11.10.2022 · IWW-Abrufnummer 231707
Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 24.03.2022 – 15 W 89/22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Hamm
Tenor:
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 16.02.2022 und auf die Beschwerde des Beteiligten zu 5) vom 22.02.2022 gegen den Beschluss des Amtsgerichts ‒ Nachlassgericht ‒ vom 3.02.2022 ‒ in der Fassung durch den Beschluss vom 24.03.2022
beschlossen:
Unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerden wird der Geschäftswert für das Verfahren auf Einziehung des Erbscheins auf 328.555,00 Euro festgesetzt.
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Gründe:
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I.
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Auf den Antrag des Beteiligten zu 1) hatte das Amtsgericht unter dem 9.01.2018 einen Erbschein erteilt, der die Beteiligten zu 1) bis 4) als Erben zu je ¼ ausweist. Mit Beschluss vom 9.02.2018 hatte das Amtsgericht auf der Grundlage des von dem Beteiligten zu 1) eingereichten Wertfragebogens den Geschäftswert für die nach § 79 GNotKG zu erhebenden Gebühren auf 328.555,00 € festgesetzt.
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Mit Schriftsatz vom 3.03.2021 hat der Beteiligte zu 1) die Einziehung des Erbscheins angeregt. Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind der Einziehung des Erbscheins entgegen getreten. Das Nachlassgericht hat daraufhin ein förmliches Verfahren eingeleitet und die Einziehung des Erbscheins mit Beschluss vom 19.11.2021 abgelehnt. Die Kosten des Einziehungsverfahrens einschließlich der den Beteiligten zu 2) bis 4) entstandenen außergerichtlichen Kosten hat es dem Beteiligten zu 1) auferlegt.
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Mit Beschluss vom 3.02.2022 hat das Nachlassgericht den Geschäftswert für das Einziehungsverfahren auf 336.400,00 € festgesetzt.
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Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 16.02.2022, mit der er eine Reduzierung des Werts auf 138.955,00 € erreichen will, und die aus eigenem Recht eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 5), mit der er eine Erhöhung des Geschäftswerts auf 775.000,00 € erreichen will.
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Mit Beschluss vom 24.03.2022 hat das Nachlassgericht der Beschwerde des Beteiligten zu 5) teilweise abgeholfen und den Geschäftswert nunmehr auf 561.400,00 € festgesetzt. Die weitergehenden Beschwerden hat es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
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II.
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Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist nach § 83 Abs. 1 GNotKG zulässig und in der Sache teilweise begründet. Sie führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen niedrigeren Festsetzung des Geschäftswerts.
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Die Beschwerde des Beteiligten zu 5) ist nach § 32 Abs. 2 RVG zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
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Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GNotKG ist der Geschäftswert für das Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins (Nr. 2) und für Verfahren zur Einziehung eines Erbscheins (Nr.3) jeweils der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls. Wertveränderungen nach diesem Zeitpunkt, die den Bestand des Nachlasses betreffen, bleiben außer Betracht (Korintenberg/Sikora, GNotKG, 22. Auflage, § 40 Rn.29; BeckOK KostR/Felix, 37. Ed. 1.4.2022, GNotKG § 40 Rn.57).
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Die im Zeitpunkt des Erbfalls zum Nachlass gehörenden Gegenstände hat der Beteiligte zu 1) in seinem Wertfragebogen vollständig angegeben. Das Nachlassgericht hat diese Gegenstände im Rahmen des Beschlusses vom 9.02.2018 zur Festsetzung des Geschäftswerts für das Erbscheinerteilungsverfahren bewertet und den Geschäftswert auf 328.555,00 € festgesetzt. Eine Abänderung dieses Beschlusses von Amts wegen nach § 79 Abs. 2 Satz 2 GNotKG kommt nicht mehr in Betracht, da seit der Erteilung des Erbscheins mehr als sechs Monate vergangen sind. Auch zulässige Rechtsmittel können gegen diesen Beschluss nicht mehr eingelegt werden.
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Das Verfahren auf Einziehung des Erbscheins ist ein selbständiges Verfahren, für das eine gesonderte Festsetzung des Geschäftswerts erfolgen kann. Der Geschäftswert für das Verfahren auf Einziehung des Erbscheins ist aber regelmäßig derselbe Wert wie bei der Erteilung (NK-GK/Claudia Greipl, 3. Aufl. 2021, GNotKG, § 40 Rn.31).
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Eine Ausnahme wird für den Fall angenommen, dass Erbschaftsgegenstände ersatzlos untergegangen sind (NK-GK/Claudia Greipl, a. a. O.). Dieses ist aber entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) nicht der Fall. Nach seinem Vortrag soll es über die Grundstücke eine „konkludente“ Teil-Erbauseinandersetzung gegeben haben. Die entsprechenden Grundstücke sind dadurch aber nicht ersatzlos untergegangen.
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Der Ansatz eines Geschäftswerts, der über demjenigen liegt, der für das Erbscheinerteilungsverfahren angesetzt worden, ist nur denkbar, wenn Nachlassgegenstände bei der Wertfestsetzung für das Erbscheinerteilungsverfahren nicht berücksichtigt worden sind. Der Beteiligte zu 1) hat aber die Grundstücke und auch den Anteil des Erblassers an der Gesellschaft (55 %) in den eingereichten Wertfragebögen korrekt angegeben und die Bewertung dem Nachlassgericht überlassen. Diese Bewertung hat das Nachlassgericht im seinem Beschluss vom 9.02.2018 vorgenommen und kann von dieser nicht abweichen, ohne dass es zu Wertungswidersprüchen kommt. Die von dem Beteiligten zu 5) eingereichten Unterlagen zum Wert der Immobilien beziehen sich zudem auf den Wert im Jahre 2022 und nicht auf den auch für das Einziehungsverfahren maßgeblichen Wert im Zeitpunkt des Erbfalls.
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Nach alledem war die Festsetzung des Geschäftswerts für das Einziehungsverfahren entsprechend der bestandskräftigen Festsetzung des Geschäftswerts für das Erteilungsverfahren vorzunehmen. Die amtsgerichtliche Festsetzung war dementsprechend abzuändern.
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Das Verfahren der Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts ist gebührenfrei. Eine Erstattung der Kosten findet nicht statt (§ 83 Abs. 3 GNotKG).
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