12.03.2025 · IWW-Abrufnummer 247036
Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 15.04.2024 – 18 W 18/24
Zur Erstattung der durch die Tätigkeit des zweitinstanzlichen Rechtsanwalts in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren entstandenen Kosten
OLG Frankfurt 18. Zivilsenat, Beschluss vom 15.04.2024, Az. 18 W 18/24
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Gießen vom 22. Dezember 2023, Az. 5 O 23/20, wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Beschwerde.
Der Gegenstandswert wird auf 1.420,38 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Frage, ob die Klägerin der Beklagten Kosten zu erstatten hat, die dieser durch die Tätigkeit ihres zweitinstanzlichen Rechtsanwalts in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof entstanden sind.
Die Klägerin legte gegen die Nichtzulassung der Revision nach einem ihre Berufung zurückweisenden Beschluss Beschwerde beim Bundesgerichtshof ein und beantragte Fristverlängerung zu ihrer Begründung. Unter Hinweis auf eine entsprechende Zustimmung des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten wurde die Begründungsfrist zwei weitere Male verlängert, bevor die Klägerin die Nichtzulassungsbeschwerde zurücknahm.
Den Antrag der Beklagten, eine 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG nebst Pauschale und Umsatzsteuer festzusetzen, hat das Landgericht mit Beschluss vom 22. Dezember 2023 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach Meinung des Bundesgerichtshofs sei eine Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG nicht erstattungsfähig, wenn dem Prozessbevollmächtigten ein - ein zu begründendes Rechtsmittel beinhaltender - Schriftsatz zugestellt werde, das Rechtsmittel aber nicht begründet werde. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW 2006, 2266 überzeuge ebenso wenig wie die Ausführungen in den Schriftsätzen.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie rügt, dass das Landgericht den vorgebrachten Sachverhalt nicht zur Kenntnis genommen und nicht beachtet habe, dass die Entscheidung BGH NJW 2006, 2266 voll übertragbar sei.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 ZPO).
Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil nicht ersichtlich ist, dass der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten Tätigkeiten entfaltet hat, die nicht mehr zum Berufungsrechtszug gehören und daher als Einzeltätigkeit nach Nr. 3403 VV RVG zu vergüten sind.
Allerdings geht die Beklagte zunächst zu Recht davon aus, dass eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG anfallen kann, wenn der Auftraggeber dem Rechtsanwalt, der nicht zum Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten bestellt bzw. nicht postulationsfähig ist, einen Auftrag für sonstige Einzeltätigkeiten erteilt. Diese Vergütungsvorschrift erfasst jede Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren, es sei denn, es greifen andere Bestimmungen des Vergütungsverzeichnisses ein; es handelt sich um eine Auffangregelung für Einzeltätigkeiten (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012 - VI ZB 7/12, Rn. 4, juris; Beschluss vom 1. Februar 2007 - V ZB 110/06, Rn. 16, juris). Dabei hat insbesondere eine Abgrenzung zu jenen Tätigkeiten zu erfolgen, die nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG noch zur vorangegangenen Instanz gehören und durch die dort anfallende Verfahrensgebühr abgegolten werden.
Aus der BGH-Akte des Rechtsstreits ergibt sich, dass der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtige der Beklagten die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift vom 24. August 2022 einschließlich einer mit ihrer Einlegung beantragten Fristverlängerung zugestellt erhalten hat. Zudem hat er gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zweimal einer erbetenen Fristverlängerung zugestimmt. Schließlich ist ihm die Nichtzulassungsbeschwerderücknahme zugestellt worden, und ihm wurde der nachfolgende Beschluss des Bundesgerichtshofs zugesandt.
Diese Tätigkeiten gehörten gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG noch zum Berufungsrechtszug. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte (u.a.) für die bloße Entgegennahme der Nichtzulassungsbeschwerde und ihre Mitteilung an den Auftraggeber, die Prüfung des fristgerechten Eingangs des gegnerischen Rechtsmittels, die Besprechung des Berufungsurteils mit dem Auftraggeber und die Belehrung über das zulässige Rechtsmittel keine Vergütung nach Nr. 3404 VV RVG erhält, da diese Tätigkeiten nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG noch dem abgeschlossenen Rechtszug zuzuordnen sind (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012 - VI ZB 7/12, Rn. 5, juris; Beschluss vom 15. Oktober 2013 - XI ZB 2/13, Rn. 9, juris). Von daher fällt die Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG zunächst nicht dafür an, dass der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin entgegengenommen und an die Beklagte weitergeleitet hat. Gleiches gilt für die zweimalige Zustimmung zur Fristverlängerung. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Aufzählungen in § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG nur beispielhaft und nicht abschließend sind, wie sich aus der Formulierung „insbesondere“ ergibt. Entscheidend ist dabei hinsichtlich Nr. 9, dass es um Tätigkeiten von eher geringem Umfang geht, die in der Regel sowohl vom Anwalt als auch vom Auftraggeber als eine Art Annex der Tätigkeit in der bisherigen Instanz verstanden werden und noch nicht als eine (vergütungspflichtige) Tätigkeit für die nächste Instanz, für die gegebenenfalls die Beauftragung eines anderen Anwalts in Betracht kommt (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012, aaO., Rn. 5). Zu einer solchen Nebentätigkeit zählt nach überwiegender obergerichtlicher Rechtsprechung auch die Stellungnahme zu einem Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist, die mehr dem formalen als dem sachlichen Bereich zuzuordnen ist und deren Umfang, auch in Bezug auf die sich daraus ergebende Verantwortung des Anwalts, nicht so hoch anzusetzen ist, dass ein besonderes Entgelt zur Abgeltung dieser Tätigkeit gebotene wäre (vgl. KG, Beschluss vom 10. Juni 1986 - 1 W 4586/85, MDR 1987, 67; OLG Karlsruhe, Beschluss von 18. Januar 2007 - 15 W 87/06, Rn. 11 m.w.N., juris; OLG Köln, Beschluss vom 30. Dezember 2012 - 17 W 179/13, Rn. 12). Dies gilt umso mehr, als - wie dargelegt - die Prüfung des fristgerechten Eingangs eines Rechtsmittels zur vorangehenden Instanz gehört und § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG die Einwilligung zur Einlegung einer Sprungrevision erfasst, was deutlich macht, dass Einwilligungen bezogen auf die nachfolgende Instanz noch zur vorherigen zählen können.
Schließlich kann auch für die Entgegennahme der Beschwerderücknahme einschließlich des die Instanz abschließenden Beschlusses nichts anderes gelten. Zwar kommt die Verwirklichung des Gebührentatbestands der Nr. 3403 VV RVG in Betracht, wenn der nicht bei dem Bundesgerichtshof zugelassene Anwalt den Auftrag erhält, „alles zu tun, um die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde sofort zu erreichen“ (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2006 - III ZB 120/05, Rn. 6, juris), oder wenn er seinen Mandanten darüber berät, ob dieser sich der von Seiten des Rechtsbeschwerdegegners erklärten Erledigung der Hauptsache anschließen sollte (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 - V ZB 110/06, Rn. 5; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012 - VI ZB 7/12, Rn. 5, juris). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit entsprechenden Tätigkeiten beauftragt war oder solche wahrgenommen hat. Von daher vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass der hier zugrundeliegende Sachverhalt mit dem Sachverhalt der Entscheidung BGH NJW 2006, 2266 (Beschluss vom 04. Mai 2006 - III ZB 120/05) vergleichbar bzw. jene Entscheidung auf die hiesige Konstellation voll übertragbar wäre. Denn dort hatte der Rechtsanwalt gerade den Auftrag, alles zu tun, um die Rücknahme zu erreichen. Hier dagegen war die Tätigkeit des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigen von der bloßen Entgegennahme von Schriftsätzen und der formalen Zustimmung zu zwei Fristverlängerungen geprägt.
Ebenfalls nichts anderes folgt aus dem Vortrag der Beklagten, wonach Gegenstand des Mandats „eine vollumfängliche Prüfung des prozessualen und rechtlichen Handlungsbedarfs aufgrund der Zustellung des Schriftsatzes vom 24. August 2023 [Anm. der Unterzeichnerin: der Nichtzulassungsbeschwerde], des gegnerischen Schreibens vom 24. August 2023 sowie die anwaltliche Bearbeitung im aktuellen Verfahrensstadium“ gewesen sei, hierzu insbesondere auch die „Fristenüberwachung sowie die Kommunikation mit dem Gericht und der Gegenseite“ gehört hätte, eine „Prüfung, Beratung und Beantwortung des gegnerischen Anwalts auf Zustimmung zu einer weiteren Fristverlängerung bis zum 13.02.2023“ erfolgt sei sowie eine „Prüfung des gegnerischen Schriftsatzes vom 13.02.2023 [Anm: Beschwerderücknahme] einschließlich der Abgabe des angeforderten Empfangsbekenntnisses, sowie eine Prüfung des gegnerischen Anschreibens an den Unterzeichner vom 13.02.2023“. Es erschließt sich nicht, welche „vollumfängliche Prüfung“ der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte im Rahmen der bloßen Entgegennahme der Nichtzulassungsbeschwerde bzw. ihrer Rücknahme veranlasst gesehen hat oder vorgenommen haben will. Gegenüber dem Gericht ist er nur durch Abgabe der Empfangsbekenntnisse tätig geworden, gegenüber dem klägerischen Anwalt nur durch Zustimmung zur Fristverlängerung. Dass die Beklagte einer besonderen inhaltlichen Beratung im Hinblick auf die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde bedurft hätte oder eine solche über die im Rahmen der Entgegennahme einer solchen übliche erfolgt ist, ist nicht ersichtlich.
Nach alledem hat die Beschwerde keinen Erfolg und ist mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 23 Abs. 2 RVG.
Tenor
Die Beklagte trägt die Kosten der Beschwerde.
Der Gegenstandswert wird auf 1.420,38 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Frage, ob die Klägerin der Beklagten Kosten zu erstatten hat, die dieser durch die Tätigkeit ihres zweitinstanzlichen Rechtsanwalts in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof entstanden sind.
Die Klägerin legte gegen die Nichtzulassung der Revision nach einem ihre Berufung zurückweisenden Beschluss Beschwerde beim Bundesgerichtshof ein und beantragte Fristverlängerung zu ihrer Begründung. Unter Hinweis auf eine entsprechende Zustimmung des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten wurde die Begründungsfrist zwei weitere Male verlängert, bevor die Klägerin die Nichtzulassungsbeschwerde zurücknahm.
Den Antrag der Beklagten, eine 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG nebst Pauschale und Umsatzsteuer festzusetzen, hat das Landgericht mit Beschluss vom 22. Dezember 2023 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach Meinung des Bundesgerichtshofs sei eine Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG nicht erstattungsfähig, wenn dem Prozessbevollmächtigten ein - ein zu begründendes Rechtsmittel beinhaltender - Schriftsatz zugestellt werde, das Rechtsmittel aber nicht begründet werde. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW 2006, 2266 überzeuge ebenso wenig wie die Ausführungen in den Schriftsätzen.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie rügt, dass das Landgericht den vorgebrachten Sachverhalt nicht zur Kenntnis genommen und nicht beachtet habe, dass die Entscheidung BGH NJW 2006, 2266 voll übertragbar sei.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 ZPO).
Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil nicht ersichtlich ist, dass der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten Tätigkeiten entfaltet hat, die nicht mehr zum Berufungsrechtszug gehören und daher als Einzeltätigkeit nach Nr. 3403 VV RVG zu vergüten sind.
Allerdings geht die Beklagte zunächst zu Recht davon aus, dass eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG anfallen kann, wenn der Auftraggeber dem Rechtsanwalt, der nicht zum Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten bestellt bzw. nicht postulationsfähig ist, einen Auftrag für sonstige Einzeltätigkeiten erteilt. Diese Vergütungsvorschrift erfasst jede Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren, es sei denn, es greifen andere Bestimmungen des Vergütungsverzeichnisses ein; es handelt sich um eine Auffangregelung für Einzeltätigkeiten (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012 - VI ZB 7/12, Rn. 4, juris; Beschluss vom 1. Februar 2007 - V ZB 110/06, Rn. 16, juris). Dabei hat insbesondere eine Abgrenzung zu jenen Tätigkeiten zu erfolgen, die nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG noch zur vorangegangenen Instanz gehören und durch die dort anfallende Verfahrensgebühr abgegolten werden.
Aus der BGH-Akte des Rechtsstreits ergibt sich, dass der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtige der Beklagten die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift vom 24. August 2022 einschließlich einer mit ihrer Einlegung beantragten Fristverlängerung zugestellt erhalten hat. Zudem hat er gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zweimal einer erbetenen Fristverlängerung zugestimmt. Schließlich ist ihm die Nichtzulassungsbeschwerderücknahme zugestellt worden, und ihm wurde der nachfolgende Beschluss des Bundesgerichtshofs zugesandt.
Diese Tätigkeiten gehörten gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG noch zum Berufungsrechtszug. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte (u.a.) für die bloße Entgegennahme der Nichtzulassungsbeschwerde und ihre Mitteilung an den Auftraggeber, die Prüfung des fristgerechten Eingangs des gegnerischen Rechtsmittels, die Besprechung des Berufungsurteils mit dem Auftraggeber und die Belehrung über das zulässige Rechtsmittel keine Vergütung nach Nr. 3404 VV RVG erhält, da diese Tätigkeiten nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG noch dem abgeschlossenen Rechtszug zuzuordnen sind (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012 - VI ZB 7/12, Rn. 5, juris; Beschluss vom 15. Oktober 2013 - XI ZB 2/13, Rn. 9, juris). Von daher fällt die Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG zunächst nicht dafür an, dass der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin entgegengenommen und an die Beklagte weitergeleitet hat. Gleiches gilt für die zweimalige Zustimmung zur Fristverlängerung. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Aufzählungen in § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG nur beispielhaft und nicht abschließend sind, wie sich aus der Formulierung „insbesondere“ ergibt. Entscheidend ist dabei hinsichtlich Nr. 9, dass es um Tätigkeiten von eher geringem Umfang geht, die in der Regel sowohl vom Anwalt als auch vom Auftraggeber als eine Art Annex der Tätigkeit in der bisherigen Instanz verstanden werden und noch nicht als eine (vergütungspflichtige) Tätigkeit für die nächste Instanz, für die gegebenenfalls die Beauftragung eines anderen Anwalts in Betracht kommt (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012, aaO., Rn. 5). Zu einer solchen Nebentätigkeit zählt nach überwiegender obergerichtlicher Rechtsprechung auch die Stellungnahme zu einem Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist, die mehr dem formalen als dem sachlichen Bereich zuzuordnen ist und deren Umfang, auch in Bezug auf die sich daraus ergebende Verantwortung des Anwalts, nicht so hoch anzusetzen ist, dass ein besonderes Entgelt zur Abgeltung dieser Tätigkeit gebotene wäre (vgl. KG, Beschluss vom 10. Juni 1986 - 1 W 4586/85, MDR 1987, 67; OLG Karlsruhe, Beschluss von 18. Januar 2007 - 15 W 87/06, Rn. 11 m.w.N., juris; OLG Köln, Beschluss vom 30. Dezember 2012 - 17 W 179/13, Rn. 12). Dies gilt umso mehr, als - wie dargelegt - die Prüfung des fristgerechten Eingangs eines Rechtsmittels zur vorangehenden Instanz gehört und § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG die Einwilligung zur Einlegung einer Sprungrevision erfasst, was deutlich macht, dass Einwilligungen bezogen auf die nachfolgende Instanz noch zur vorherigen zählen können.
