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  • 12.05.2023 · IWW-Abrufnummer 235250

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 01.02.2023 – 18 WF 51/21

    Eine Kostenerstattung ist auch in Ehewohnungssachen nach § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG nur zurückhaltend anzuordnen, sofern die Wohnungszuweisung nicht auf einer schuldhaften Begehung der in § 1361b Abs. 2 Satz 1 BGB genannten Rechtsverletzungen beruht und insbesondere Belange eines im Haushalt lebenden minderjährigen Kindes für die Zuweisung der Ehewohnung maßgeblich sind.


    Oberlandesgericht Karlsruhe

    Beschluss vom 01.02.2023


    Tenor:

    1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird Ziffer 7 des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 16.03.2021 wie folgt abgeändert und neu gefasst:
      Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
    2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
    3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 500 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Der Antragsgegner wendet sich gegen eine Kostenentscheidung in einem einstweiligen Anordnungsverfahren wegen Zuweisung einer Ehewohnung.

    Die Antragstellerin und der Antragsgegner bewohnten mit ihren vier minderjährigen Kindern als Mieter eine Wohnung in ..., .... Am 19.10.2020 verließ die Antragstellerin mit den Kindern die Wohnung und zog vorläufig zu ihren Eltern nach .... In der Folgezeit zog die neue Lebensgefährtin des Antragsgegners, eine Nachbarin, mit ihren zwei Kindern, die sie im Wechselmodell betreut, zu ihm in die Wohnung.

    Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 08.02.2021 im Wege der einstweiligen Anordnung die Zuweisung der Ehewohnung an sich. Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten und begehrte seinerseits die Zuweisung der Ehewohnung an sich.

    Durch Beschluss vom 16.03.2021 wies das Amtsgericht Freiburg die Ehewohnung für die Dauer des Getrenntlebens der Antragstellerin zur alleinigen Benutzung zu und gab dem Antragsgegner auf, die Wohnung zu räumen und an die Antragstellerin herauszugeben. Der Antrag des Antragsgegners auf Zuweisung der Ehewohnung an ihn wurde zurückgewiesen. In Ziffer 7 des Beschlusses wurden die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner auferlegt, da es im billigen Interesse liege, dass der unterlegene Antragsgegner die Verfahrenskosten trage.

    Gegen den Beschluss, ein Empfangsbekenntnis der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ist nicht bei der Akte, legte der Antragsgegner durch seine Verfahrensbevollmächtigte am 30.03.2021 per Fax Beschwerde ein, die sich lediglich gegen die Kostenentscheidung richtet. Zur Begründung führt er aus, dass in gleichgelagerten Fällen regelmäßig eine Kostenaufhebung erfolge. Das erstinstanzliche Gericht habe die Kostenentscheidung nicht begründet und unberücksichtigt gelassen, dass die Antragstellerin die Wohnung verlassen und sie zur anderweitigen Vermietung angeboten habe. Auch habe sie ihm eine Liste der Gegenstände übermittelt, die sie mitnehmen möchte, so dass er davon ausgegangen sei, in der Ehewohnung verbleiben zu können.

    Die Antragstellerin hat zu der Beschwerde des Antragsgegners keine Stellungnahme abgegeben.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

    II.

    Die nach §§ 57 Satz 2 Nr. 5, 58 Abs. 1, 63 Abs. 2 Nr. 1, 64 Abs. 2 FamFG zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache Erfolg.

    1. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingelegt. Zwar ist kein Empfangsbekenntnis der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners zur Akte gelangt. Da der erstinstanzliche Beschluss vom 16.03.2021 stammt und die Beschwerde des Antragsgegners am 30.03.2021 per Fax beim Amtsgericht Freiburg einging, ist die Frist von zwei Wochen gemäß § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG eingehalten.

    2. Die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung ist in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit zulässig. Unerheblich ist, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes bei der vom Antragsgegner angestrebten Kostenaufhebung den Beschwerdewert von 600 € gemäß § 61 Abs. 1 FamFG nicht übersteigt, da es sich bei dem vorliegenden Verfahren in einer Ehewohnungssache nicht um eine vermögensrechtliche Angelegenheit im Sinne der Vorschrift handelt (BGH vom 25.09.2013 - XII ZB 464/12, juris Rn. 14; OLG Karlsruhe vom 13.07.2021 - 18 WF 78/21, juris Rn. 7; Prütting/Helms/Abramenko, FamFG, 6. Auflage 2023, § 61 Rn. 3).

    3. Für den vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob das Beschwerdegericht bei der Überprüfung einer Kostenentscheidung gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG darauf beschränkt ist, die angefochtene Entscheidung auf Ermessensfehler zu überprüfen oder ob es eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen hat. Denn das Amtsgericht hat seine Kostenentscheidung nicht näher begründet, sondern nur festgestellt, dass es im billigen Interesse liegt, dass der unterlegene Antragsgegner die Kosten des Verfahrens trägt. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass das von § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG gebotene Ermessen überhaupt ausgeübt wurde. Das Beschwerdegericht ist danach nicht gehindert, eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen (hierzu ausführlich: Musielak/Borth/Frank, FamFG, 7. Auflage 2022, § 81 Rn. 18 und § 69 Rn. 13; Sternal/Weber, FamFG, 21. Auflage 2023, § 81 Rn. 61).

    4. Über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens war gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG nach dem Maßstab billigen Ermessens zu entscheiden. Das Gesetz räumt dem Gericht damit einen weiten Gestaltungsspielraum dahingehend ein, welchem Beteiligten welche Kosten des Verfahrens auferlegt werden (BGH vom 19.02.2014 - XII ZB 15/13, juris Rn. 11; Prütting/Helms/Feskorn, a.a.O., § 81 Rn. 11 ff.). Es kann die Kosten ganz oder teilweise zwischen den Beteiligten aufteilen, die Kosten gegeneinander aufheben oder die Kostenregelung getrennt in Bezug auf die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten vornehmen, nur bestimmte Kosten einem der Beteiligten auferlegen und von der Erhebung von Kosten (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG) ganz oder teilweise absehen. Das Gericht hat die Kostenentscheidung unter Berücksichtigung sämtlicher maßgeblicher Umstände zu treffen (BGH vom 19.02.2014, - XII ZB 15/13, juris Rn. 11). Es hat die Abwägung in der Begründung des Beschlusses in der gebotenen Kürze in einer Weise niederzulegen, die erkennen lässt, von welchen Erwägungen es ausgegangen ist (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 34. Auflage 2022, § 38 FamFG Rn. 13). Maßgebend können sein insbesondere das Obsiegen oder Unterliegen eines Beteiligten, seine anfänglichen Erfolgsaussichten, die Bedeutung der Sachentscheidung für den jeweiligen Beteiligten, sein Anteil an der Entstehung des Rechtsstreits (vgl. OLG München vom 07.03.2014 - 4 WF 130/14, juris Rn. 19), sein Verhalten im Verfahren, die Verfahrensart, die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse und anderes (vgl. Zöller/Feskorn, a.a.O., § 81 Rn. 6).

    Bei Streitigkeiten zwischen Familienangehörigen ist eine Kostenerstattung nur zurückhaltend anzuordnen. Dies gilt auch regelmäßig in Ehewohnungssachen nach § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, sofern die Wohnungszuweisung nicht auf einer schuldhaften Begehung der in § 1361b Abs. 2 Satz 1 BGB genannten Rechtsverletzungen beruht. Insbesondere dann, wenn sich die Wohnungszuweisung maßgeblich auf Belange eines im Haushalt lebenden minderjährigen Kindes stützt, wird es - ähnlich wie in Umgangs- und Sorgerechtsverfahren - in der Regel nicht der Billigkeit entsprechen, einem der Ehegatten die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen (OLG Frankfurt vom 26.02.2013 - 4 WF 279/12, juris Rn. 15; Prütting/Helms/Feskorn a.a.O., § 81 Rn. 13; Dutta/Jacoby/Schwab/Bartels, FamFG, 4. Auflage 2021, § 81 Rn. 41; Kemper/Schreiber/Schneider, Familienverfahrensrecht, 3. Auflage 2015, § 81 Rn. 32).

    5. Nach diesen Grundsätzen entspricht es der Billigkeit, dass die Beteiligten ihre erstinstanzlichen Kosten selber tragen und die Gerichtskosten geteilt werden.

    a) Die Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 FamFG, wonach die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegt werden sollen, liegen nicht vor. Insbesondere war der Antrag des Antragsgegners, ihm die Wohnung zuzuweisen, nicht von vorneherein aussichtslos, da die Antragstellerin mit den Kindern die Wohnung verlassen hatte und auch das Jugendamt im Anhörungstermin vom 16.03.2021 erklärte, es gebe aus seiner Sicht keine Präferenz, wem die Wohnung zugewiesen werden soll.

    b) Es entspricht der Billigkeit gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG, dass die erstinstanzlichen Kosten zwischen den Beteiligten gegeneinander aufgehoben werden. Es handelt sich um eine Streitigkeit zwischen Familienangehörigen, so dass - wie ausgeführt - bei der Anordnung einer Kostenerstattung in der Regel Zurückhaltung geboten ist. Hinzu kommt, dass vorliegend der angefochtenen Entscheidung zufolge das Kindeswohl entsprechend den gesetzlichen Vorgaben in § 1361b Abs. 1 Satz 2 BGB vorrangig zu berücksichtigen war (OLG Brandenburg vom 08.07.2010 - 9 WF 40/10, juris Rn. 10; MünchKomm/Weber-Monecke, BGB, 9. Auflage 2022, § 1361b Rn. 9; Johannsen/Henrich/Althammer/Dürbeck, Familienrecht, 7. Auflage 2020, § 1361b BGB Rn. 15) und den maßgeblichen Ausschlag für die Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin gab.

    Besondere Gesichtspunkte, die unter Berücksichtigung dieser Umstände gleichwohl eine von der Kostenaufhebung abweichende Kostenregelung erfordern oder rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Die Antragstellerin hat mit den gemeinsamen Kindern die Wohnung am 19.10.2020 verlassen und sich fast vier Monate Zeit gelassen, bis sie den einstweiligen Anordnungsantrag auf Wohnungszuweisung beim Amtsgericht Freiburg eingereicht hat. Daher ist es durchaus nachvollziehbar, dass der in der Wohnung verbliebene Antragsgegner seine Lebensgefährtin mit ihren im Wechselmodell betreuten Kindern hat einziehen lassen und sich im Hinblick auf den Zeitablauf zunächst weigerte, die Ehewohnung zu verlassen. Dies gilt umso mehr, als auch für das Jugendamt - wie ausgeführt - keine Präferenz bestand, wer künftig in der Wohnung leben soll. Für eine Kostenaufhebung im Rahmen der Billigkeitsentscheidung spricht ferner, dass der Antragsgegner die Entscheidung in der Hauptsache gleichwohl akzeptiert hat und mit seiner Lebensgefährtin ausgezogen ist. Dies belegt, dass er das Wohl seiner Kinder berücksichtigt und erkannt hat, dass der Erhalt ihres bisherigen Lebensmittelpunkts mit ihrem sozialen Umfeld hohe Bedeutung zukommt.

    III.

    Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 69 Abs. 4, 84, 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Es entspricht auch im Beschwerdeverfahren der Billigkeit, dass die Gerichtskosten von den Beteiligten jeweils zur Hälfte getragen und die außergerichtlichen Kosten nicht erstattet werden. Zur Begründung wird insoweit auf die Ausführungen zur erstinstanzlichen Kostenentscheidung verwiesen.

    Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 40 Abs. 1 Satz 2, 41 FamGKG. Maßgeblich ist die mit der vom Antragsgegner angestrebten Kostenaufhebung verbundene Kostenersparnis in Form der gegnerischen Anwaltskosten und der hälftigen Gerichtsgebühren, jeweils aus dem Verfahrenswert von 1.500 €.

    RechtsgebieteEhewohnungssache, KostenrechtVorschriften§ 81 Abs. 1 S. 1, § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, § 1361b Abs. 2 S. 1 BGB