· Fachbeitrag · Feiertage
11 rechtliche Irrtümer und Mythen zum Karneval
von RAin Heike Mareck, Dortmund, www.kanzlei-mareck.de
| In vielen Bundesländern ist der Karneval bzw. Fasching eine Zeit, in der einige Arbeitnehmer feiern wollen. Der Beitrag räumt mit den größten arbeitsrechtlichen Irrtümern und Mythen rund um den Karneval auf und gibt Tipps für den Arbeitgeber. |
Urlaubsanspruch in den Karnevalshochburgen
Einen „allgemeinen Anspruch auf Arbeitsbefreiung“ gibt es nicht, auch nicht in den Faschings- und Karnevalshochburgen. Rosenmontag und/oder Faschingsdienstag sind auch dann keine Feiertage, wenn sie regional immer gefeiert werden. Daher entscheidet der Arbeitgeber, ob er den Rosenmontag als normalen Arbeitstag oder als zusätzlichen bezahlten „Feiertag“ behandelt. Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht (so LAG Köln 25.4.13, 7 TaBV 77/12, Abruf-Nr. 171039). Ein erzwingbarer Anspruch auf Arbeitsbefreiung ist nur durch Vereinbarung möglich, z. B. im Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder durch betriebliche Übung. So entschied das Arbeitsgericht Köln (7.10.09, 2 Ca 6269/09) für den Rosenmontag, dass für diesen Tag ebenso wie für Weiberfastnacht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsbefreiung besteht (für Karnevalsdienstag: Bayerischer VGH 25.7.07, 17 P 05.3061).
An Karneval kann der Arbeitnehmer sich selbst beurlauben
Auch wenn am Rosenmontag der Urlaub nicht genehmigt wird, sollte der Arbeitnehmer sich nicht selbst beurlauben oder versuchen, diesen mit der Drohung zu erzwingen, er werde sonst an diesem Tag krank werden. Auf diese Androhung des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber mit einer fristlosen Kündigung reagieren (BAG 12.3.09, 2 AZR 251/07, Abruf-Nr. 093717).
Arbeitgeber muss stets der ganzen Belegschaft freigeben
Die Gewährung arbeitsfreier Tage an Karneval muss nicht für die gesamte Belegschaft gelten. In der Regel werden nicht alle Mitarbeiter in allen Standorten innerhalb Deutschlands freigestellt. Dies kann zwar zu einer Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer aus Karnevalsregionen und solchen, die keinen Brauchtum feiern, führen. Eine Ungleichbehandlung ist aber meist wegen der regionalen Unterschiede gerechtfertigt (vgl. VerwG Berlin 21.1.16, VG 62 K 19.15. PVL).
Arbeitnehmer ohne „Rosenmontagsurlaub“ müssen arbeiten
Für neue Arbeitnehmer findet eine im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltende betriebliche Übung Anwendung, auch wenn der freie Tag in den neuen Arbeitsvertrag nicht aufgenommen wurde. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die betriebliche Übung explizit im Arbeitsvertrag ausgeschlossen wurde.
Karneval-Fotos von Arbeitnehmer dürfen in das Intranet
Wer Fotos von Arbeitnehmern in Karnevalskostümen, zum Beispiel auf der Firmenwebseite oder Social-Media-Plattformen, veröffentlichen möchte, muss nach dem KUG die Einwilligung des Abgebildeten haben. Diese Zustimmung kann nach der DS-GVO vom Abgebildeten jederzeit widerrufen werden.
Wie viel Alkohol getrunken wird, entscheidet der Arbeitnehmer selbst
Ob während der Arbeitszeit Alkohol getrunken werden darf, legt der Arbeitgeber fest. Es handelt sich um eine Frage der Ordnung im Betrieb, egal, ob an Karneval oder zu anderen Gelegenheiten (BAG 13.2.90, 1 ABR 11/89). Beim Alkoholkonsum ist entscheidend, dass alle Arbeitnhemer die Pflicht haben, ihre Leistungsfähigkeit und Sicherheit am Arbeitsplatz nicht durch das Trinken von Alkohol zu beeinträchtigen. Sie unterliegen der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, einen arbeitsfähigen Zustand aufrecht zu erhalten.
Radiohören muss der Arbeitgeber dulden
Der Arbeitnehmer ist arbeitsvertraglich verpflichtet, die ihm übertragene Arbeit ordnungsgemäß zu erbringen. Er muss konzentriert sowie sorgfältig arbeiten und darf die Arbeit nicht unterbrechen, um privaten Interessen nachzugehen. Wenn die ordnungsgemäße Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch das Radiohören nicht beeinträchtigt ist, verletzt das Radiohören keine arbeitsvertraglichen Pflichten (BAG 14.1.86, 1 ABR 75/83). In Betrieben ohne Betriebsrat kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts das Radiohören untersagen. Besteht ein Betriebsrat kann eine solche Regelung nicht einseitig erfolgen, denn das Radiohören betrifft die Ordnung im Betrieb und ist daher mitbestimmungspflichtig (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).
Arbeitgeber muss Verkleidung der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zulassen
Auch an Karneval gibt es keinen Anspruch auf Verkleidung. Das BAG hat dem EuGH folgend („Kopftuch-Fall“, 15.7.21, C-804/18, C-341/19, Abruf-Nr. 225166) entschieden, dass ein Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern mit Außenkontakt erwarten kann, sich dem Charakter des Handelsgeschäfts und dessen Kundenstamm entsprechend branchenüblich zu kleiden. Gesetzlich vorgeschriebene Schutzkleidung darf auch während der närrischen Tage nicht gegen ein Karnevalskostüm getauscht werden.
Krawatte an Altweiber ab = Arbeitnehmer müssen es hinnehmen
Es ist ein gängiger Brauch, Männern an Weiberfastnacht die Krawatte abzuschneiden. Besonders in den Karnevalshochburgen haben sich die Arbeitgeber damit abgefunden. Wer dies nicht möchte, sollte an diesem Tag auf eine Krawatte verzichten oder eine „entbehrliche“ tragen. Das Abschneiden der Krawatte ist grundsätzlich eine Sachbeschädigung, gegen die man sich wehren darf. Das AG Essen (3.2.88, 20 C 691/87) entschied, dass das ungewollte Abschneiden einer Krawatte zur Schadenersatzpflicht führt.
Arbeitnehmer darf während der Arbeitsunfähigkeit feiern
Ein „genesungswidriges Verhalten“ muss der Arbeitgeber nicht dulden. Das sah auch das LAG Nürnberg (1.7.14, 7 Sa 498/13, Abruf-Nr. 233293) so: Der Arbeitnehmer war bereits seit Ende Januar wegen einer Grippe arbeitsunfähig erkrankt. Anfang Februar fand eine Faschingsveranstaltung im Freien statt, an der er bei Temperaturen von minus 5 Grad Celsius teilnahm. Er traf dort auf seinen Arbeitgeber. Dieser forderte ihn auf, am nächsten Tag zur Arbeit zu erscheinen. Dem kam der Arbeitnehmer nicht nach. Mit Schreiben vom folgenden Tag wies der Arbeitgeber ihn auf sein unkorrektes Verhalten hin und kündigte noch am selben Tag.
Die dagegen erhobene Klage wies das ArbG Weiden ab. Das übliche Attest des Arztes untersagte ihm ein Verlassen des Hauses oder geringe Freizeitbetätigung nicht. Es wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass Kälte oder Arbeitsbelastung zu vermeiden seien. Mit der Berufung begehrte der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis Ende Februar. Er sei warm angezogen gewesen, habe sich während des zweistündigen Aufenthalts auch in einer Gaststätte aufgewärmt. Hauptsächlich zu Beginn seiner Erkrankung habe er sich schonen sollen. Im Übrigen habe es einer vorherigen Abmahnung bedurft. Der Arbeitgeber sah vertragliche Rücksichtnahmepflichten verletzt und stufte das Verhalten als genesungswidrig ein.
Das LAG Nürnberg wies die Berufung zurück. Es nahm einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung an. Der Arbeitnehmer habe in schwerwiegender Weise gegen seine Rücksichtnahmepflicht verstoßen. Ob der Heilungsprozess durch den Besuch der Veranstaltung beeinträchtigt worden sei, lasse sich nicht mehr aufklären. Auch eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, weil der Arbeitnehmer trotz der Begegnung mit seinem Vorgesetzten keine Anstalten gemacht habe, die Feier zu verlassen. Dass der Arbeitnehmer entgegen der Aufforderung des Arbeitgebers am nächsten Tag ‒ der vorletzte der Krankschreibung ‒ nicht zur Arbeit erschienen sei, sei kein Kündigungsgrund. Er sei nicht verpflichtet gewesen, bereits einen Tag früher als attestiert, die Arbeitsfähigkeit wieder anzuzeigen.
Betriebliche Feier hat keinen Versicherungsschutz
Wenn die betriebliche Karnevalsfeier dem Betriebsklima dient und allen Betriebsangehörigen offensteht, sind die Arbeitnehmer während der Feier und auf dem Hin- und Heimweg gesetzlich unfallversichert. Entscheidend für den Unfallschutz ist allein, ob die Feier vom Willen des Arbeitgebers getragen ist (so allgemein BSG 26.6.14, B 2 U 7/13 R, Abruf-Nr. 142367). Unproblematisch ist dies, wenn die Betriebsfeier vom Arbeitgeber organisiert ist. Auch eine von der Belegschaft organisierte Feier kann vom Unfallschutz gedeckt sein. Entscheidend ist, dass die Feier mit dem Arbeitgeber abgesprochen ist. Man sollte im Vorfeld klären, was erlaubt ist und was nicht. Das Vorhandensein von Flüssigkeiten und die damit verbundene Gefahr des Ausrutschens oder der sonstigen Schädigung kann gerade im Karneval nicht komplett vermieden werden (OLG Köln 28.6.02, 19 U 7/02, Abruf-Nr. 030123) und begründet keine Ansprüche auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld.