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  • · Fachbeitrag · Anwaltliche Werbung

    So grenzen Sie zulässige Werbemaßnahmen von unzulässiger Schockwerbung ab

    von RA Stefan Schreiter, Berlin

    Anwaltliche Werbung muss dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung entsprechen. Die Grenzen zulässiger Werbung sind überschritten, wenn die Werbung darauf abzielt, gerade durch ihre reißerische und/oder sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass ein etwa vorhandener Informationswert in den Hintergrund gerückt wird oder gar nicht erkennbar ist (BGH 27.10.14, AnwZ (Brfg) 67/13, Abruf-Nr. 173157).

     

    Sachverhalt

    In dem vom Senat für Anwaltssachen zu entscheidenden Fall beabsichtigte der klagende Rechtsanwalt, Kaffeetassen als Werbeträger zu verwenden. Sie sollten mit verschiedenen Bildern und Textzeilen bedruckt werden, die er selbst als „Schockwerbung“ bezeichnete. Er bat die zuständige Rechtsanwaltskammer die berufsrechtliche Zulässigkeit der Werbemaßnahme zu beurteilen. Vor dem BGH waren noch drei Aufdrucke streitgegenständlich:

     

    • Eine Frau, die ein Mädchen auf das nackte Gesäß schlägt, mit dem daneben abgebildeten Text „Körperliche Züchtigung ist verboten.“
    • Ein Mann, der eine Frau auf das nackte Gesäß schlägt, mit der Aufschrift „Wurden Sie Opfer einer Straftat?“
    • Schließlich eine Frau, die sich eine Waffe unter das Kinn hält, versehen mit dem Slogan: „Nicht verzagen, R … fragen.“

     

    Die Rechtsanwaltskammer gab dem Anwalt auf, diese Werbung wegen Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht zu unterlassen. Hiergegen klagte der Anwalt. Der AGH wies die Klage als unzulässig ab: Die entsprechenden Bescheide der Rechtsanwaltskammer seien keine mit der Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakte. Der BGH ließ die Berufung hiergegen zu (21.1.14, AnwZ (Brfg) 67/13), Abruf-Nr. 144166). Im Berufungsverfahren wies er die zulässige Klage als unbegründet ab.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig, weil die Bescheide der Rechtsanwaltskammer anfechtbare Verwaltungsakte sind. Zwar ist eine reine Auskunft der Kammer nicht mit einem Rechtsbehelf angreifbar. Im konkreten Fall enthielten die Bescheide aber Regelungen des Einzelfalls. Sie stellten fest, dass die Werbung rechtswidrig ist und forderten den Rechtsanwalt zur Unterlassung auf. Die Klage ist allerdings unbegründet, da die Grenze der Sachlichkeit überschritten ist. Das Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, dass für Rechtsanwälte nicht jede Werbemethode erlaubt ist, die in der werbenden allgemeinen Wirtschaft noch hinzunehmen wäre. Der BGH verweist auf die Entscheidung des BVerfG vom 6.12.01 zur Schockwerbung der Firma Benetton (I ZR 284/00, Abruf-Nr. 144167).

     

    Nicht mit dem Sachlichkeitsgebot vereinbar ist eine Werbung, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt und mit der eigentlichen Leistung des Anwalts und dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun hat. Verboten werden kann eine Werbung, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens ist. Zwar darf ein Rechtsanwalt für seine Werbung auch Bilder und Fotografien verwenden, aber nur, wenn er die Grenze zulässiger Werbung einhält. Ansonsten besteht die Gefahr, die Rechtsanwaltschaft als seriöse Sachwalterin der Interessen der Rechtsuchenden zu beschädigen. Durch die erste oben angeführte Darstellung wird sogar die Annahme nahegelegt, bei einem Teil des Betrachterkreises solle sexuelles Interesse geweckt werden. Die dritte oben genannte Darstellung ist von unangemessener Ironisierung geprägt . Sie suggeriert eine umfassende Hilfe in allen denkbaren Lebenslagen, die ein Rechtsanwalt nicht leisten kann.

     

    Praxishinweis

    Die Grenzen zulässiger Werbung sind in Bewegung. Der Wettbewerbssenat des BGH entschied zuletzt, dass der Anwalt in Grenzen sogar auf einen potenziellen Mandanten aktiv zugehen und ihm seine Dienste anbieten darf (13.11.13, I ZR 15/12, Abruf-Nr. 133878). Die Praxis rang zudem um den Slogan des DGB Rechtsschutzes „Größte Deutsche Fachkanzlei“, den das OLG Koblenz für irreführend hielt (3.12.14, 9 U 354/12, Abruf-Nr. 144168).

     

    Werbung durch die Anwaltschaft ist notwendig und sinnvoll. Es ist Sache der Anwaltschaft, sich die Grenze des Zulässigen zu „erarbeiten“. Nicht wirklich tauglich sind hierbei Schlagworte wie das Verbot des „reklamehaften Anpreisens“. Denn Reklame ist nichts anderes als Werbung. Auch der Begriff der Seriosität, also der Ernsthaftigkeit und Würdigkeit, ist zu vage, um eine allgemeine Definition zu liefern. Es ist immer eine Frage des Einzelfalls. Die Grenze lässt sich nur negativ finden. Was ist also nicht mehr zulässig?

     

    Es gibt keine per se unzulässige Werbemaßnahme, und es gibt keinen an sich unzulässigen Slogan. „Sex sells“ ist der Anwaltschaft jedenfalls verwehrt: Ein Pin-Up-Kalender ist eine unzulässige Werbemaßnahme (AnwG Köln 10.11.14, 10 EV 490/2014, Abruf-Nr. 144169). Folgende Grundsätze gelten (Checklisten zu zulässigen Werbemaßnahmen Schreiter, AK 14, 177):

     

    • Vermieden werden soll der Entscheidungsdruck.
    • Im Vordergrund soll die Information stehen.
    • Es soll keine Angst erzeugt werden.
    • Sprachwitz ist erlaubt.

     

    Die Entscheidung des BGH liefert einen weiteren wichtigen Hinweis: Es besteht die Möglichkeit, durch eine Vorabauskunft der zuständigen Kammer eine beabsichtigte Maßnahme berufsrechtlich bewerten und diese Wertung auch gerichtlich überprüfen zu lassen. Bei der Formulierung der Anfrage an die zuständige Kammer muss darauf geachtet werden, dass eine Regelung erstrebt wird, damit eine Anfechtungsklage wie in dem entschiedenen Fall zulässig ist. Erfragen Sie nicht bloß eine unverbindliche Auskunft.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2015 | Seite 57 | ID 43221453