Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Editorial AK 06/2023

    „Ziel der Kanzleipflicht ist Erreichbarkeit, aber nicht die ständige persönliche Erreichbarkeit“

    | Liebe Kolleginnen und Kollegen, wann müssen wir als Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte für unsere Mandanten erreichbar sein? Das ist eine Frage, die zunächst vielleicht verwundert, berufsrechtlich aber gar nicht so ohne ist. Denn nach § 27 Abs. 1 BRAO muss jede Rechtsanwältin und jeder Rechtsanwalt eine Kanzlei einrichten. Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur leitet daraus die Pflicht ab, dass die Berufsträger zumindest zu bestimmten Zeiten persönlich in ihrer Kanzlei anwesend sein müssen. |

     

    Zuletzt griff der BGH diese Verpflichtung in einem Beschluss vom 25.1.23 auf (AnwZ [Brfg] 30/22). Darin wiesen die Richter auf die BGH-Rechtsprechung aus den Jahren 2004 und 2009 sowie die Kommentierung des Kollegen Alexander Siegmund (Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 27 BRAO Rdn. 24 ff.) hin: Der Rechtsanwalt sei „im Rahmen seiner Kanzleipflicht gem. § 27 Abs. 1 BRAO verpflichtet, in der von ihm einzurichtenden Kanzlei zu den üblichen Geschäftsstunden normalerweise erreichbar zu sein und dem rechtsuchenden Publikum für anwaltliche Dienste zur Verfügung zu stehen“.

     

    Doch die Rahmenbedingungen für die Erreichbarkeit haben sich komplett verändert. Kaum ein Mandant kommt noch ohne vorherige Terminvereinbarung in die Kanzlei. Die Bürozeiten sind in der Regel veröffentlicht. Mandanten können die Kanzlei telefonisch oder per E-Mail erreichen, für andere Beteiligte stehen zudem das beA und das Rechtsanwaltsregister zur Verfügung. Die telefonische Erreichbarkeit lässt sich durch Anrufservices, Anrufbeantworter, Mobiltelefone und Rufumleitungen optimieren. Hinzu kommt die Tatsache, dass manche Rechtsanwälte auch heute noch zu Gerichtsterminen reisen (Strafverteidiger sind oft sogar tagelang unterwegs) und daher nicht ununterbrochen im Büro anwesend sein können. Selbst nach § 53 BRAO greift die Pflicht zur Vertreterbestellung erst nach einer Woche ‒ solange darf man abwesend sein.

     

    Dies bedeutet aus meiner Sicht: Oberstes Ziel der Berufspflicht aus § 27 Abs. 1 BRAO ist die Erreichbarkeit. Dies heißt aber nicht, dass in einem ersten Schritt eine persönliche Erreichbarkeit gewährleistet sein muss. Sondern es muss Mandanten und allen anderen Beteiligten möglich sein, über die veröffentlichten Kommunikationsdaten der Kanzlei Kontakt aufzunehmen. Im zweiten (wesentlich wichtigeren) Schritt muss der Rechtsanwalt dann natürlich (innerhalb von zwei bis drei Tagen) auf die Kontaktaufnahme reagieren. Dabei reicht zunächst eine Rückmeldung des Sekretariats mit der Sachstandsmitteilung oder der Entscheidung, dass man ein Mandat nicht annehmen möchte, oder der Terminvereinbarung zu einem Telefonat, einem Videoanruf oder zu einem persönlichen Treffen.

     

    Mit besten kollegialen Grüßen

     

    Ihr Martin W. Huff

    Quelle: Ausgabe 06 / 2023 | Seite 2 | ID 49439519