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  • · Fachbeitrag · Einkommensteuer

    Sehhilfen: Unter diesen Voraussetzungen beteiligt sich der Fiskus an Ihren Aufwendungen

    von Dipl.-Finanzwirt, M. A. (Taxation), Daniel Denker, Oldenburg und Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

    | Knapp 60 Prozent aller Steuerbürger benötigen eine Sehhilfe in Form von Brillen oder Kontaktlinsen. Das kann richtig ins Geld gehen. Wenn sich die Sehstärke (oft) ändert, ist eine neue Sehhilfe erforderlich. Und eine Gleitsichtbrille kann schnell im vierstelligen Bereich liegen. Die Hoffnung, dass die Krankenkasse die Kosten trägt, zerschlägt sich oft. Doch Steuerzahler können ihre Aufwendungen minimieren, indem sie den Fiskus an ihren Sehhilfen beteiligen. |

    1. Regelfall: Abzug als außergewöhnliche Belastung möglich

    Bereits seit Jahren ist durch die Rechtsprechung des BFH klar: Die Brille und andere Sehhilfen stellen gewöhnlich kein Arbeits-, sondern ein medizinisches Hilfsmittel dar. Ein Abzug als Werbungskosten oder Betriebsausgaben scheidet daher vom Grund her aus.

     

    a) Von neuerer Berechnung der zumutbaren Belastung profitieren

    Folgerichtig gibt es noch die Möglichkeit, die Kosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zu deklarieren. Der Gesetzgeber unterstellt dabei eine zumutbare (Eigen-)Belastung. Wie hoch diese ist, hängt vom Jahreseinkommen (Gesamtbetrag der Einkünfte), dem Familienstand und der Anzahl der Kinder ab.

     

    Ausgehend davon beträgt die zumutbare Eigenbelastung zwischen einem und sieben Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte. Nach BFH-Rechtsprechung und § 33 Abs. 3 EStG ist die zumutbare Belastung stufenweise zu berechnen, was sich für den Steuerzahler unterm Strich günstiger auswirkt.

     

    • Beispiel

    Im Jahr 2022 beträgt der Gesamtbetrag der Einkünfte des A 55.000 EUR. A ist ledig und hat zwei Kinder. Ihm sind 1.200 EUR an außergewöhnlichen Belastungen entstanden (Krankheitskosten, Sehhilfen etc.). Seine zumutbare Belastung beträgt:

    15.340 EUR x 2 Prozent

    306,80 EUR

    (51.130 EUR ./. 15.340 EUR =) 35.790 EUR x 3 Prozent

    1.073,70 EUR

    (55.000 EUR ./. 51.130 EUR =) 3.870 EUR x 4 Prozent

    154,80 EUR

    1.535,30 EUR

     

    Lösung: Damit übersteigen die außergewöhnlichen Belastungen des A von 1.200 EUR nicht die zumutbare Belastung von 1.535,30 EUR. Es ergibt sich keine Steuerersparnis.

     
    • Abwandlung

    A hat drei Kinder. Die zumutbare Belastung reduziert sich in diesem Fall auf

    15.340 EUR x 1 Prozent

    153,40 EUR

    (51.130 EUR ./. 15.340 EUR =) 35.790 EUR x 1 Prozent

    357,90 EUR

    (55.000 EUR ./. 51.130 EUR =) 3.870 EUR x 2 Prozent

    77,40 EUR

    588,70 EUR

     

    Lösung: Da die Aufwendungen des A 1.200 EUR betragen und damit die zumutbare Belastung übersteigen, ist die Differenz von (1.200 EUR ./. 588,70 =) 612 EUR steuerlich abzugsfähig. Bei einem Steuersatz von 35 Prozent winkt A damit allein aus den Kosten der außergewöhnlichen Belastung eine Erstattung von etwa 215 EUR.

     

     

    b) Auch beihilfefähige Krankheitskosten sind zumutbare Belastung

    Auch bei selbst getragenen Krankheitskosten, die bei Beamten zu beihilfefähigen Aufwendungen führen, ist eine zumutbare Belastung anzusetzen. Sie sind nicht in Höhe der (quotalen) steuerfreien Beihilfe ungeschmälert als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Insoweit liegt keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) vor. Das hat der BFH klargestellt (1.9.21, VI R 18/19, Abruf-Nr. 225673; ebenso 4.11.21, VI R 48/18, Abruf-Nr. 226167). Hiergegen hat der Steuerzahler jedoch Verfassungsbeschwerde eingelegt (Az. 2 BvR 1579/22). Gleichermaßen betroffene Steuerzahler können also gegen entsprechende Steuerbescheide Einspruch einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 AO verweisen.

     

    Im konkreten Fall ging es um Aufwendungen für ein Zahnimplantat und eine Brille, die bei Beamten zu beihilfefähigen Aufwendungen führen. Der betroffene Steuerzahler, der kein Beamter war, musste dafür 2.240,76 Euro zahlen. 70 Prozent davon, nämlich 1.337 Euro, wollte er als außergewöhnliche Belastung anerkannt haben, ohne dass dafür eine zumutbare Belastung abgezogen würde. Sein Argument: Dieser Betrag wäre einem Beamten als steuerfreie Beihilfe (§ 3 Nr. 11 EStG) gewährt worden (unter Anwendung eines Beihilfebemessungssatzes von 70 Prozent und der Kostendämpfungspauschale).

