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  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    nicht gegen alle gerichtlichen Entscheidungen gibt es ein Rechtsmittel. In vielen Rechtsgebieten muss eine Berufung oder Revision erst zugelassen werden. Wenn das Ausgangsgericht dies nicht tut, müssen Sie den Weg über die Nichtzulassungsbeschwerde gehen.

     

    Dabei habe ich immer öfter den Eindruck, als scheuen sich viele Gerichte, ein Rechtsmittel zuzulassen. Nicht alle Richter sind so souverän, ein Rechtsmittel zuzulassen, wenn eine Rechtsfrage noch nicht entschieden ist. Sie akzeptieren dann auch eine anderslautende Entscheidung der nächsten Instanz. Die entscheidenden Gerichte stellen oftmals hohe Hürden für eine Zulassung auf. Doch diese Praxis ist verfassungsrechtlich bedenklich, denn sie kann gegen das Gebot des effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG, verstoßen.

     

    Und wenn die Gerichte es wieder einmal übertreiben, greift das BVerfG ein: Der Beschluss vom 21.2.25, 1 BvR 2267/23 ist nicht der erste Fall (s. auch BVerfG 30.6.05, 1 BvR 2615/04), aber ein sehr anschauliches Beispiel: Ein Bürger hatte eine Steuerregelung als verfassungswidrig (Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 GG) beanstandet. Das FG sah dies nicht und lies die Revision nicht zu. Der BFH wollte sich augenscheinlich mit dem Fall nicht befassen. Der Bürger habe nicht nachgewiesen, dass eine normverwerfende Entscheidung zu einer für ihn vorteilhaften rückwirkenden Neuregelung des Gesetzes oder zumindest zu einer Übergangsregelung für alle noch offenen Fälle führen werde.

     

    Dies war dann den Verfassungsrichtern doch zu viel ‒ zu Recht. Sie hoben den Nichtzulassungsbeschluss des BFH auf: Wie soll der Bürger prognostizieren, wie das BVerfG eventuell entscheidet? Die Richter können ein Gesetz für nichtig erklären, es als verfassungswidrig ansehen und dann auch Übergangsfristen für eine Neuregelung formulieren. Der Kläger muss den Ausgang und seine Folgen in dem Zulassungsantrag nicht darlegen. Es ist nicht gerechtfertigt, vom Bürger mehr zu verlangen, als es das BVerfG von Gerichten verlangt, die eine Richtervorlage formulieren. Daher erschwert der Beschuss des BFH den Zugang zur Revision unzumutbar und überspannt die Anforderungen an die Begründung.

     

    Lesenswert sind auch die Ausführungen im Verfahren des BVerfG vom 18.6.19, 1 BvR 587/17, in dem das Gericht völlig zu Recht kritisiert, dass es unzulässig ist, für die Begründung eines Zulassungsantrags die gleichen Anforderungen zu stellen, wie für das eigentliche Rechtsmittelverfahren.

     

    Es ist gut, dass die Verfassungsrichter immer wieder ein Auge auf überspannte Anforderungen werfen und erfolgreiche Verfassungsbeschwerden dann mit einer Pressemitteilung versehen, damit sie eine entsprechende Aufmerksamkeit erfahren.

     

    Mit besten kollegialen Grüßen

     

    Ihr Martin W. Huff

    Quelle: Ausgabe 05 / 2025 | Seite 2 | ID 50358554