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  • 20.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194546

    Oberlandesgericht Brandenburg: Urteil vom 09.01.2017 – 13 UF 164/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    13 UF 164/16

    erlassen am: 09.01.2017
    16.1 F 89/16 AG Perleber

    Brandenburgisches Oberlandesgericht     

    Beschluss

    In der Familiensache

    T… O…,
    gesetzl. Vertreter Frau A… O…,
    Antragsteller und Beschwerdeführer,
    - Verfahrensbevollmächtigte:    Rechtsanwältin …

    g e g e n

    S… D…,
    Antragsgegner und Beschwerdegegner,
    - Verfahrensbevollmächtigte:    Rechtsanwälte …

    wegen Kindesunterhalt

    hat das Brandenburgische Oberlandesgericht - 4. Senat für Familiensachen - durch

    den Richter am Oberlandesgericht Dr. Burghart als Vorsitzender,
    die Richterin am Amtsgericht Krüger-Velthusen und
    den Richter am Oberlandesgericht Hüsgen

    b e s c h l o s s e n :

    1. Der Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Frist zur Begründung seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Perleberg vom 05.09.2016 - 16.1 F 89/16 - wird abgelehnt.
    2. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Perleberg vom 05.09.2016 - 16.1 F 89/16 - wird verworfen.
    3. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
    4. Wert des Beschwerdeverfahrens: bis 5.000 €
    G r ü n d e :

    I.

    Der am ….03.1999 geborene beschwerdeführende, vermögenslose Antragsteller lebt im Haushalt seiner Mutter, bezieht dort als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II, befindet sich in der Schulausbildung und begehrt vom Antragsgegner, seinem Vater, Mindestunterhalt.

    Der Antragsteller hat im Termin vor dem Amtsgericht am 22.08.2016 beantragt,

    den Antragsgegner zu verpflichten, an ihn ab 01.09.2016 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhaltes der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des jeweiligen hälftigen Kindergeldes für ein 1. Kind, zur Zeit 355 € monatlich, monatlich im Voraus bis zum 3. eines jeden Monats sowie für den Zeitraum von November 2015 bis August 2016 einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 436 € zu zahlen.

    Der Antragsgegner hat beantragt,

    den Antrag abzuweisen.

    Er hat Leistungsunfähigkeit eingewandt.

    Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Amtsgericht den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller ab 01.09.2016 Kindesunterhalt in Höhe von 50 € monatlich zu zahlen, unter Abweisung der Anträge im Übrigen. Der Antragsgegner könne netto etwa 1.130 € monatlich erwirtschaften und damit 50 € mehr als sein Selbstbehalt betrage.

    Der Antragsteller hat gegen den am 05.09.2016 erlassenen, seiner Verfahrensbevollmächtigten ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 09.09.2016 (122) zugestellten Beschluss am 04.10.2016 beim Amtsgericht Beschwerde eingelegt (124). Am 14.11.2016 ging eine auf den 10.11.2016 datierte Beschwerdebegründung beim Oberlandesgericht ein (132). Mit der Verfügung vom 15.11.2016 (131) wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass die zweimonatige Beschwerdebegründungsfrist mit Ende des 09.11.2016 abgelaufen, eine Beschwerdebegründung demgegenüber erst zum 14.11.2016 zu den Akten gelangt sei und der Senat beabsichtige, seine Beschwerde gemäß §§ 117 Abs. 1 S. 4 FamFG, 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen (131). Er erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats.

    Mit Schriftsatz vom 05.12.2016 beantragt der Antragsteller

         Wiedereinsetzung in die Frist zur Beschwerdebegründung.

    Zur Begründung führt er aus, der im Büro seiner Verfahrensbevollmächtigten am 10.11.2016 verfasste Beschwerdebegründungsschriftsatz sei an diesem Tag um 12:36 Uhr per Fax "beim Gericht" eingegangen. Seine Verfahrensbevollmächtigte habe ihre stets zuverlässig arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte am 09.09.2016 angewiesen, die Beschwerdefrist sowie die Beschwerdebegründungsfrist zu notieren. Die Notierung und Überwachung der Fristen sei so organisiert, dass diese auf der Beschlussausfertigung durch die zuständige Rechtsanwaltsfachangestellte vermerkt, die Fristen zusätzlich in einem besonderen Fristenkalender rot notiert und zusätzlich eine Woche vor Fristablauf eine Vorfrist eingetragen würden. Im vorliegenden Fall sei es so gewesen, dass zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses am 09.09.2016 die Beschwerdefrist mit dem 10.10.2016 ordnungsgemäß notiert gewesen sei. Weil das Ende der Beschwerdefrist auf einen Sonntag gefallen sei, habe die Fachangestellte die Beschwerdefrist auf den 10.10.2016 notiert und die Beschwerdebegründungsfrist fälschlich auf den 10.11.2016 und dies fälschlich in die Akte und den Fristenkalender notiert.

    Dem Schriftsatz vom 05.12.2016 lag eine Faxbestätigung über den Eingang der Beschwerde beim Amtsgericht am 04.10.2016 bei (148) sowie eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten, die keine Ausführungen zu einer Übermittlung der Beschwerdebegründung an das Oberlandesgericht enthält (149).

    In der Sache macht der Antragsteller geltend, das Amtsgericht habe im Umfang seines Unterliegens die Leistungsunfähigkeit des Antragsgegners zu Unrecht bejaht und dessen Selbstbehalt zu hoch angesetzt.

    Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers enthält keinen ausdrücklichen Leistungsantrag.

    Der Antragsgegner beantragt,

    das Wiedereinsetzungsgesuch abzuweisen.

    Er erachtete die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung für nicht gegeben.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Schriftsatzwechsel im Beschwerderechtszug.

    II.

    Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 117 Abs. 5 FamFG, 233 ZPO) ist unzulässig.

    Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn die Möglichkeit offengeblieben ist, dass die Einhaltung der Frist schuldhaft versäumt worden ist (vgl. BGH NJW 2006, 1520, Rn. 4 m.w.N.). So liegt es hier. Nach dem zugrunde zu legenden Sachvortrag des Antragstellers lässt sich nicht feststellen, dass die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist unverschuldet war, wobei sich der Antragsteller das Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 85 Abs. 2 ZPO).

    Ein Wiedereinsetzungsantrag erfordert nach § 236 Abs. 2 S. 1 ZPO eine vollständige, aus sich heraus verständliche und geschlossene Schilderung, der sich entnehmen lässt, welche konkreten Umstände zum Versäumen der Frist geführt haben (BGH, NJW 2008, 3501, Rn. 15; NJW-RR 2005, 793, 794). Erforderlich ist eine genaue Darstellung aller Umstände, die zwischen Beginn und Ende der Frist liegen und für die Antwort auf die Frage bedeutsam sind, wie und durch wessen Verschulden die Frist versäumt wurde (BGH, VersR 1978, 942). Alle Einzelheiten sind vorzutragen, die nach den allgemeinen Erfahrungen über die Üblichkeiten beim Umgang mit Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen oder nach den Besonderheiten des zu beurteilenden Falles von Bedeutung sein können. Wer vermeintlich Selbstverständliches nicht erwähnt (vgl. BGH, VersR 1978, 942, zum Erteilen des Berufungsauftrages an den Prozessbevollmächtigten) oder allgemeine, zusammenfassende Formulierungen verwendet, wo die Schilderung von Einzelheiten von Interesse sein kann (vgl. BGH, NJW 2002, 2107, 2108, zur Aufgabe zur Post; NJW 2002, 2180, 2181 zu den einzelnen Handlungen bei der Fristenkontrolle), genügt dieser Substantiierungslast nicht.

    Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Überlässt er die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in alle geführten Fristenkalender eingetragen worden sind. Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen (vgl. BGH, MDR 2014, 364 m.w.N.).

    Gemessen hieran fehlen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung.