    2. Ausgaben vorausschauend planen

    Es ist empfehlenswert, Ausgaben für Brillen und andere Medikamente oder Maßnahmen (z. B. Zahnarzt) steueroptimal zu planen. Sie sollten versuchen, Ihr Jahreseinkommen und Ihre Krankheitskosten laufend überschlägig zu ermitteln. So behalten Sie den Überblick, ob Sie die Grenze der zumutbaren Belastung schon „geknackt“ haben oder noch knacken werden.

     

    PRAXISTIPP | Je nach Ergebnis ist es durchaus sinnvoll, den Kauf einer Sehhilfe vorzuziehen oder einen z. B. für den Dezember geplanten Erwerb auf das nächste Jahr zu verschieben.

     

    Gleiches gilt natürlich auch für reguläre Krankheitskosten. Erhalten Sie eine Rechnung von Ihrem Arzt im Dezember mit Zahlungsfrist bis Mitte Januar des Folgejahres, kann es einen entscheidenden Unterschied machen, ob Sie im Dezember oder Januar überweisen.

     

    3. Der Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten

    In sehr begrenzten Fällen gestattet der Gesetzgeber, die Aufwendungen für Sehhilfen direkt als Betriebsausgaben oder Werbungskosten steuermindernd geltend zu machen. Dies ist der Fall, wenn

    • die Sehschwäche durch einen Arbeitsunfall hervorgerufen wurde,
    • die Sehschwäche auf einer typischen Berufskrankheit beruht oder
    • es sich um eine Schutzbrille handelt (z. B. für Chemiker oder Schweißer).

     

    a) Sonderfälle müssen nachgewiesen werden

    Die Finanzverwaltung verlangt hier umfassende Nachweise. Eine einfache Bescheinigung des Arbeitgebers reicht oft nicht aus. Sie sollten also umfassend dokumentieren, welcher Arbeitsunfall die Sehschwäche ausgelöst hat bzw. welche typische Berufskrankheit gegeben ist. Holen Sie erst entsprechende ärztliche Bescheinigungen ein, bevor Sie die Sehhilfe kaufen.

     

    b) Für die Bildschirmarbeit gibt es speziell angefertigte Arbeitsplatzbrillen

    Nach diesen Grundsätzen können Sie Aufwendungen für eine Bildschirmarbeitsplatzbrille nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend machen. Dies gilt auch, wenn Sie diese Brille ausschließlich am Arbeitsplatz tragen. Denn die Brille korrigiert Ihre Sehschwäche. Ohne Sehschwäche müssten Sie die Brille nicht tragen (BFH 20.7.05, VI R 50/03, Abruf-Nr. 053272). Selbst wenn Ihnen ein Augenarzt bestätigt, dass die Brille aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften als gewöhnliche Korrekturbrille nicht geeignet ist, kommt lediglich ein Abzug als außergewöhnliche Belastung in Betracht.

     

    PRAXISTIPP | Ist eine Brille, die steuerlich nicht als Betriebsausgabe oder Werbungskosten abzugsfähig war, während der betrieblichen bzw. beruflichen Tätigkeit beschädigt worden, und werden die Reparaturkosten nicht vom Arbeitgeber oder einer Versicherung übernommen, sind diese als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig. Ist eine Neuanschaffung erforderlich, können Sie den Zeitwert der zerstörten Brille geltend machen.

     

    c) Übernahme durch den Arbeitgeber ist möglich

    Arbeiten Sie oder der Arbeitnehmer beruflich regelmäßig an einem Bildschirm und benötigen Sie bzw. benötigt er deshalb eine Bildschirmarbeitsplatzbrille? Dann muss der Arbeitgeber die Kosten tragen (§ 3, § 18 ArbSchG i. V. m. § 5 Abs. 1 sowie Anhang Teil 4 II Nr. 1 ArbMedVV). Der Vorteil ist: Bei dem Arbeitgeber stellen die Ausgaben Betriebsausgaben dar. Zugleich erhält er vom Finanzamt die Vorsteuer in Höhe von 19 Prozent erstattet. Dem Arbeitnehmer entstehen keine Kosten für die Brille. Auch Steuern und Sozialabgaben fallen nicht an.

     

    Wichtig | Für diese Konstellation hat der Gesetzgeber eine Hürde eingebaut. Die Steuerfreiheit beim Arbeitnehmer ergibt sich nur, wenn ein Augenarzt vor der Anschaffung der Sehhilfe bescheinigt, dass der Arbeitnehmer diese braucht (R 19.3 Abs. 2 Nr. 2 LStR). Die Bescheinigung eines Optikers allein reicht nicht aus.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2023 | Seite 88 | ID 46748672