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  • 15.12.2022 · IWW-Abrufnummer 232833

    Oberlandesgericht Zweibrücken: Beschluss vom 17.10.2022 – 4 U 92/22

    Zu den Organisationspflichten des Prozessbevollmächtigten, der einen Rechtsanwalt aus einer anderen Kanzlei mit der Erstellung einer fristgebundenen Rechtsmittelbegründung beauftragt.


    Oberlandesgericht Zweibrücken

    Beschluss vom 17.10.2022


    In dem Rechtsstreit
    K. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer
    - Klägerin und Berufungsklägerin -
    Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...
    gegen
    M. H., ...
    - Beklagte und Berufungsbeklagte -
    Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...

    wegen Urheberrechtsverletzung durch Filesharing

    hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts xxx, den Richter am Landgericht xxx und den Richter am Oberlandesgericht xxx am 17.10.2022 beschlossen:

    Tenor:

    1. 1.Der Antrag der Klägerin vom 22.09.2022 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung ihrer Berufung gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 06.07.2022 wird abgelehnt.
    2. 2.Die Berufung der Klägerin gegen das vorgenannte Urteil wird als unzulässig verworfen.
    3. 3.Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
    4. 4.Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.583,60 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten um Ansprüche aus Urheberrechtsverletzung, deren sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten berühmt.

    Die Klägerin begehrt Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung der von ihr eingelegten Berufung gegen das klageabweisende Urteil erster Instanz.

    Durch das der Klägerin am 07.07.2022 zugestellte Urteil vom 06.07.2022 - 6 O 91/19 hat das Landgericht Frankenthal (Pfalz) die unter anderem auf Schadensersatz nach behaupteter Urheberrechtsverletzung gerichtete Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat die Klägerin am 11.07.2022 Berufung eingelegt. Durch Verfügung des stellvertretenden Senatsvorsitzenden vom 09.09.2022 ist die Klägerin auf das Verstreichen der Frist zur Berufungsbegründung hingewiesen worden. Mit am 22.09.2022 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der anwaltlich versicherten Begründung beantragt, die Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist sei krankheitsbedingt unverschuldet; wegen des Vorbringens dazu im Einzelnen wird auf den Wiedereinsetzungsantrag nebst Anlagen verwiesen .

    Mit am selben Tag eingegangenen Schriftsatz vom 07.10.2022 hat die Klägerin ihre Berufung begründet.

    Die Klägerin beantragt,

    den Beklagten zu verurteilen,

    a)
    an die Klägerin einen Betrag von EUR 984,60 nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.03.2014 zu zahlen;

    b)
    an die Klägerin einen weiteren Betrag von EUR 4.599,00 nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.03.2014 zu zahlen.

    Der Beklagte wendet sich gegen das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin.

    Auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen Bezug genommen.

    II.

    Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig (§ 234 ZPO); in der Sache führt er jedoch nicht zum Erfolg.

    Die Prozessbevollmächtigten (in eigener Diktion: Hauptbevollmächtigten) der Klägerin haben die Frist zur Berufungsbegründung schuldhaft versäumt, was sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Ob für die Versäumung der Frist daneben auch ein Verschulden des von den Prozessbevollmächtigten mit der Fertigung des Entwurfs einer Berufungsbegründung (unter-) beauftragten und vor Fristablauf erkrankten Rechtsanwalts H. mitursächlich geworden ist, kann dahingestellt bleiben.

    Der im Rechtsstreit mandatierte Rechtsanwalt muss dafür Sorge tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz nicht nur rechtzeitig hergestellt wird, sondern auch fristgerecht bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmitteleinlegungs- und Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig zur Bearbeitung vorgelegt werden, sondern auch durch organisatorische Maßnahmen zuverlässig gewährleisten, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen.

    Daran ändert sich nichts, wenn der mit der Prozessvertretung mandatierte Rechtsanwalt, wie nach dem Vorbringen der Klägerin im Streitfall geschehen, den Auftrag zur Fertigung (eines Entwurfs) der Berufungsbegründung im Rahmen einer Kooperation an einen anderen Rechtsanwalt aus einer anderen Kanzlei (in der Diktion der Klägerin: Unterbevollmächtigten) erteilt. Denn ein solches "Outsourcing" der Rechtsmittelbegründung entpflichtet den "hauptbevollmächtigten" und als solcher für die Einhaltung von Fristen weiterhin in erster Linie selbst verantwortlichen Rechtsanwalt nicht davon, vor Fristablauf rechtzeitig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob von dem "Unterbevollmächtigten" überhaupt ein Entwurf der Rechtsmittelbegründung übermittelt worden ist und, bejahendenfalls, ob er diesen Entwurf als Prozessbevollmächtigter inhaltlich selbst (unverändert) verantworten, mit seiner eigenen Unterschrift/Signatur versehen und dann als Berufungsbegründung fristwahrend bei Gericht einreichen will. Hierzu bedarf es der Organisation einer Fristenkontrolle bei dem "Hauptbevollmächtigten", welche diesen überhaupt in die Lage versetzt, den Fristenlauf weiter selbst im Blick zu halten und welche sicherstellt, dass der Prozessbevollmächtigte der ihn weiterhin im Außenverhältnis (gegenüber dem eigenen Mandanten und dem Prozessgericht) treffenden Pflicht zur Fristwahrung zuverlässig genügen kann.

    Vorliegend ist nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin davon auszugehen, dass ihre Prozessbevollmächtigten die sie treffenden vorstehend dargestellten anwaltlichen Pflichten zur Wahrung der Berufungsbegründungsfrist schuldhaft verletzt haben.

    Denn nach der Darstellung in dem Wiedereinsetzungsantrag hat in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach der Erteilung des Auftrags zur Vorbereitung einer Berufungsbegründung durch den Rechtsanwalt H. überhaupt keine Fristenkontrolle in Bezug auf die zu wahrende Berufungsbegründungsfrist mehr stattgefunden, weil sich die "Hauptbevollmächtigten" insoweit - zu Unrecht - nicht in der Pflicht sahen ("Der Unterzeichner bzw. die Hauptbevollmächtigten hatten weder Anlass noch Möglichkeit die Fristversäumnis des Kollegen H. zu erkennen oder zu verhindern").

    Mindestens geboten gewesen wäre jedoch die Organisation einer Fristenkontrolle, welche gewährleistet hätte, dass dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt aus der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Berufungssache rechtzeitig vor Fristablauf, spätestens also vor Ende des Arbeitstages 07.09.2022, vorgelegt worden wäre. Dann wäre aufgefallen, dass von dem Auftragnehmer Rechtsanwalt H., aus welchen Gründen auch immer, bis dahin noch kein Entwurf einer Rechtsmittelbegründung geliefert worden war und die Hauptbevollmächtigten hätten auf diesen Umstand noch fristwahrend reagieren können - und sei es durch einen Antrag gegenüber dem Senat auf (erstmalige) Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist, mit dessen Stattgabe ohne weiteres zu rechnen war.

    III.

    Da die Berufung somit nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO begründet worden ist, ist sie als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

    IV.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

    RechtsgebietFristenmanagementVorschriftenZPO § 233; ZPO § 85 Abs. 2