    Der Antragsteller lässt nicht vortragen, anhand welcher Vorschriften die Fristen für Beschwerden im Büro seiner Verfahrensbevollmächtigten zu ermitteln sind. Der Umstand, dass der Schriftsatz vom 04.10.2016 mit der „sofortigen Beschwerde“ das falsche Rechtsmittel bezeichnet (vgl. 64 Abs. 2 S 3 FamFG), und dass die Beschwerdebegründung vom 10.11.2016 entgegen § 117 Abs. 1 S 1 FamFG keinen bestimmten Sachantrag enthält, weckt bereits Zweifel an einer für eine zuverlässige Fristkontrolle unverzichtbaren zutreffenden Qualifizierung des einschlägigen Rechtsmittels.

    Desgleichen und vor allem fehlt jedes Vorbringen sowohl zur allgemeinen Organisation einer Gegenkontrolle, als auch zur konkreten Durchführung einer Gegenkontrolle im vorliegenden Verfahren.

    Wäre eine Fristenerfassung und deren Gegenkontrolle ordnungsgemäß organisiert gewesen und hätte die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers die Gegenkontrolle ordnungsgemäß durchgeführt, so wäre ihr die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung, hier der Beschwerdeeinlegung, zur Bearbeitung vorgelegt worden, wobei sie die Einhaltung ihrer Anweisungen zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in die Handakte und in den Fristenkalender eigenverantwortlich hätte prüfen müssen. Spätestens hierbei hätte die mangelhafte Einhaltung ihrer Anweisung zur Berechnung der Beschwerdebegründungsfrist und deren unzutreffende Eintragung auffallen und korrigiert werden müssen.
     
    Die Zuverlässigkeit der Einhaltung und Beachtung von Anordnungen der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers durch deren Mitarbeiterin ist überdies unvereinbar mit der Beifügung eines für das Wiedereinsetzungsgesuch irrelevanten Faxbestätigungsberichtes über den Eingang der Beschwerde beim Amtsgericht am 04.10.2016 (148).

    Die fehlenden Darlegungen kann der Antragsteller auch nicht mehr nachholen.

    Alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, sind innerhalb der Antragsfrist von einem Monat vorzutragen (§§ 117 Abs. 5 FamFG, 234 Abs. 1 S. 2 ZPO). Nach Ablauf dieser Frist können nur unklare und ergänzungsbedürftige Angaben erläutert und vervollständigt werden. Neuer Tatsachenvortrag über einzelne Handlungen, die für das Erkennen und Wahren der versäumten Frist von Bedeutung sind, bislang aber nicht erwähnt wurden, kann hingegen nicht nachgeschoben werden (BGH, NJW 1998, 2678, 2679; 2000, 365, 366; 2002, 2107, 2108; 2002, 2180, 2181; BGH, Beschluss vom 23. September 2015 – IV ZB 14/15 –, Rn. 11).

    Darauf, dass nicht einmal der Eingang der Beschwerdebegründung beim Oberlandesgericht am 10.11.2016 glaubhaft gemacht ist, kommt es schon nicht mehr an.

    III.

    Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der nach § 117 Abs. 1 S. 3 FamFG bestimmten Frist begründet worden. Die angefochtene Entscheidung ist dem Antragsteller ausweislich des bei der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses (122) am 09.09.2016 zu Händen seiner Verfahrensbevollmächtigten zugestellt worden. Bis zum Ablauf der zweimonatigen Beschwerdebegründungsfrist mit Ende des 09.11.2016 ist in dieser Sache eine Beschwerdebegründung beim Rechtsmittelgericht nicht eingegangen.

    IV.

    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO.

    Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus den §§ 55 Abs. 2, 51 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 FamGKG.

    V.

    Dem Antragsteller steht gegen diesen Beschluss die Rechtsbeschwerde zu (§ 117 Abs. 1 S. 4 FamFG, § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der Zustellung dieses Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung dieses Beschlusses und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde. Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieses Beschlusses. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten: die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge), die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt, und, soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

    Im Übrigen besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG).