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  • 17.08.2021 · IWW-Abrufnummer 224110

    Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 05.11.2018 – 5 U 33/18

    Der Rechtsanwalt muss seinen Mandanten (hier im Hinblick auf eine arzthaftungsrechtliche Streitigkeit) zwar grundsätzlich auf die Möglichkeit einer Prozessfinanzierung durch einen Prozessfinanzierer hinweisen, jedoch nicht (jedenfalls nicht ohne entsprechenden Auftrag) prüfen und darüber informieren, welcher Prozessfinanzierer für den Mandanten besonders günstig ist. Von einem Rechtsanwalt kann nicht ohne gesonderten Auftrag erwartet werden, dass er umfangreiche Marktrecherchen betreibt und mehrere Prozessfinanzierer kontaktiert.


    Oberlandesgericht Köln


    Tenor:

    Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 24. Januar 2018 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‒ 25 O 205/16 ‒ gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

    Der Kläger erhält Gelegenheit, zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

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    Gründe:

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    I.

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    Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).

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    Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann von den Beklagten keinen Schadensersatz wegen einer Verletzung des anwaltlichen Beratungsvertrages gemäß §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB oder gem. § 667 BGB verlangen.

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    Solche Ansprüche scheitern dabei nicht daran, dass bereits Verjährung eingetreten wäre. Denn erst mit Abschluss des Arzthaftungsprozesses durch Urteil des Landgerichtes Koblenz vom 17.12.2014 konnte der Kläger erkennen, ob er obsiegt hatte und seinen Erlös mit dem Prozessfinanzierer nach Quote teilen musste; im Falle des Prozessverlustes hätte er keine Kosten tragen müssen. Er konnte also erst nach Prozessabschluss erkennen, ob ihm ein Schaden entstanden war, so dass die Klageerhebung im Jahr 2016 in unverjährter Zeit erfolgte.

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    Die im Einzelnen erhobenen Ansprüche stehen dem Kläger jedoch aus anderen Erwägungen nicht zu.

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    1. Anspruch auf Zahlung von 22.474,78 €

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    a. Soweit die Berufung die Auffassung vertritt, die Beklagten hätten aufgrund des anwaltlichen Beratungsvertrages die Verpflichtung gehabt, den Kläger auf die Möglichkeit einer günstigeren und zuverlässigeren Prozessfinanzierung, die eine Finanzierung unter Erfolgsbeteiligung von lediglich 30 % ermöglicht hätte, hinzuweisen, so besteht eine derart weitgehende Verpflichtung der Beklagten nicht.

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    aa. Soweit ersichtlich, sind zur Frage, inwieweit ein Rechtsanwalt über Möglichkeiten der Prozessfinanzierung beraten muss, bisher keine gerichtlichen Entscheidungen ergangen. Das Oberlandesgericht München hat sich in der Entscheidung vom 31.3.2015 ‒ 15 U 2227/14, NJW-RR 2015, 1333 ff lediglich mit der Frage befasst, inwieweit die Beteiligung eines Rechtsanwalts an einer Prozessfinanzierungsgesellschaft eine Umgehung des §§ 49 b BRAO darstellt, und hat in diesem Zusammenhang auch die Frage der Sittenwidrigkeit einer Erlösbeteiligung des Prozessfinanzierers von 50 % geprüft und verneint. In der Kommentarliteratur findet sich ebenfalls keine eingehendere Erörterung, wie weit Verpflichtungen des Anwaltes im Zusammenhang mit der Prozessfinanzierung gehen. Allgemein anerkannt ist, dass der Rechtsanwalt auf die grundsätzliche Möglichkeit der Prozessfinanzierung hinweisen muss, wobei sich diese Pflicht aus § 43 BRAO herleitet (Gaier/Wolf/Göcken (Zuck), Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2014, § 53 BRAO/16 BORA Rnr 18; Gerold/Schmidt (Müller-Rabe), RVG 23.Aufl. 2017, § 1 Rnr 159; Hartung/Schons/Enders (Enders), RVG 3.Aufl. 2017, § 1 Rnr 54,55). Im weiteren Schrifttum wird ebenfalls einhellig vertreten, dass der Rechtsanwalt auf die Möglichkeit der Prozessfinanzierung hinweisen muss (Bräuer, AnwBl 2001, 112(113); Buschbell, AnwBl 2004, 435(435) und 2006, 825(826)). Soweit diese beiden Autoren weiter postulieren, der Anwalt müsse bei der Auswahl des geeigneten Prozessfinanzierers und der Prüfung des konkreten Finanzierungsvertrags den Mandanten beraten, sind sie dazu jedoch auch der Auffassung, dass dies eine zusätzliche und auch zusätzlich zu vergütende Angelegenheit sei (Bräuer, Buschbell jeweils a.a.O.).

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    bb. Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Beklagten auf die grundsätzliche Möglichkeit der Prozessfinanzierung hingewiesen haben. Sie haben weiterhin einen Prozessfinanzierer vorgeschlagen und die Antragstellung bei diesem Prozessfinanzierer übernommen. Schließlich ergibt sich aus der zwischen den Parteien zum Thema Prozessfinanzierung gewechselten Korrespondenz, dass dem Kläger und seiner Ehefrau bekannt war, dass weitere Unternehmen Prozessfinanzierung anbieten, dass insoweit in der allgemeinen Bewerbung dieser Prozessfinanzierer Erlösbeteiligungen von unter 40 Prozent angeboten werden, und dass die Beklagten nicht bereit waren, hier selbst Marktrecherchen vorzunehmen oder Kontakt zu anderen Anbietern aufzunehmen, sondern einen anderen als den von ihnen vorgeschlagenen Prozessfinanzierer vielmehr erst dann kontaktieren würden, wenn hierzu ein konkreter Vorschlag durch den Kläger erfolge (Schreiben vom 10.02.2011, Anlage B 6).

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    Nach Auffassung des Senates hatten die Beklagten keine weitergehende Verpflichtung, für den Kläger einen günstigeren Prozessfinanzierer zu suchen. Wie aus dem Akteninhalt ersichtlich ist, war jedenfalls bei dem tatsächlich ausgewählten Prozessfinanzierer ein umfangreicher Prüfprozess der Finanzierungszusage vorgeschaltet; ein ebenso kompliziertes ‒ oder gar noch aufwändigeres - Verfahren wird von dem vom Kläger nunmehr favorisierten Prozessfinanzierer A AG einer Finanzierungszusage vorangestellt. Es ist davon auszugehen, dass derartige Prüfungsverfahren branchenüblich sind und zudem nicht jeder Finanzierungsantrag auch zu einer Übernahme der Finanzierung führt (vergleiche Buschbell, AnwBl 06, 825(826) m.w.N.). Vor dem Hintergrund dieses erheblichen Aufwandes, der zur Sicherstellung einer Finanzierung zu betreiben ist, kann von einem Rechtsanwalt nicht ohne einen gesonderten Auftrag gefordert werden, dass er umfangreiche Marktrecherche betreibt und mehrere Prozessfinanzierer kontaktiert. Ein gesonderter, vergütungspflichtiger Auftrag ist vom Kläger jedoch unstreitig nicht erteilt worden. Im Rahmen des bestehenden Mandates haben die Beklagten ihre Hinweispflichten hinsichtlich der Möglichkeit und Auswahl eines Prozessfinanzierers erfüllt.

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    b. Soweit das Landgericht eine Pflichtverletzung darin sieht, dass die Beklagten bei Übersendung des Finanzierungsvertrages mit dem tschechischen Finanzierer nicht darauf hingewiesen hätten, dass sich die Erlösbeteiligung auch auf einen Feststellungsantrag bezieht, kann diese Frage letztlich dahinstehen. Denn für sich genommen hätte die Verletzung dieser Hinweispflicht keine kausale Schadensfolge gehabt. Bei der entsprechenden Vertragsklausel handelt es sich offenkundig um eine Standardklausel, die jedenfalls auch der vom Kläger favorisierte deutsche Finanzierer wortgleich benutzt. Dass die Möglichkeit bestanden hätte, bei einem entsprechenden Hinweis der Beklagten einen anderen Finanzierer zu finden, der diese Klausel nicht verwendet, ist vom Kläger weder vorgetragen, noch ist es ersichtlich.

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    c.

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    aa. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Beklagten ihre Pflicht aus dem Anwaltsvertrag verletzt haben, als sie den vom Kläger zu unterzeichnenden Finanzierungsvertrag übersandten, ohne auf den nunmehr 50 % betragenden Erlösanteil hinzuweisen, der von dem in der Vorkorrespondenz von den Beklagten stets in Aussicht gestellten 40 %, denen der Kläger explizit vorab zugestimmt hatte, abwich. Diese Abweichung vom vorher Besprochenen war erheblich; wenn auch der Kläger selbst Vertragspartner des Prozessfinanzierers geworden ist und den Vertragstext vor Unterschrift lesen musste ‒ und unstreitig auch gelesen hat ‒, mussten die Beklagten doch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass ein Mandant ein Vertragsdokument, welches ihm sein Anwalt, der sein uneingeschränktes Vertrauen genießt, übersendet, ohne nähere Prüfung unterzeichnet in dem Glauben, es entspreche exakt den Vorbesprechungen. Sie hätten deshalb auf die doch erhebliche Abweichung der Quote hinweisen müssen.

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    bb. Der Kläger hat jedoch nicht bewiesen, dass ihm durch diese Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist. Im Falle einer behaupteten Hinweispflichtverletzung des Anwaltes muss der Mandant beweisen, dass der Rechtsanwalt seiner Hinweispflicht nicht genügt hat. Er muss weiterhin den Schaden darlegen und beweisen (vgl. Gerold/Schmidt RVG (Müller-Rabe) § 1 Rnr 174, 175).

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    An einer substantiierten Darlegung des Schadens fehlt es bereits. Es ist nicht vorgetragen, dass der Kläger, hätten die Beklagten ihn auf die Erhöhung der Erfolgsprämie hingewiesen, den Vertrag nicht unterzeichnet hätte. Da der Kläger den Vertrag unstreitig gelesen und in Kenntnis der 50 %-Quote unterzeichnet hat, wäre dieser Vortrag auch nicht plausibel. Selbst wenn man dies anders sehen wollte und den Vortrag des Klägers, er hätte in diesem Falle bei der A AG einen Vertrag zu der günstigeren Quote von 30 % abgeschlossen, als ausreichend substantiiert ansehen wollte, hätte der Kläger nicht bewiesen, dass ihm ein Schaden entstanden ist. Denn durch die Vernehmung des Zeugen Dr. B ist, wie das Landgericht zu Recht ausführt, lediglich bewiesen, dass der für die Vorbereitung der Entscheidung des Finanzierungsausschusses zuständige Zeuge den Fall nicht sofort abgelehnt hätte, sondern ihn dem internen medizinischen Gutachter zur Stellungnahme weitergeleitet hätte. Es ist hingegen völlig offen, welches Fazit dieser Sachverständige aus den divergierenden Gutachten und Behandlungsunterlagen gezogen hätte. Auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des Landgerichtes kann insoweit vollumfänglich Bezug genommen werden.

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    cc. Das Landgericht hat es auch nicht etwa verfahrensfehlerhaft unterlassen, dem Kläger nach Vernehmung des Zeugen Dr. B Gelegenheit zur Benennung des internen Sachverständigen der A AG zu geben. Selbst ein Beweisantritt in Form der namentlichen Benennung des (neuen) Zeugen unter Angabe der ladungsfähigen Anschrift wäre zu diesem Zeitpunkt gem. § 296 I ZPO verspätet gewesen; Veranlassung, dem Kläger Zeit für die Ermittlung des Zeugen zu geben, bestand umso weniger.

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    Auch in zweiter Instanz hat der Kläger den Zeugen nicht ordnungsgemäß benannt, so dass kein ordnungsgemäßer Beweisantritt vorliegt und es einer Prüfung gem. § 531 II ZPO nicht bedarf.

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    2. Anspruch auf Zahlung von 574,77 €

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    Der Kläger kann keine Zahlung von 574,77 € von den Beklagten aufgrund einer Pflichtverletzung des anwaltlichen Beratungsvertrages verlangen. Es ist unstreitig geblieben, dass die Beklagten diesen Betrag, der für ein weiteres Privatgutachten des Prof. C entstanden war (Rechnung Anlage B 17), bereits mit Schreiben vom 12.11.2014 gegenüber dem im Arzthaftungsprozess verklagten Krankenhaus geltend gemacht hatten. Es ist daher schon fraglich, ob der Kläger diesen Betrag nicht bereits von dritter Seite erhalten hat. Jedenfalls war es vor dem Hintergrund der zeitlichen Abläufe ‒ Geltendmachung des Betrages gegenüber dem Schädiger im November 2014, Abrechnung mit Prozessfinanzierer im Frühjahr 2015 ‒ nicht fehlerhaft, dass die Beklagten diese von ihnen bereits anderweitig geltend gemachten Kosten nicht gegenüber dem Finanzierer als vorab abzuziehende Kosten erneut einwandten.

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    Im Übrigen ist der Einwand der Beklagten, der Kläger hätte diesen Betrag unproblematisch im von dem Prozessfinanzierer gegen ihn geführten Auskunfts- und Zahlungsprozess im Wege der Aufrechnung geltend machen können und habe daher ein überwiegendes Mitverschulden am eventuellen Entstehen eines Schadens gem. § 254 BGB, stichhaltig und würde einen etwaigen Schadensersatzanspruch ebenfalls zu Fall bringen.

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    3. Anspruch auf Zahlung von 684,25 €

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    Die Auffassung des Klägers, die Beklagten hätten zu Unrecht von dem durch die im Arzthaftungsprozess Beklagten auf die Verurteilung im Tenor zu Ziffer 2) gezahlten 1.368,50 € einen hälftigen Betrag von 684,25 € an den Prozessfinanzierer ausgezahlt, ist nicht zutreffend. Bei dem vom Landgericht Koblenz zugesprochenen Betrag für die Kosten des vorgerichtlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. C handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch in Form von notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung. Zu den Kosten des Rechtstreits, die von der quotalen Aufteilung zwischen Kläger und Finanzierer ausgenommen waren und vielmehr vorab an den Verauslagenden zu erstatten waren, zählte das Privatgutachten hingegen nicht. Es ist auch nicht von den in § 4 c des Finanzierungsvertrages spezifizierten Kosten umfasst, da das Gutachten vor Abschluss des Finanzierungsvertrages in Auftrag gegeben und bezahlt wurde. Soweit der Kläger das Schreiben der Beklagten vom 30.5.2011 (Anlage K 13) mit der Formulierung : „…so würde wohl der Prozessinvestor das gerichtliche Verfahren finanzieren, er würde auch, so haben wir ihn verstanden, die Kosten des Prof. C übernehmen“ als fehlerhafte Beratung werten, so bedarf dies keiner Entscheidung. Denn der Kläger hat bereits nicht dargelegt, dass ihm kausal daraus ein Schaden entstanden ist, insbesondere, dass ein anderer ‒ welcher? ‒ Prozessinvestor diese Kosten übernommen hätte. Die von Klägerseite vorgelegten Bedingungen der A AG entsprechen exakt der des tschechischen Unternehmens und hätten nicht zu einem anderen Ergebnis geführt.

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    II.

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    Bei dieser Sachlage gibt die Berufung zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt keine Veranlassung. Die Rechtssache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO); eine mündliche Verhandlung erscheint unter Berücksichtigung aller weiteren Aspekte des Rechtsstreites auch aus sonstigen Gründen nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).

    RechtsgebietAnwaltshaftungVorschriften§§ 280, 611, 652 BGB