019 - 1 BvR 2721/16 - juris Rn. 17 und vom 30.10.1990 - 2 BvR 562/88 - juris Rn. 40; BVerwG, Beschlüsse vom 09.01.2020 - 5 B 25.19 D - juris Rn. 17 und vom 02.09.2019 - 8 B 19.19 - juris Rn. 2). Es schließt das Recht der Beteiligten ein, sich durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.04.1989 - 9 C 55.88 - juris Rn. 8 und Beschluss vom 29.04.2004 - 3 B 119.03 - juris Rn. 3). Vor diesem Hintergrund kann die Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen, wenn die begehrte Verlegung des Termins aus erheblichen Gründen geboten gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19.12.2019 - 1 B 84.19 - juris Rn. 3 und vom 20.04.2017 - 2 B 69.16 - juris Rn. 8; W. R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl., § 138 Rn. 15). So liegt der Fall hier.

    Nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann das Gericht aus erheblichen Gründen einen Termin aufheben oder verlegen sowie eine Verhandlung vertagen. Diese Regelung dient unter anderem dazu, den Beteiligten die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte insbesondere durch mündlichen Vortrag zu dem auf Grund der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamtergebnis des Verfahrens zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.1985 - 9 C 84.84 - juris Rn. 15; Scheidler, DVBl 2012, 875, 876). Angesichts des hohen Rangs des Anspruchs auf rechtliches Gehör verdichtet sich das dem Gericht nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingeräumte Ermessen bei Vorliegen eines erheblichen Grunds in diesem Sinn regelmäßig zu einer Verpflichtung des Gerichts zur Terminsverlegung, wenn kein Hinweis auf eine Prozessverschleppungsabsicht gegeben ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21.12.2009 - 6 B 32.09 - juris Rn. 3, vom 02.11.1998 - 8 B 162.98 - juris Rn. 3 und vom 03.08.1994 - 6 B 31.94 - juris Rn. 3; Brüning in BeckOK VwGO, Posser/Wolff/Decker, § 102 VwGO Rn. 8). Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des erheblichen Grunds ist einerseits dem im Verwaltungsprozess geltenden Gebot der Beschleunigung des Verfahrens (vgl. etwa § 87b VwGO) und andererseits dem verfassungsrechtlichen Erfordernis der Gewährung rechtlichen Gehörs Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.05.2008 - 4 B 42.07 - juris Rn. 19; Scheidler, DVBl 2012, 875, 877). Es kommen damit insbesondere solche Umstände als erhebliche Gründe in Betracht, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungsgebots erfordern (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29.04.2004 - 3 B 119.03 - juris Rn. 3 und vom 23.01.1995 - 9 B 1.95 - juris Rn. 3).

    Die Verhinderung eines Prozessbevollmächtigten infolge eines zum Zeitpunkt der Ladung bereits gebuchten Urlaubs ist bei einem Einzelanwalt regelmäßig ein erheblicher Verlegungsgrund im Sinn des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 13.07.2018 - 9 A 1980/17.A - juris Rn. 6, 17 ff. und vom 16.11.2009 - 7 D 2/09.NE - Rn. 7; Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 102 VwGO Rn. 15f; Dolderer in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 102 Rn. 35; Weers-Hermanns/Wilgen, DVBl 2019, 131, 132; Scheidler, DVBl 2012, 875, 879). Vor diesem Hintergrund wäre dem Terminsverlegungsantrag des Klägers vom 26.04.2024, in dem ein Auslandsurlaub seines Prozessbevollmächtigten über die Pfingstferien geltend gemacht wurde, stattzugeben gewesen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat den Terminsverlegungsantrag in Erfüllung seiner Mitwirkungspflicht unverzüglich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.04.2004 - 3 B 118.03 - juris Rn. 4) noch am Tag des Zugangs der Ladung gestellt und unter Vorlage einer Buchungsbestätigung vom 27.01.2024 für den Aufenthalt in einer mehr als 800 km vom Verwaltungsgericht entfernt gelegenen Unterkunft im Ausland vom 18. bis zum 30.05.2024 ausgeführt, wegen eines bereits gebuchten Urlaubs den Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.05.2024 nicht wahrnehmen zu können. Anhaltspunkte für eine Prozessverschleppungsabsicht sind nicht ersichtlich.

    Der Terminsverlegungsantrag war auch nicht deshalb abzulehnen, weil die Vertretung des Klägers in der mündlichen Verhandlung von einem anderen Rechtsanwalt hätte übernommen werden müssen. Die grundsätzliche Zumutbarkeit der Übernahme der Vertretung in der mündlichen Verhandlung durch ein anderes Mitglied einer (bevollmächtigten) Sozietät (vgl. dazu BVerwG, Beschlüsse vom 19.05.1998 - 7 B 95.98 - juris Rn. 2 und vom 05.12.1994 - 8 B 179/94 - juris Rn. 3; Schübler-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl., § 102 Rn. 7a; Störmer in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, § 102 VwGO Rn. 13) führt nicht weiter, wenn es sich - wie bei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers - um einen Einzelanwalt handelt. Der Verweis auf die Heranziehung eines anderen Rechtsanwalts im Weg der Unterbevollmächtigung ist mit Blick auf die damit verbundenen zusätzlichen Kosten (vgl. Schneider, ZAP 2005, 1159, 1161; zur Ablehnung der Erstattung weitergehender Kosten für einen auf Grund der Urlaubsabwesenheit des Hauptbevollmächtigten beauftragten Unterbevollmächtigten, weil in diesem Fall die Verlegung des Termins das adäquate Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gewesen wäre, vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.11.2009 - 7 D 2/09.NE - Rn. 7) und die Bedeutung des Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant und Rechtsanwalt als Voraussetzung für dessen Aufgabenwahrnehmung in einer funktionsfähigen Rechtspflege sowie das dieses absichernde Recht auf freie Anwaltswahl (vgl. § 3 Abs. 3 BRAO; zu dessen verfassungsrechtlicher Begründung vgl. Busse in Henssler/Prütting, BRAO, 6. Aufl., § 3 Rn. 43; Schneider, ZAP 2005, 1159, 1161) im Regelfall nicht zumutbar (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.07.2018 - 9 A 1980/17.A - juris Rn. 22; Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 102 VwGO Rn. 15f; Störmer in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, § 102 VwGO Rn. 14; a. A. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.01.2018 - 2 L 103/17 - juris Rn. 13; OVG Sachsen, Beschluss vom 14.04.2015 - 1 A 406/14 - juris Rn. 13).

    Anders als das Verwaltungsgericht meint, steht hier auch die Verpflichtung zur Bestellung einer Vertretung nach § 53 BRAO dem Vorliegen eines erheblichen Grunds im Sinn des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht entgegen. Ein mit einer zeitlich überschaubaren Urlaubsabwesenheit des Prozessbevollmächtigten (während der Pfingstferien) begründeter Terminsverlegungsantrag ist nicht ohne Weiteres deshalb abzulehnen, weil eine Verpflichtung zur Vertretungsbestellung nach § 53 Abs. 1 BRAO besteht. Denn die Urlaubsvertretung ist nicht verpflichtet, Verhandlungstermine des vertretenen Rechtsanwalts, sofern diese nicht eilig sind, zu übernehmen.

    Nach § 53 Abs. 1 BRAO muss ein Rechtsanwalt für seine Vertretung sorgen, wenn er länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 BRAO) oder sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernen will (§ 53 Abs. 1 Nr. 2 BRAO). Die Vorschrift dient der Sicherstellung der Erreichbarkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege für Rechtssuchende, Gerichte und Behörden im Interesse des Rechtsanwalts selbst, der Mandanten sowie einer ordnungsgemäßen Rechtspflege (vgl. Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 6. Aufl., § 53 Rn. 4; Nöker in Weyland, BRAO, 11. Aufl., § 53 Rn. 8; Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 53 BRAO Rn. 2). Aus dem Gesetzeszweck ergibt sich damit nicht ohne Weiteres, dass von der Vertretung zwingend auch Termine zur mündlichen Verhandlung übernommen werden müssten, für die keine besondere Dringlichkeit besteht.

    Auch im Übrigen lässt sich dies den Regelungen zur Bestellung einer Vertretung nach §§ 53, 54 BRAO nicht entnehmen. In § 54 BRAO werden zwar die Befugnisse der Vertretung normiert. Danach stehen der Vertretung die anwaltlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zu, den sie vertritt (§ 54 Abs. 1 Satz 1 BRAO). Sie wird in eigener Verantwortung, jedoch im Interesse, für Rechnung und auf Kosten des Vertretenen tätig (§ 54 Abs. 1 Satz 2 BRAO). Konkret in Bezug genommen wird dabei jedoch allein die Aufgabe der Geschäftspostverwaltung, indem § 54 Abs. 2 Satz 2 BRAO vorsieht, die Vertretung müsse zumindest befugt sein, Posteingänge zur Kenntnis zu nehmen und elektronische Empfangsbekenntnisse abzugeben (zur Bedeutung der Geschäftspostverwaltung für die Vertretungstätigkeit vgl. Günther in BeckOK BRAO, Römermann, § 54 Rn. 9, 13).

    Wie umfassend die Pflichten der Vertretung - insbesondere über die Geschäftspostverwaltung hinaus - sind, lässt das Gesetz hingegen offen. Eine allgemeine gesetzliche Regelung der von der Vertretung zu übernehmenden Aufgaben fehlt. Sie wäre auch nicht sachgerecht. Vielmehr können Einzelheiten des Vertretungsverhältnisses von den beteiligten Rechtsanwälten vereinbart werden (vgl. Scharmer in Hartung/Scharmer, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 8. Aufl., § 54 BRAO Rn. 10). Wie weit Aufgaben im Rahmen der Gewährleistung der Rechtspflege von der Vertretung zu übernehmen sind, hängt außerdem von den Umständen und der Dauer des Vertretungsfalls ab. Erfolgt die Vertretung etwa lediglich wegen eines Urlaubs üblicher Länge, ist eine andere Vertretungstätigkeit angezeigt als bei einer Verhinderung auf unabsehbare Zeit, die gegebenenfalls in eine Abwicklung (vgl. § 55 BRAO) übergehen kann (vgl. Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 6. Aufl., § 54 Rn. 14).

    Es spricht auch sonst wenig dafür, allein aus den umfassenden Befugnissen der Vertretung unabhängig von der Dauer der Verhinderung des vertretenen Rechtsanwalts auf eine Verpflichtung zur Übernahme des vollständigen Tagesgeschäfts des vertretenen Rechtsanwalts einschließlich aller Gerichtstermine zu schließen. So soll der Vertreter, der im Fall der Bestellung von Amts wegen die Übernahme der Vertretung im Übrigen gemäß § 53 Abs. 4 Satz 2 BRAO nur aus wichtigem Grund ablehnen kann, nach § 53 Abs. 2 Satz 1 BRAO ein Rechtsanwalt sein. Er hat damit üblicherweise auch die Geschäfte seiner eigenen Kanzlei zu führen (vgl. § 27 BRAO) und deren Kosten zu decken (zur Gefährdung der Kostendeckung in der eigenen Kanzlei durch eine umfassende Vertretungstätigkeit vgl. BGH, Urteil vom 28.05.2021 - AnwZ (Brfg) 52/19 - juris Rn. 62; Dahns, NJW-Spezial 2021, 574). Je umfassender aber die zwingend wahrzunehmenden Vertretungsaufgaben ausfallen, in desto größerem Umfang stehen sie der Weiterbearbeitung der eigenen Mandate entgegen und desto schwieriger sind sie parallel zum eigenen Kanzleigeschäft zu leisten. Hinzu kommen die Kosten der Vertretung für den vertretenen Rechtsanwalt, die je nach Umfang der Vertretungstätigkeit gerade bei Einzelanwälten zu einer nicht unerheblichen finanziellen Belastung führen können (zur im Fall der selbst bestellten Vertretung regelmäßig zu treffenden privatrechtlichen Vergütungsvereinbarung vgl. Günther in BeckOK BRAO, Römermann, § 54 Rn. 15; zur im Fall der von Amts wegen bestellten Vertretung zu zahlenden angemessenen Vergütung vgl. § 54 Abs. 4 Satz 1 und 2 BRAO). Jedenfalls bei zeitlich überschaubarer Verhinderung ist damit eine Pflicht zum Tätigwerden für die Vertretung nur in solchen Verfahrenssituationen anzunehmen, die eine unmittelbare Reaktion des Rechtsanwalts - wie etwa in Fällen einer einstweiligen Verfügung, einer eiligen Terminsbestimmung, einer vorläufigen Verfahrensanordnung oder bei Maßnahmen im Strafverfahren - erfordern (vgl. Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 53 BRAO Rn. 5).

    Nach alledem überwiegt hier das Interesse des Klägers an der Vertretung durch den Rechtsanwalt seiner Wahl das Beschleunigungsgebot. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist in den Fall eingearbeitet. Er war für den Kläger bereits im Verwaltungsverfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge tätig und hat die Klage schon in der Klageschrift ausführlich begründet. Auch vor dem Hintergrund der von dem Kläger im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht im Rahmen seines Prozesskostenhilfeantrags geltend gemachten schwierigen wirtschaftlichen Situation ist nicht davon auszugehen, dass er ohne Weiteres bereit und in der Lage war, gegebenenfalls für die Zusatzvergütung eines anderen Rechtsanwalts aufzukommen. Hinweise darauf, dass die Durchführung der mündlichen Verhandlung am 21.05.2024 im Verfahren des Klägers, das zum Zeitpunkt der Ladung seit weniger als drei Monaten beim Verwaltungsgericht anhängig war, so dringlich gewesen wäre, dass sie keinen Aufschub in die Zeit nach dem lediglich ca. zweiwöchigen Urlaub des Prozessbevollmächtigten des Klägers geduldet hätte, liegen nicht vor. Das Interesse des Verwaltungsgerichts an der lückenlosen Ausfüllung eines Terminstags muss damit zurückstehen, zumal im Zeitpunkt des Eingangs des Terminsverlegungsantrags sogar noch ausreichend Zeit gewesen wäre, die Beteiligten eines anderen Verfahrens zu laden (vgl. § 102 Abs. 1 VwGO).

    Der wegen der zu Unrecht abgelehnten Terminsverlegung gegebene Gehörsverstoß war auch ursächlich für die angegriffene Entscheidung. Zwar kann sich ein Gehörsverstoß auch nur auf einzelne dem Urteil zu Grunde liegende Feststellungen beziehen, die die Richtigkeit des Ergebnisses nicht notwendigerweise in Zweifel ziehen. Anderes gilt aber, wenn der festgestellte Gehörsverstoß das angegriffene Urteil in seiner Gesamtheit betrifft; ein solcher Verfahrensmangel führt immer zur Zulassung der Berufung. Dies ist regelmäßig bei Entscheidungen ohne die gebotene mündliche Verhandlung bzw. bei fehlender Vertretung in der mündlichen Verhandlung, etwa bei unterlassener oder fehlerhafter Ladung der Fall. Dem steht die Entscheidung bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Vertretung des Beteiligten, obgleich Verlegung geboten war, gleich (vgl. Beschluss des Senats vom 11.01.2022 - 13 S 2818/21 - n. v.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.01.2001 - 7 S 2589/00 - juris Rn. 8). Dass hier ausnahmsweise anderes gelten würde (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 02.06.2021 - 2 BvR 1054/19 - juris Rn. 1), ist nicht ersichtlich.

    Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

    Das Antragsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 78 Abs. 5 Satz 3 AsylG).

    Der Beschluss über den Zulassungsantrag ist unanfechtbar. Im Übrigen gilt die folgende

    Belehrung über das zugelassene Rechtsmittel

    Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Mannheim, einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten.

    Für das Berufungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

    Vor dem Verwaltungsgerichtshof sind auch die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des § 67 Abs. 4 Satz 3, 5 und 7 VwGO zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

    RechtsgebieteTerminsverlegung, Urlaubsabwesenheit, EinzelanwaltVorschriften§ 138 Nr 3 VwGO, § 173 S 1 VwGO, § 227 Abs 1 S 1 ZPO, § 53 BRAO, § 54 BRAO