01.04.2025 · IWW-Abrufnummer 247377
Bayerisches Oberstes Landesgericht: Beschluss vom 20.02.2025 – 101 AR 156/24 e
Einer Bestimmung des Gerichts, das für den Rechtsstreit aufgrund Klageerweiterung gegen einen weiteren Streitgenossen zuständig ist, steht der Verfahrensstand nicht bereits dann entgegen, wenn das angerufene Gericht bereits im Prozessrechtsverhältnis zum bisher einzigen beklagten Streitgenossen den zu den Zivilgerichten beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt hat.
Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20.02.2025, Az. 101 AR 156/24 e
Als örtlich zuständiges Gericht für den künftigen, auf den Antragsgegner zu 2) erweiterten Rechtsstreit wird das Landgericht Frankfurt am Main bestimmt.
Gründe
I.
Der Antragsteller nimmt den Antragsgegner zu 1) im Urkundenprozess vor dem Landgericht München II, in dessen Bezirk der Antragsgegner zu 1) seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, aus einem Garantievertrag auf Zahlung in Anspruch. Er beabsichtigt eine Klageerweiterung gegen den Antragsgegner zu 2), der seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Frankfurt am Main hat. Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2024 hat er beantragt, gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO das für einen Rechtsstreit gegen beide Antragsgegner örtlich zuständige Gericht zu bestimmen.
Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien gewährte der BayernFonds dem X-Unternehmen XXX GmbH mit notariell beurkundetem Stabilisierungsvertrag vom ... 2021 (Anlage AS 2) ein nachrangiges Wandeldarlehen im Nominalbetrag von ... €. Der BayernFonds ist ein vom Freistaat Bayern durch Art. 1 des Gesetzes über einen BayernFonds und eine Bayerische Finanzagentur (BayernFonds- und Finanzagentur-Gesetz - BayFoG) vom 27. April 2020 (GVBl. S. 230) errichteter Fonds, der nach Art. 3 des Gesetzes nicht rechtsfähig ist, aber unter seinem Namen im rechtsgeschäftlichen Verkehr handeln kann. Unter anderem die Antragsgegner zu 1) und 2) gaben gegenüber dem BayernFonds am 11. Juni 2021 eine Garantieerklärung ab. Sie verpflichteten sich als Gesamtschuldner gegenüber dem BayernFonds zur Zahlung von 90% des Garantiebetrags in Höhe von 33% des ausgereichten Wandeldarlehens (Anlage 3 zum Stabilisierungsvertrag). Am 1. November 2023 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der XXX GmbH eröffnet.
Der Antragsteller trägt vor, er sei infolge der Auflösung des Fonds mit Ablauf des 31. Juli 2024 in dessen Rechte und Pflichten eingetreten. Demzufolge sei er berechtigt, die Ansprüche aus den Garantieerklärungen gerichtlich zu verfolgen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der geförderten Gesellschaft seien die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Antragsgegner aus der Garantie gegeben. Für die beabsichtigte Erweiterung der Klage auf den Antragsgegner zu 2) bestehe kein gemeinsam örtlich zuständiges Gericht, denn bei Eingehung der Garantieverpflichtung seien die Antragsgegner zu 1) und 2) in verschiedenen Landgerichtsbezirken wohnhaft gewesen, der Antragsgegner zu 1) im Bezirk des Landgerichts München II und der nun in Frankfurt am Main wohnhafte Antragsgegner zu 2) im Bezirk des Landgerichts München I.
Die Antragsgegner beantragen, den Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung abzuweisen, hilfsweise das Landgericht Frankfurt am Main als zuständiges Gericht zu bestimmen. Sie sind der Ansicht, der Antrag sei zu spät gestellt worden und deshalb abzulehnen. In Bezug auf die Auswahl des andernfalls zu bestimmenden Gerichts macht der Antragsgegner zu 2) geltend, dass für ihn eine Verteidigung vor dem Landgericht München II wegen der großen Distanz zu seinem Wohnort mit erheblichem Aufwand verbunden sei, der ihm angesichts seiner hohen beruflichen Belastung als Arzt und der existentiellen Bedeutung des Verfahrens nicht zugemutet werden könne. Der Antragsgegner zu 1) trägt hierzu vor, mit einem einheitlichen Verfahren in Frankfurt am Main einverstanden zu sein.
Der Antragsteller hat sich für die Wahl des Landgerichts München II ausgesprochen. Beide Prozessbevollmächtigte und auch die mit der Stabilisierungsmaßnahme geförderte XXX GmbH hätten ihren Sitz in München. Der Einwand, dass der Antragsgegner zu 2) als Arzt beruflich stark eingebunden sei, greife nicht, da für den bereits anberaumten Verhandlungstermin am 19. März 2025 das persönliche Erscheinen der Parteien nicht angeordnet worden sei.
II.
Auf den Antrag bestimmt der Senat das Landgericht Frankfurt am Main als zuständiges Gericht für den (beabsichtigten) Rechtsstreit gegen beide Antragsgegner.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für die Entscheidung über den Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung zuständig, weil die Antragsgegner ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (München und Frankfurt am Main) haben und daher das gemeinschaftliche im Rechtszug zunächst höhere Zivilgericht der Bundesgerichtshof wäre. An dessen Stelle entscheidet das Bayerische Oberste Landesgericht, weil ein bayerisches Gericht zuerst mit der Sache befasst gewesen ist.
2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist im Urkundenprozess anwendbar (vgl. Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 36 Rn. 5 m. w. N.) und gilt auch, wenn eine gegen einen Streitgenossen erhobene Klage nachträglich gegen weitere Streitgenossen erweitert worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 14. Juli 2020, X ARZ 156/20, NJW-RR 2020, 1070 Rn. 10 ff.; Toussaint in BeckOK ZPO, 55. Ed. Stand 1. Dezember 2024, § 36 Rn. 19). Schon nach dem Gesetzeswortlaut ("... verklagt werden sollen ...") gilt § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erst recht für eine erst beabsichtigte Klageerweiterung. Entgegen der Ansicht der Antragsgegner ist der Antragsteller dadurch, dass er die Klage zunächst nur gegen einen der Streitgenossen erhoben hat, verfahrensrechtlich nicht daran gebunden, getrennte Prozesse zu führen. Das gilt auch, wenn das angerufene Gericht für den zunächst allein verklagten Streitgenossen zuständig ist, ein gemeinsam zuständiges Gericht für den beabsichtigten Rechtsstreit gegen mehrere Streitgenossen aber nicht besteht. Durch die in der Klageerhebung liegende bindende Wahl des Gerichtsstands gegenüber dem Erstbeklagten (vgl. § 35 ZPO) wird das Antragsrecht gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht "verbraucht" (BayObLG, Beschl. v. 3. Dezember 2019, 1 AR 112/19, juris 33; Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 36 Rn. 20).
c) Der Verfahrensstand steht einer Zuständigkeitsbestimmung nicht entgegen.
Der Rechtsstreit ist bei dem Landgericht München II noch nicht so weit fortgeschritten, dass vernünftigerweise - namentlich aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit - nur eine Entscheidung zu Gunsten dieses Gerichts in Betracht käme und deshalb eine echte Auswahl unter den grundsätzlich bestimmbaren Gerichten nicht mehr möglich wäre (dazu: Roth in Stein/Jonas, ZPO, 24. Aufl. 2024, § 36 Rn. 28).
Eine entsprechende Zäsur ist als erreicht angesehen worden, wenn gegen einen oder mehrere Beklagte schon sachlich entschieden worden ist oder eine Beweisaufnahme zur Hauptsache stattgefunden hat oder unmittelbar bevorsteht (vgl. BGH NJW-RR 2020, 1070 [BGH 14.07.2020 - X ARZ 156/20] Rn. 17; Beschl. v. 27. November 2018, X ARZ 321/18, NJW-RR 2019, 238 Rn. 14; Beschl. v. 7. Oktober 1977, I ARZ 513/77, NJW 1978, 321; BayObLG, Beschl. v. 23. Juli 2020, 1 AR 56/20, NJW-RR 2020, 1134 [BGH 05.08.2020 - VIII ZB 18/20] Rn. 20; Beschl. v. 15. Mai 2019, 1 AR 36/19, juris Rn. 14 m. w. N.). Eine schädliche Prozesslage kann auch darin liegen, dass eine Parteianhörung nach § 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO durchgeführt worden ist, auch wenn das Gericht noch nicht in die Beweisaufnahme eingetreten ist (vgl. BayObLG, Beschl. v. 4. Mai 2020, 1 AR 26/20, NJW-RR 2020, 1263 Rn. 25). Als unschädlich ist es dagegen angesehen worden, wenn bereits gegen den Kläger ein Versäumnisurteil ergangen (BGH NJW-RR 2019, 238 Rn. 9, 13 ff.) oder wenn gemäß § 142 ZPO die Vorlegung von Urkunden angeordnet worden ist (BayObLG, Beschl. v. 23. Juli 2020, 1 AR 31/20, juris Rn. 35).
Vorliegend ist im Prozessrechtsverhältnis zum Antragsgegner zu 1) zwar eine Entscheidung nach § 17a Abs. 1 GVG ergangen, mit welcher der Rechtsweg zu den Zivilgerichten rechtskräftig für zulässig erklärt worden ist. Das Ergebnis dieses Zwischenstreits bleibt unabhängig davon erhalten, welches der grundsätzlich zur Auswahl stehenden Gerichte zum gemeinsam örtlich zuständigen Gericht bestimmt wird. Die erreichte Verfahrenslage ist aber nicht vergleichbar mit einer Prozesslage, in der bereits gegen einen der Streitgenossen eine Sachentscheidung vorliegt. Der Umstand, dass das angerufene Gericht bereits einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt hat, reduziert die Auswahlmöglichkeit des bestimmenden Gerichts gleichfalls nicht. In dem als Urkundenverfahren geführten Prozess sind keine terminsvorbereitenden Anordnungen ergangen, welche nach ihrem Inhalt einen erheblichen Aufwand verursachten. Auch die zeitliche Nähe zwischen der Zuständigkeitsentscheidung und dem bereits im März 2025 angesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung führt nicht dazu, dass sinnvollerweise nur das bereits angerufene Gericht für einen Rechtsstreit gegen beide Antragsgegner bestimmt werden könnte. Vielmehr wird im Fall einer Klageerweiterung im Hinblick auf die dann zu gewährende Klageerwiderungsfrist der angesetzte Termin voraussichtlich ohnehin hinfällig werden. Der damit verbundene Ressourcenverbrauch tritt somit unabhängig von der Gerichtsstandsbestimmung ein. Der Antragsteller ist frei in seiner Entscheidung, die Klage gegen einen weiteren Streitgenossen zu erweitern. Die mit einer Erweiterung möglicherweise verbundenen nachteiligen Konsequenzen kann er bei seiner Entscheidung berücksichtigen; hingegen schränkt der Gesichtspunkt der Prozessökonomie bei dieser Verfahrenslage die Möglichkeiten einer sachgerechten Auswahl unter den grundsätzlich in Betracht kommenden Gerichten nicht ein.
d) Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand für einen gegen beide Antragsgegner gerichteten Rechtsstreit ergibt sich weder aus dem Vortrag der Parteien noch ist ein solcher ersichtlich.
Da nach den unwidersprochenen Angaben des Antragstellers die Antragsgegner im Zeitpunkt der Eingehung der Garantieverpflichtung nicht in demselben Gerichtsbezirk wohnhaft waren und zudem keine ausdrückliche Vereinbarung des Inhalts, dass sich der Erfüllungsort für die Zahlungspflicht aus der Garantie nach dem Erfüllungsort der Hauptverbindlichkeit richte, getroffen wurde, besteht kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 269 Abs. 1, § 270 Abs. 4 BGB (vgl. BayObLG, Beschl. v. 18. Juli 2019, 1 AR 54/19, juris Rn. 17; Schultzky in Zöller, ZPO, § 29 Rn. 25.14 Stichwort "Bürgschaft und Garantie" m. w. N.).
e) Die Antragsgegner sollen als Streitgenossen im Sinne von § 60 ZPO in Anspruch genommen werden.
3. Als für den beabsichtigten Rechtsstreit gegen beide Antragsgegner örtlich zuständiges Gericht wird das Landgericht Frankfurt am Main bestimmt.
Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei das bestimmende Gericht ein Auswahlermessen hat (BVerfG, Beschl. v. 12. November 2008, 1 BvR 2788/08, NJW 2009, 907 [juris Rn. 12 m. w. N.]; BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2018, X ARZ 252/18, juris Rn. 29; Beschl. v. 20. Mai 2008, X ARZ 98/08, NJW-RR 2008, 1514 Rn. 20). Auszuwählen ist im Regelfall ein Gericht am allgemeinen Gerichtsstand eines der Antragsgegner (BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2018, X ARZ 252/18, juris Rn. 29; Beschl. v. 21. August 2008, X ARZ 105/08, NJW 2008, 3789 Rn. 11).
Der Senat wählt unter den danach in Betracht kommenden Gerichten das Landgericht Frankfurt am Main, an dem der Antragsgegner zu 2) seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
Der Antragsgegner zu 2) hat sich mit sachlichen, nicht widerlegten Gründen für die Auswahl dieses Gerichts ausgesprochen. Er hat seine berufliche Belastung ins Feld geführt, die ihm eine Verteidigung vor dem angerufenen Landgericht München II unzumutbar erschwere. Entgegen der Meinung des Antragstellers kann über dieses Argument nicht deshalb hinweggegangen werden, weil das angerufene Gericht das persönliche Erscheinen nicht angeordnet habe und das Verfahren als Urkundenverfahren geführt werde. Diese Sichtweise trägt schon dem Umstand keine Rechnung, dass jede Partei jedenfalls berechtigt ist, zur mündlichen Verhandlung bei Gericht persönlich zu erscheinen. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass den Beklagten in einem Urteil die Ausführung ihrer Rechte vorbehalten wird. Da das Nachverfahren (§ 600 ZPO) das Vorbehaltsverfahren fortsetzt und mit diesem eine Einheit bildet (vgl. Greger in Zöller, ZPO, § 600 Rn. 1), hat die Zuständigkeitsbestimmung Bedeutung auch für das Nachverfahren und wirkt sich auch dort noch auf die mit der Verteidigung verbundene prozessuale Last aus.
Der Antragsgegner zu 1) hingegen hat sich mit der Bestimmung des Landgerichts Frankfurt am Main einverstanden erklärt. Dieses Einverständnis der von der Auswahl benachteiligten Partei hat bei der Gerichtsstandsbestimmung regelmäßig ausschlaggebende Bedeutung. Denn den Regelungen über die allgemeinen Gerichtsstände (§§ 12, 13, 17 ZPO) und dem dort verankerten Grundsatz ("actor sequitur forum rei") wohnt ein prozessualer Gerechtigkeitsgedanke inne (vgl. BayObLG, Beschl. v. 26. Mai 2023, 101 AR 157/22, juris Rn. 69; Beschl. v. 5. März 2020, 1 AR 2/20, juris Rn. 28; Schultzky in Zöller, ZPO, § 12 Rn. 2; Roth in Stein/Jonas, ZPO, Vorbemerkungen vor § 12 Rn. 3, 23 sowie § 12 Rn. 2). Ist einer der Streitgenossen bereit, auf die damit für ihn verbundene Erleichterung zu verzichten, ist dies bei der Auswahlentscheidung regelmäßig zu beachten.
In dieser Situation erachtet der Senat die vom Antragsteller vorgetragenen Gesichtspunkte für nachrangig. Sowohl der Tatsache, dass das Verfahren, soweit es sich gegen den Antragsgegner zu 1) richtet, bereits bei dem Landgericht München II rechtshängig ist, als auch dem Umstand, dass beide Prozessbevollmächtigten ihren Sitz in München haben, misst der Senat kein ausschlaggebendes Gewicht bei. Auf den Sitz der XXX GmbH im Bezirk des Landgerichts München I kann nicht abgestellt werden.
Tenor:
Gründe
I.
Der Antragsteller nimmt den Antragsgegner zu 1) im Urkundenprozess vor dem Landgericht München II, in dessen Bezirk der Antragsgegner zu 1) seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, aus einem Garantievertrag auf Zahlung in Anspruch. Er beabsichtigt eine Klageerweiterung gegen den Antragsgegner zu 2), der seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts Frankfurt am Main hat. Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2024 hat er beantragt, gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO das für einen Rechtsstreit gegen beide Antragsgegner örtlich zuständige Gericht zu bestimmen.
Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien gewährte der BayernFonds dem X-Unternehmen XXX GmbH mit notariell beurkundetem Stabilisierungsvertrag vom ... 2021 (Anlage AS 2) ein nachrangiges Wandeldarlehen im Nominalbetrag von ... €. Der BayernFonds ist ein vom Freistaat Bayern durch Art. 1 des Gesetzes über einen BayernFonds und eine Bayerische Finanzagentur (BayernFonds- und Finanzagentur-Gesetz - BayFoG) vom 27. April 2020 (GVBl. S. 230) errichteter Fonds, der nach Art. 3 des Gesetzes nicht rechtsfähig ist, aber unter seinem Namen im rechtsgeschäftlichen Verkehr handeln kann. Unter anderem die Antragsgegner zu 1) und 2) gaben gegenüber dem BayernFonds am 11. Juni 2021 eine Garantieerklärung ab. Sie verpflichteten sich als Gesamtschuldner gegenüber dem BayernFonds zur Zahlung von 90% des Garantiebetrags in Höhe von 33% des ausgereichten Wandeldarlehens (Anlage 3 zum Stabilisierungsvertrag). Am 1. November 2023 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der XXX GmbH eröffnet.
Der Antragsteller trägt vor, er sei infolge der Auflösung des Fonds mit Ablauf des 31. Juli 2024 in dessen Rechte und Pflichten eingetreten. Demzufolge sei er berechtigt, die Ansprüche aus den Garantieerklärungen gerichtlich zu verfolgen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der geförderten Gesellschaft seien die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Antragsgegner aus der Garantie gegeben. Für die beabsichtigte Erweiterung der Klage auf den Antragsgegner zu 2) bestehe kein gemeinsam örtlich zuständiges Gericht, denn bei Eingehung der Garantieverpflichtung seien die Antragsgegner zu 1) und 2) in verschiedenen Landgerichtsbezirken wohnhaft gewesen, der Antragsgegner zu 1) im Bezirk des Landgerichts München II und der nun in Frankfurt am Main wohnhafte Antragsgegner zu 2) im Bezirk des Landgerichts München I.
Die Antragsgegner beantragen, den Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung abzuweisen, hilfsweise das Landgericht Frankfurt am Main als zuständiges Gericht zu bestimmen. Sie sind der Ansicht, der Antrag sei zu spät gestellt worden und deshalb abzulehnen. In Bezug auf die Auswahl des andernfalls zu bestimmenden Gerichts macht der Antragsgegner zu 2) geltend, dass für ihn eine Verteidigung vor dem Landgericht München II wegen der großen Distanz zu seinem Wohnort mit erheblichem Aufwand verbunden sei, der ihm angesichts seiner hohen beruflichen Belastung als Arzt und der existentiellen Bedeutung des Verfahrens nicht zugemutet werden könne. Der Antragsgegner zu 1) trägt hierzu vor, mit einem einheitlichen Verfahren in Frankfurt am Main einverstanden zu sein.
