Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Personal

    Ausbildungsbeginn 9/2023: Haben Sie Ihre Auszubildenden belehrt?

    von Christian Noe B. A., Göttingen

    | Die anwaltliche Schweigepflicht gilt auch für das Kanzleipersonal. Aber welcher Auszubildende weiß davon schon, wenn er seine Lehre beginnt? Anwälte müssen daher ihre Auszubildenden hierüber belehren und auch darauf achten, was die jungen Berufsstarter erledigen. Den Anwalt treffen insofern hohe Prüfungs- und Überwachungspflichten, die auch den Umgang mit Social-Media-Kanälen und den digitalen Anwaltspostfächern betreffen. |

    1. Auszubildende dürfen Fristen nicht selbstständig kontrollieren

    Gerichte betonen es immer wieder: Auszubildende dürfen die Fristenkontrolle grundsätzlich nicht bzw. nur dann erledigen, wenn sie dabei von geeigneten Bürokräften überwacht werden oder wenn ihre Arbeit anschließend kontrolliert wird (BFH 17.11.15, V B 56/15, Abruf-Nr. 182794). Darüber hinaus hat der BGH wiederholt klargestellt: Der Anwalt muss bei Fristen, die er nicht selbst berechnet, durch allgemeine Anweisungen sicherstellen, dass sein Büropersonal nicht eigenmächtig im Kalender eingetragene Fristen ändert oder löscht (BGH 20.4.20, VI ZB 49/19, Abruf-Nr. 215833).

    2. Anwälte selbst oder qualifizierte Mitarbeiter müssen belehren und kontrollieren

    Neue Auszubildende sind über die Schweigepflicht zu belehren. Sie dürfen ‒ wie das Büropersonal ‒ keinerlei Dritten (auch nicht Familienangehörigen, Freunden etc.) mandatsbezogene Informationen mitteilen und diese nicht in sozialen Netzwerken oder über Messenger-Dienste verbreiten. Viele Azubis tauschen sich untereinander über fachliche Fragen aus und denken sich nichts dabei, eine abfotografierte Seite aus der Akte mitzuschicken. Daher sollten Anwälte grundsätzlich auch belehren, dass keinerlei mandatsbezogenes Aktenmaterial oder Bürofotos gepostet werden dürfen, auf denen vielleicht Parteibezeichnungen (Ordnerrücken), Bildschirmtexte oder Ähnliches erkennbar sind. Zudem fallen Einzelanwälten, die ohne Kollegen und qualifiziertes Personal eine Kanzlei führen, allein die Belehrungs- und Kontrollpflichten der Tätigkeiten ihrer Auszubildenden zu. Gerade hier drängt sich eine Vertretungsregelung geradezu auf, um auf Krankheitsfälle oder sonstige Umstände vorbereitet zu sein (BGH 28.5.20, IX ZB 8/18, Abruf-Nr. 216378). Dass und worüber Auszubildende genau belehrt wurden, sollten Sie schriftlich fixieren. Ebenso ist die Kenntnisnahme zu dokumentieren (lassen Sie die Belehrung gegenzeichnen!).

     

    PRAXISTIPP | Viele Juristen führen ein Profil auf Instagram. Begleitend hat sich ein Trend entwickelt, dort Büro- und Gerichtsfotos oder geschwärzte Akteninhalte zu veröffentlichen. Auch hier sind Schweigepflicht und Haftungsfragen zu beachten. Das ist keine Aufgabe, die einfach an Azubis delegiert werden kann. „Juristen sollten genau wissen, was auf ihren Social-Media-Kanälen passiert. Anwälte können das Posten von Akteninhalten komplett untersagen oder aber auch in einer Anweisung festhalten, ob und wann geschwärzte Dokumente veröffentlicht werden. Das sollte der Anwalt in jedem Einzelfall selbst überwachen und sich bestenfalls auch das Bild zeigen lassen, das verwendet werden soll“, so Rechtsanwalt Alexander Metzler.

     

    3. Aufgepasst: Das beA bleibt spezifische Fehlerquelle in Kanzleien

    Die früheren Fehlerquellen beim Telefaxversand sind neuen Problemen bei der digitalen Übermittlung von Schriftsätzen gewichen. Seit 21 Monaten gilt nun die beA-Nutzungspflicht und begleitend hat sich eine umfassende Rechtsprechung zu Bedienfehlern, technischen Ausfällen oder gekappten Internetverbindungen entwickelt (BGH 29.9.21, VII ZR 94/21, Abruf-Nr. 225519; 24.5.22, XI ZB 18/21, Abruf-Nr. 229946).

     

    Sie sollten Ihren Auszubildenden von Beginn an den technischen Aufbau und die Funktionen des beA sowie die notwendigen Prüfungspflichten vermitteln, die in der aktuellen Rechtsprechung kontinuierlich fortentwickelt werden. Es spielt keine Rolle, wenn Auszubildende zunächst nicht direkt selbst mit dem beA arbeiten. Lassen Sie die Berufsstarter konkrete Arbeitsschritte mit dem beA mitverfolgen, erklären Sie Bildschirmansichten und wie man typische Probleme und Fehlfunktionen behebt. Als begleitende Lektüre empfiehlt sich die AK-Arbeitshilfe (beA von A bis Z: Zeit- und kostensparend organisieren und arbeiten, Abruf-Nr. 48397161). Ebenso hat es bereits Fälle gegeben, in denen Anwälte sogar gesetzeswidrig Auszubildenden ermöglichten, mit beA-Karte samt PIN Dokumente aus dem höchstpersönlichen Anwaltspostfach zu verschicken (AK 22, 169). Das BSG hat klar darauf hingewiesen, dass der Anwalt dem Gericht gegenüber erläutern muss, wie er in seiner Kanzlei Auswahl, Schulung und Überwachung der Auszubildenden organisiert, wenn es zu Bedienfehlern beim beA kommt (14.7.22, B 3 KR 2/21 R).

     

    PRAXISTIPP | Schriftlich zu dokumentieren, wann und wie in der Kanzlei ausgebildet wird, kann im Einzelfall entscheidend sein, um eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erreichen. Diese Dokumentation kann monatlich auch vom Kanzleipersonal geführt werden. Der Anwalt muss jeweils prüfen, ob die Aufzeichnungen inhaltlich korrekt und aussagekräftig sind.

     

    Beachten Sie | In vielen Kanzleien werden per beA versandte Schriftsätze mangelhaft kontrolliert. Insoweit genügt bei fristgebundenen Schriftsätzen nicht, nur nachzuprüfen, dass die Versendung irgendeines Schriftsatzes mit dem passenden Aktenzeichen an das Gericht erfolgt ist. Vielmehr ist stets zu prüfen, welcher Art der Schriftsatz war (AK 23, 114).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Musterformulierung „Fristen: Arbeitsanweisung an das Personal“, iww.de/ak, Abruf-Nr. 42249377
    • Wer unnötig wartet, prüft nicht „zeitnah“, AK 22, 146
    • Sprache in Wort und Schrift: Prüfen Sie während der Probezeit, ob das Ausbildungsziel erreicht wird, AK 21, 30
    • Auszubildende mit Prüfungsaufgaben vorbereiten, AK 20, 20
    • Anwaltsblatt 22, 661: Als Anwältin oder Anwalt eigene ReFas ausbilden: Das muss richtig angegangen werden
    Quelle: ID 49615447