Schließlich kann auch für die Entgegennahme der Beschwerderücknahme einschließlich des die Instanz abschließenden Beschlusses nichts anderes gelten. Zwar kommt die Verwirklichung des Gebührentatbestands der Nr. 3403 VV RVG in Betracht, wenn der nicht bei dem Bundesgerichtshof zugelassene Anwalt den Auftrag erhält, „alles zu tun, um die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde sofort zu erreichen“ (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2006 - III ZB 120/05, Rn. 6, juris), oder wenn er seinen Mandanten darüber berät, ob dieser sich der von Seiten des Rechtsbeschwerdegegners erklärten Erledigung der Hauptsache anschließen sollte (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 - V ZB 110/06, Rn. 5; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012 - VI ZB 7/12, Rn. 5, juris). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit entsprechenden Tätigkeiten beauftragt war oder solche wahrgenommen hat. Von daher vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass der hier zugrundeliegende Sachverhalt mit dem Sachverhalt der Entscheidung BGH NJW 2006, 2266 (Beschluss vom 04. Mai 2006 - III ZB 120/05) vergleichbar bzw. jene Entscheidung auf die hiesige Konstellation voll übertragbar wäre. Denn dort hatte der Rechtsanwalt gerade den Auftrag, alles zu tun, um die Rücknahme zu erreichen. Hier dagegen war die Tätigkeit des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigen von der bloßen Entgegennahme von Schriftsätzen und der formalen Zustimmung zu zwei Fristverlängerungen geprägt.
Ebenfalls nichts anderes folgt aus dem Vortrag der Beklagten, wonach Gegenstand des Mandats „eine vollumfängliche Prüfung des prozessualen und rechtlichen Handlungsbedarfs aufgrund der Zustellung des Schriftsatzes vom 24. August 2023 [Anm. der Unterzeichnerin: der Nichtzulassungsbeschwerde], des gegnerischen Schreibens vom 24. August 2023 sowie die anwaltliche Bearbeitung im aktuellen Verfahrensstadium“ gewesen sei, hierzu insbesondere auch die „Fristenüberwachung sowie die Kommunikation mit dem Gericht und der Gegenseite“ gehört hätte, eine „Prüfung, Beratung und Beantwortung des gegnerischen Anwalts auf Zustimmung zu einer weiteren Fristverlängerung bis zum 13.02.2023“ erfolgt sei sowie eine „Prüfung des gegnerischen Schriftsatzes vom 13.02.2023 [Anm: Beschwerderücknahme] einschließlich der Abgabe des angeforderten Empfangsbekenntnisses, sowie eine Prüfung des gegnerischen Anschreibens an den Unterzeichner vom 13.02.2023“. Es erschließt sich nicht, welche „vollumfängliche Prüfung“ der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte im Rahmen der bloßen Entgegennahme der Nichtzulassungsbeschwerde bzw. ihrer Rücknahme veranlasst gesehen hat oder vorgenommen haben will. Gegenüber dem Gericht ist er nur durch Abgabe der Empfangsbekenntnisse tätig geworden, gegenüber dem klägerischen Anwalt nur durch Zustimmung zur Fristverlängerung. Dass die Beklagte einer besonderen inhaltlichen Beratung im Hinblick auf die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde bedurft hätte oder eine solche über die im Rahmen der Entgegennahme einer solchen übliche erfolgt ist, ist nicht ersichtlich.
Nach alledem hat die Beschwerde keinen Erfolg und ist mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 23 Abs. 2 RVG.
RechtsgebieteRechtsanwaltskosten, NichtzulassungsbeschwerdeVorschriftenNr 3403 VV RVG, § 19 Abs 1 S 2 Nr 9 RVG