Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Kommunikation (Teil 3)

    Anwaltliche Schreiben klar und einleuchtend verfassen: eindeutige Botschaft statt Satzungeheuer

    von Dr. Doortje Cramer-Scharnagl, Edewecht

    | Im Zusammenhang mit dem Merkmal „Ordnung“ in guten Texten haben Sie bereits erfahren, dass es in den meisten Fällen sinnvoll ist, wichtige Informationen an den Anfang eines Schriftstücks zu stellen. Die gleiche Regel gilt auch auf der Satzebene: Stellen Sie das an den Satzanfang, was in diesem Satz wichtig ist. So kann der Leser die Inhalte am schnellsten zuordnen, denn diese Satzordnung ist an der Arbeitsweise des Gehirns orientiert. AK berichtet, welche Kniffe Sie sonst noch auf der Satzebene anwenden können. |

    1. Gönnen Sie den Hauptsachen Hauptsätze

    Eigentlich sagen die Namen schon alles: Der Hauptsatz ist für Hauptsachen da, die Nebensätze für Nebensächlichkeiten. Auch dies entspricht wieder unserer natürlichen Sprachwahrnehmung und hilft deshalb beim Lesen und Verstehen. Doch so manche beliebte Formulierung zerstört dieses Prinzip. Durch Voranstellungen wie „Tatsache ist, ...“, „Festgestellt wurde, ...“ oder „Unstreitig ist, ...“ verschieben Sie die Hauptsache unweigerlich in den Nebensatz, der jeweils mit „dass“ eingeleitet werden muss. So wird das Wichtigste in der Wahrnehmung des Lesers zur Nebensache, der Text wird schwerer verständlich. Die Lösung: Lassen Sie die Einleitung weg. Hängt Ihr Herz allzu sehr daran, ist es besser, mit einem Doppelpunkt zu einem Hauptsatz für die Hauptsache überzuleiten:

     

    • Beispiel

    Tatsache ist, dass der Angeklagte zu schnell gefahren ist.

    (Tatsache ist:) Der Angeklagte ist zu schnell gefahren.

     

    PRAXISTIPP | Wenn Sie den wichtigsten Inhalt an den Anfang des Satzes bzw. in den Hauptsatz stellen, werden Sie manchmal bemerken, dass die jetzt hinten stehenden Details nebensächlich sind. Überprüfen Sie: Fehlt wirklich etwas Wichtiges, wenn Sie diese Details ganz weglassen? Vielleicht können Sie sie auch streichen und so Ihren Text noch weiter vereinfachen?

     

    2. Wie war das nochmal im Mittelteil?

    Vielleicht haben Sie schon einmal von der deutschen Verbklammer oder Satzklammer gehört. Dieser Begriff beschreibt eine deutsche Eigenheit, an der viele Fremdsprachler verzweifeln: mehrteilige Prädikate. Die Mehrteiligkeit entsteht durch Zeitformen (Wir haben … erläutert), durch Passivformen (Sie wurden … verurteilt), durch Modalverben (Er muss … zahlen) oder durch Verbzusätze (Sie lehnt … ab). Das Schwierige an der Satzklammer ist der Mittelteil, für den hier die Auslassungszeichen stehen. Denn dieses Mittelfeld ist im Deutschen im Umfang nicht beschränkt! Sie können es mit beliebig vielen, beliebig langen Satzgliedern füllen. Leider passiert das in juristischen Texten oft. Der Leser muss sich dann Zeile für Zeile durch den Satz arbeiten, bis nach gefühlten fünf Minuten durch den zweiten Teil des Prädikats klar wird, um was es überhaupt geht. Die Lösung: Ausklammern.

    3. Ausklammern

    Beim Ausklammern nehmen Sie Satzteile aus dem Mittelfeld heraus und stellen sie an eine andere Stelle, z. B. ans Ende des Satzes oder in einen eigenen Haupt- oder Nebensatz ‒ je nach Gewichtung. So kann der Leser das gesamte Prädikat mit beiden Teilen früher erfassen, denn sie stehen näher zusammen. Sie können mit diesem Trick das Ausgeklammerte sogar besonders betonen, indem Sie es mit „und zwar“ einleiten. Das Ausklammern hat übrigens den angenehmen Nebeneffekt, dass Sie mehr starke Verben einsetzen können und meist auch weniger Substantive brauchen ‒ also den Nominalstil vermeiden.

     

    Das Ausklammern funktioniert auch bei Attributen (Beifügungen), die man hervorragend durch Relativsätze oder ‒ wenn das Attribut sehr wichtig ist ‒ durch nachgestellte eigene Hauptsätze ersetzen kann. Auch dabei werden Sie das eine oder andere Mal bemerken, dass das Attribut eigentlich völlig unwichtig war. Dann streichen Sie es einfach.

     

    • Beispiel

    Es war in einer dem Kündigungsschreiben beiliegenden Stellungnahme des Betriebsrats ein handschriftlicher, nicht unterzeichneter Vermerk des Betriebsratsvorsitzenden enthalten.

    Beim Kündigungsschreiben lag eine Stellungnahme des Betriebsrats. Sie enthielt einen handschriftlichen Vermerk des Betriebsratsvorsitzenden. Der Vermerk war nicht unterzeichnet.

    Der Widerruf ist auf der gesetzlichen Grundlage des ... § xy möglich.

    Der Widerruf ist möglich, und zwar auf der gesetzlichen Grundlage des § xy. Dieser Paragraf …

    Sämtliche die außerordentliche Kündigung betreffenden Absprachen haben ausschließlich in schriftlicher Form zu erfolgen.

    Alle Absprachen, die die außerordentliche Kündigung betreffen, müssen schriftlich erfolgen.

     

    Beachten Sie | Auch nach der Ausklammerung müssen die Bezüge zwischen den Aussagen deutlich bleiben. Dabei helfen manchmal Passivformen. Denn in einem Passivsatz steht das Objekt vorne im Satz und das ist äußerst praktisch, wenn es die Hauptverbindung zum Satz davor darstellt: „Die Lärmbelästigung geht von dem Restaurant aus. Das Restaurant wurde 2018 gegründet.“ Hier haben wir also einen weiteren Grund, warum das Passiv nicht komplett verteufelt werden sollte, so wie es manche Schreibratgeber empfehlen.

    4. Untrennbare Verben verwenden

    Verursacht ein Verbzusatz das Problem, können Sie das trennbare durch ein untrennbares Verb ersetzen: „Sie lehnt … ab“ wird dann zu „Sie verweigert …“

     

    • Beispiele

    anfangen

    beginnen

    anrechnen

    verrechnen

    auslegen

    deuten, interpretieren, verstehen

    nachweisen

    bestätigen, beweisen

     

    5. Satzteile umstellen

    Im Deutschen gibt es die angenehme Möglichkeit, Satzteile umzustellen. Nutzen Sie diese Freiheit, um das mehrteilige Prädikat möglichst nah beisammen zu positionieren. Statt „Der Kläger lehnt das Angebot vor dem Hintergrund der … ab“ schreiben Sie „Der Kläger lehnt das Angebot ab vor dem Hintergrund der …“. Auch Subjekt und Prädikat bzw. Prädikat und Objekt sollten nicht zu weit voneinander entfernt stehen ‒ bringen Sie zusammen, was zusammengehört!

    6. „Entschachteln“

    Verwenden Sie pro Satz nur einen oder zwei Nebensätze. Aber vor allem: Schachteln Sie die Nebensätze nicht ineinander, denn das zerstört jegliches Textverständnis! Wenn Sie zu viele Nebensätze haben, können Sie vielleicht einige Nebensätze in weitere Hauptsätze verwandeln. Das geht besonders gut bei Relativsätzen mit wobei, wofür, worüber, weswegen oder was.

     

    • Beispiele

    Der Beklagte versicherte, dass er, sobald sich seine familiäre Lage, die sich derzeit äußerst problematisch darstelle, verbessert habe, die Rechnung des Klägers, die er voll anerkenne, zahlen werde.

    Der Beklagte versicherte, dass er die Rechnung des Klägers voll anerkenne. Er werde sie bezahlen, sobald sich seine familiäre Lage verbessert habe. Diese sei derzeit sehr problematisch.

    Der Beklagte erläuterte, dass er familiäre Probleme habe, was jedoch nicht der Wahrheit entspricht.

    Der Beklagte erläuterte, dass er familiäre Probleme habe. Dies entspricht jedoch nicht der Wahrheit.

     

    PRAXISTIPP | Setzen Sie in Ihren Satzgefügen Kommas richtig und sinnvoll ein, denn sie geben beim Lesen eine wichtige Hilfestellung. Wussten Sie, dass ein Komma auch zwischen zwei Hauptsätzen stehen darf, die mit „und“ verbunden sind? (Jedoch nicht bei so verbundenen Nebensätzen.) Auch vor erweiterten Infinitiven mit „zu“ ist ein Komma empfehlenswert („Ich empfehle, die Schuld anzuerkennen“). Viele meinen, es dürfe seit der Rechtschreibreform hier nicht mehr stehen ‒ das ist aber falsch. Es hilft Ihren Lesern!

     

    Weiterführender Hinweis

    • Anwaltliche Schreiben klar und einleuchtend verfassen: Einfachheit durch Worte und Wortformen: Cramer-Scharnagl, AK 19, 31
    Quelle: Ausgabe 03 / 2020 | Seite 52 | ID 46268924