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  • · Fachbeitrag · Editorial AK 01/2022

    Das anwaltliche Recht auf Videoverhandlung wäre ein Gewinn für alle Beteiligten!

    | Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind deutliche Worte, die der neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach bei seiner Vorstellung als Minister Anfang Dezember wählte: Die Pandemie wird uns noch lange beschäftigen, stellte er klar. Es wird also so schnell nicht alles so werden, wie es vor dem März 2020 war. Doch mit manchen Änderungen und Neuerungen scheint sich die Justiz wieder schwerer zu tun, als es zu Beginn der Pandemie der Fall war. |

     

    Ich spreche hier von den Videoverhandlungen gemäß § 128a ZPO (und gleichlautend in den anderen Verfahrensordnungen). Seit März 2020 haben die Justizverwaltungen ‒ dies muss man ihnen hoch anrechnen ‒ mit erheblichem finanziellen und organisatorischen Aufwand nahezu flächendeckend die Möglichkeit geschaffen, mündliche Verhandlungen „im Wege der Bild- und Tonübertragung“ durchzuführen.

     

    Dafür eignen sich insbesondere Verfahren, in denen es um Rechtsfragen geht und keine Zeugenvernehmungen im Mittelpunkt stehen. Gerade für sog. Durchlauftermine (oft Verfahren in der Fachgerichtsbarkeit), bei denen es eigentlich nur um die Antragstellung geht, hat diese Form der Verhandlung viele Vorteile: Es kann zügiger terminiert werden, Verlegungsanträge lassen sich reduzieren. Für die Justiz und die Parteien sind Videoverfahren günstiger, unnötige Reisen werden vermieden und in Pandemiezeiten können Anwesenheiten in den Gerichten reduziert werden.

     

    Allerdings: War am Anfang die Bereitschaft vieler Gerichte noch groß, so zu verhandeln, hat man zurzeit den Eindruck, dass diese Bereitschaft wieder deutlich sinkt. Die Gründe dafür scheinen zu sein, dass die technische Vorbereitung aufwendiger ist, die gewohnten Arbeitsabläufe gestört werden und andere Säle als üblich genutzt werden müssen. Richter können unanfechtbar und ohne Begründung anwaltliche Anträge auf Videoverhandlungen ablehnen ‒ auch in Fällen, in denen sie hinterher ohne mündliche Verhandlung entscheiden wollen.

     

    Die Krux an der aktuellen gesetzlichen Regelung ist: Es gibt kein Recht der Anwälte auf eine Videoverhandlung. Die Anwälte sind auf das Wohlwollen der Richter angewiesen, was bei der immer wieder betonten Rolle der Anwaltschaft als „Organ der Rechtspflege“ unangemessen ist.

     

    Es wäre nur eine kleine Änderung, die Regelung umzukehren: Es gibt ein Recht auf die Videoverhandlung, das nur mit einer inhaltlichen Begründung zurückgewiesen werden kann. Vielleicht hat ja der neue Justizminister, ein Anwaltskollege, Zeit, darüber nachzudenken. Nach meiner festen Überzeugung wäre dies ein Gewinn für alle Beteiligten.

     

    Mit besten kollegialen Grüßen und allen guten Wünschen für das Jahr 2022!

    Ihr Martin W. Huff

    Quelle: Ausgabe 01 / 2022 | Seite 2 | ID 47872259