Der Antragsteller hat sich für die Wahl des Landgerichts München II ausgesprochen. Beide Prozessbevollmächtigte und auch die mit der Stabilisierungsmaßnahme geförderte XXX GmbH hätten ihren Sitz in München. Der Einwand, dass der Antragsgegner zu 2) als Arzt beruflich stark eingebunden sei, greife nicht, da für den bereits anberaumten Verhandlungstermin am 19. März 2025 das persönliche Erscheinen der Parteien nicht angeordnet worden sei.
II.
Auf den Antrag bestimmt der Senat das Landgericht Frankfurt am Main als zuständiges Gericht für den (beabsichtigten) Rechtsstreit gegen beide Antragsgegner.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für die Entscheidung über den Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung zuständig, weil die Antragsgegner ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (München und Frankfurt am Main) haben und daher das gemeinschaftliche im Rechtszug zunächst höhere Zivilgericht der Bundesgerichtshof wäre. An dessen Stelle entscheidet das Bayerische Oberste Landesgericht, weil ein bayerisches Gericht zuerst mit der Sache befasst gewesen ist.
2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist im Urkundenprozess anwendbar (vgl. Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 36 Rn. 5 m. w. N.) und gilt auch, wenn eine gegen einen Streitgenossen erhobene Klage nachträglich gegen weitere Streitgenossen erweitert worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 14. Juli 2020, X ARZ 156/20, NJW-RR 2020, 1070 Rn. 10 ff.; Toussaint in BeckOK ZPO, 55. Ed. Stand 1. Dezember 2024, § 36 Rn. 19). Schon nach dem Gesetzeswortlaut ("... verklagt werden sollen ...") gilt § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erst recht für eine erst beabsichtigte Klageerweiterung. Entgegen der Ansicht der Antragsgegner ist der Antragsteller dadurch, dass er die Klage zunächst nur gegen einen der Streitgenossen erhoben hat, verfahrensrechtlich nicht daran gebunden, getrennte Prozesse zu führen. Das gilt auch, wenn das angerufene Gericht für den zunächst allein verklagten Streitgenossen zuständig ist, ein gemeinsam zuständiges Gericht für den beabsichtigten Rechtsstreit gegen mehrere Streitgenossen aber nicht besteht. Durch die in der Klageerhebung liegende bindende Wahl des Gerichtsstands gegenüber dem Erstbeklagten (vgl. § 35 ZPO) wird das Antragsrecht gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht "verbraucht" (BayObLG, Beschl. v. 3. Dezember 2019, 1 AR 112/19, juris 33; Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 36 Rn. 20).
c) Der Verfahrensstand steht einer Zuständigkeitsbestimmung nicht entgegen.
Der Rechtsstreit ist bei dem Landgericht München II noch nicht so weit fortgeschritten, dass vernünftigerweise - namentlich aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit - nur eine Entscheidung zu Gunsten dieses Gerichts in Betracht käme und deshalb eine echte Auswahl unter den grundsätzlich bestimmbaren Gerichten nicht mehr möglich wäre (dazu: Roth in Stein/Jonas, ZPO, 24. Aufl. 2024, § 36 Rn. 28).
Eine entsprechende Zäsur ist als erreicht angesehen worden, wenn gegen einen oder mehrere Beklagte schon sachlich entschieden worden ist oder eine Beweisaufnahme zur Hauptsache stattgefunden hat oder unmittelbar bevorsteht (vgl. BGH NJW-RR 2020, 1070 [BGH 14.07.2020 - X ARZ 156/20] Rn. 17; Beschl. v. 27. November 2018, X ARZ 321/18, NJW-RR 2019, 238 Rn. 14; Beschl. v. 7. Oktober 1977, I ARZ 513/77, NJW 1978, 321; BayObLG, Beschl. v. 23. Juli 2020, 1 AR 56/20, NJW-RR 2020, 1134 [BGH 05.08.2020 - VIII ZB 18/20] Rn. 20; Beschl. v. 15. Mai 2019, 1 AR 36/19, juris Rn. 14 m. w. N.). Eine schädliche Prozesslage kann auch darin liegen, dass eine Parteianhörung nach § 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO durchgeführt worden ist, auch wenn das Gericht noch nicht in die Beweisaufnahme eingetreten ist (vgl. BayObLG, Beschl. v. 4. Mai 2020, 1 AR 26/20, NJW-RR 2020, 1263 Rn. 25). Als unschädlich ist es dagegen angesehen worden, wenn bereits gegen den Kläger ein Versäumnisurteil ergangen (BGH NJW-RR 2019, 238 Rn. 9, 13 ff.) oder wenn gemäß § 142 ZPO die Vorlegung von Urkunden angeordnet worden ist (BayObLG, Beschl. v. 23. Juli 2020, 1 AR 31/20, juris Rn. 35).
Vorliegend ist im Prozessrechtsverhältnis zum Antragsgegner zu 1) zwar eine Entscheidung nach § 17a Abs. 1 GVG ergangen, mit welcher der Rechtsweg zu den Zivilgerichten rechtskräftig für zulässig erklärt worden ist. Das Ergebnis dieses Zwischenstreits bleibt unabhängig davon erhalten, welches der grundsätzlich zur Auswahl stehenden Gerichte zum gemeinsam örtlich zuständigen Gericht bestimmt wird. Die erreichte Verfahrenslage ist aber nicht vergleichbar mit einer Prozesslage, in der bereits gegen einen der Streitgenossen eine Sachentscheidung vorliegt. Der Umstand, dass das angerufene Gericht bereits einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt hat, reduziert die Auswahlmöglichkeit des bestimmenden Gerichts gleichfalls nicht. In dem als Urkundenverfahren geführten Prozess sind keine terminsvorbereitenden Anordnungen ergangen, welche nach ihrem Inhalt einen erheblichen Aufwand verursachten. Auch die zeitliche Nähe zwischen der Zuständigkeitsentscheidung und dem bereits im März 2025 angesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung führt nicht dazu, dass sinnvollerweise nur das bereits angerufene Gericht für einen Rechtsstreit gegen beide Antragsgegner bestimmt werden könnte. Vielmehr wird im Fall einer Klageerweiterung im Hinblick auf die dann zu gewährende Klageerwiderungsfrist der angesetzte Termin voraussichtlich ohnehin hinfällig werden. Der damit verbundene Ressourcenverbrauch tritt somit unabhängig von der Gerichtsstandsbestimmung ein. Der Antragsteller ist frei in seiner Entscheidung, die Klage gegen einen weiteren Streitgenossen zu erweitern. Die mit einer Erweiterung möglicherweise verbundenen nachteiligen Konsequenzen kann er bei seiner Entscheidung berücksichtigen; hingegen schränkt der Gesichtspunkt der Prozessökonomie bei dieser Verfahrenslage die Möglichkeiten einer sachgerechten Auswahl unter den grundsätzlich in Betracht kommenden Gerichten nicht ein.
d) Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand für einen gegen beide Antragsgegner gerichteten Rechtsstreit ergibt sich weder aus dem Vortrag der Parteien noch ist ein solcher ersichtlich.
Da nach den unwidersprochenen Angaben des Antragstellers die Antragsgegner im Zeitpunkt der Eingehung der Garantieverpflichtung nicht in demselben Gerichtsbezirk wohnhaft waren und zudem keine ausdrückliche Vereinbarung des Inhalts, dass sich der Erfüllungsort für die Zahlungspflicht aus der Garantie nach dem Erfüllungsort der Hauptverbindlichkeit richte, getroffen wurde, besteht kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 269 Abs. 1, § 270 Abs. 4 BGB (vgl. BayObLG, Beschl. v. 18. Juli 2019, 1 AR 54/19, juris Rn. 17; Schultzky in Zöller, ZPO, § 29 Rn. 25.14 Stichwort "Bürgschaft und Garantie" m. w. N.).
e) Die Antragsgegner sollen als Streitgenossen im Sinne von § 60 ZPO in Anspruch genommen werden.
3. Als für den beabsichtigten Rechtsstreit gegen beide Antragsgegner örtlich zuständiges Gericht wird das Landgericht Frankfurt am Main bestimmt.
Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei das bestimmende Gericht ein Auswahlermessen hat (BVerfG, Beschl. v. 12. November 2008, 1 BvR 2788/08, NJW 2009, 907 [juris Rn. 12 m. w. N.]; BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2018, X ARZ 252/18, juris Rn. 29; Beschl. v. 20. Mai 2008, X ARZ 98/08, NJW-RR 2008, 1514 Rn. 20). Auszuwählen ist im Regelfall ein Gericht am allgemeinen Gerichtsstand eines der Antragsgegner (BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2018, X ARZ 252/18, juris Rn. 29; Beschl. v. 21. August 2008, X ARZ 105/08, NJW 2008, 3789 Rn. 11).
Der Senat wählt unter den danach in Betracht kommenden Gerichten das Landgericht Frankfurt am Main, an dem der Antragsgegner zu 2) seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
Der Antragsgegner zu 2) hat sich mit sachlichen, nicht widerlegten Gründen für die Auswahl dieses Gerichts ausgesprochen. Er hat seine berufliche Belastung ins Feld geführt, die ihm eine Verteidigung vor dem angerufenen Landgericht München II unzumutbar erschwere. Entgegen der Meinung des Antragstellers kann über dieses Argument nicht deshalb hinweggegangen werden, weil das angerufene Gericht das persönliche Erscheinen nicht angeordnet habe und das Verfahren als Urkundenverfahren geführt werde. Diese Sichtweise trägt schon dem Umstand keine Rechnung, dass jede Partei jedenfalls berechtigt ist, zur mündlichen Verhandlung bei Gericht persönlich zu erscheinen. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass den Beklagten in einem Urteil die Ausführung ihrer Rechte vorbehalten wird. Da das Nachverfahren (§ 600 ZPO) das Vorbehaltsverfahren fortsetzt und mit diesem eine Einheit bildet (vgl. Greger in Zöller, ZPO, § 600 Rn. 1), hat die Zuständigkeitsbestimmung Bedeutung auch für das Nachverfahren und wirkt sich auch dort noch auf die mit der Verteidigung verbundene prozessuale Last aus.
Der Antragsgegner zu 1) hingegen hat sich mit der Bestimmung des Landgerichts Frankfurt am Main einverstanden erklärt. Dieses Einverständnis der von der Auswahl benachteiligten Partei hat bei der Gerichtsstandsbestimmung regelmäßig ausschlaggebende Bedeutung. Denn den Regelungen über die allgemeinen Gerichtsstände (§§ 12, 13, 17 ZPO) und dem dort verankerten Grundsatz ("actor sequitur forum rei") wohnt ein prozessualer Gerechtigkeitsgedanke inne (vgl. BayObLG, Beschl. v. 26. Mai 2023, 101 AR 157/22, juris Rn. 69; Beschl. v. 5. März 2020, 1 AR 2/20, juris Rn. 28; Schultzky in Zöller, ZPO, § 12 Rn. 2; Roth in Stein/Jonas, ZPO, Vorbemerkungen vor § 12 Rn. 3, 23 sowie § 12 Rn. 2). Ist einer der Streitgenossen bereit, auf die damit für ihn verbundene Erleichterung zu verzichten, ist dies bei der Auswahlentscheidung regelmäßig zu beachten.
In dieser Situation erachtet der Senat die vom Antragsteller vorgetragenen Gesichtspunkte für nachrangig. Sowohl der Tatsache, dass das Verfahren, soweit es sich gegen den Antragsgegner zu 1) richtet, bereits bei dem Landgericht München II rechtshängig ist, als auch dem Umstand, dass beide Prozessbevollmächtigten ihren Sitz in München haben, misst der Senat kein ausschlaggebendes Gewicht bei. Auf den Sitz der XXX GmbH im Bezirk des Landgerichts München I kann nicht abgestellt werden.
RechtsgebieteKlageerweiterung, Streitgenossen, Gerichtsstandsbestimmung, allgemeiner Gerichtsstand, ZuständigkeitsbestimmungVorschriften§ 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO