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  • · Fachbeitrag · Wirtschaftlichkeitsprüfung

    Die „neue Wirtschaftlichkeitsprüfung“: Trendwende zu den Verantwortlichkeiten bei der Verordnung?

    von Prof. Dr. Ute Walter, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht, Rechtsanwälte Wigge, München, www.ra-wigge.de

    | Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG), das zum 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist, hat unter anderem eine schon seit längerem erhobene Forderung aufgegriffen: Es bahnt der Selbstverwaltung den Weg, auf einen neuen Typus der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu setzen, sofern es um die Verordnung von Arzneimitteln geht. |

    Im Visier: Verordnungsverhalten statt Richtgröße

    An die Stelle der bisher gewohnten Richtgrößen- und Zufälligkeitsprüfung kann nun kraft gemeinsamer und einheitlicher Vereinbarung der Landesverbände der Krankenkassen bzw. der Ersatzkassen mit den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen eine sogenannte arztbezogene Prüfung der Arzneimittelverordnung im jeweiligen Anwendungsgebiet treten, und zwar bezogen auf Auswahl und Menge bestimmter Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen.

    Vorgaben zur Verordnung direkt aus der Selbstverwaltung

    Dies setzt voraus, dass sich medizinisch begründete Kriterien für die Wirkstoff-Auswahl und für die Wirkstoffmenge finden lassen. Hier dachte der AMNOG-Gesetzgeber an den diesbezüglichen Orientierungscharakter der Arzneimittel-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, aber auch an die bisher bei Arzneimitteln für verordnungsstarke Anwendungsgebiete einschlägigen sogenannten Arzneimittelvereinbarungen auf KV- bzw. Bundesebene.

    Verfeinerte Vergleichsgruppen

    Die Überprüfbarkeit erfordert weiter, dass der jeweilige Vertragsarzt insoweit der passenden Vergleichsgruppe zugeordnet wird. Der Gesetzgeber hat gesehen, dass ein zu grobes Raster hier nicht ausreicht:

     

    • Innerhalb der jeweiligen ärztlichen Fachgruppe werden Subgruppen zu bilden sein, die die „Versorgungsrealität“ auch mit Blick auf besonders teure Arzneimittel angemessen abbilden.
    • Zudem sollen auch sogenannte Praxisbesonderheiten anerkennungsfähig sein, so sie denn in den Vereinbarungen zur arztbezogenen Prüfung nicht ausgeschlossen und von der Prüfungsstelle bestimmt wurden.
    • Für diese Art der Wirtschaftlichkeitsprüfung soll gelten, dass die Vereinbarungen sich auf nicht mehr als fünf Prozent der Vertragsärzte erstrecken.

     

    Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang noch, dass selbst im Kündigungsfall die Kriterien der ausgelaufenen arztbezogenen Prüfung für so lange anwendbar erklärt sind, bis eine neue Vereinbarung in Kraft tritt.

    Sanktion bleibt Sanktion?

    In der Sache handelt es sich bei diesem Regelungsansatz um nichts anderes als den bereits mit dem Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) von 2006 (Stichwort: Tagestherapiedosen und -kosten) verfolgten Lenkungszweck. Dieser wird hier nun aber nicht offiziell mit einer Bonus-/Malus-Regelung für das Erreichen bzw. Verfehlen von bestimmten „Verordnungsquoten“ (Leitsubstanz-, Generika-, Mee-too-Quote) verknüpft - was damals hohe Wellen schlug.

     

    Vielmehr ist ihre Umsetzung mit der „Wohltat“ verbunden, dass der von preis-orientierten Arzneimittel-Richtgrößen befreite Vertragsarzt hinsichtlich seiner Verordnung ausschließlich zur Einhaltung medizinisch begründbarer Verordnungs-Regelungen verpflichtet wird. Das neu zu etablierende Prüfverfahren setzt, und das ist der Clou, methodisch so an, dass die Verantwortung für die Arzneimittel-Preise ebenso wie für die Morbiditätsstruktur der Patienten nunmehr vom Vertragsarzt auf die Krankenkassen verlagert ist.

    Merke |

    Ob das Ganze nicht ein kleiner „Etikettenschwindel“ ist, wird sich noch herausstellen, wenn die ersten Vereinbarungen hierzu vorliegen. Vertragsärzte, die Verordnungsregeln nicht einhalten, können dennoch theoretisch wie gewohnt sanktioniert werden. Wie scharf, hängt von der Vereinbarung ab, die kraft Gesetzes zwar „Regelungen über den auszugleichenden Betrag bei Nichteinhaltung der Zielvorgaben“ zum Verordnungsgebaren enthalten muss, aber weite Spielräume hat.

     

    „Abschaffung“ der Richtgrößenprüfung als Kür

    Die Richtgrößen- und Stichprobenprüfung ist damit nicht abgeschafft. Vielmehr wird es von der Eigeninitiative der Krankenkassen bzw. Kven auf Bundes- wie auf Landesebene abhängen, ob es faktisch hierzu kommt. Letzteres wäre sicher zu begrüßen, da dies das fast schon undurchdringliche Regelungschaos eines Nebeneinander von verbindlichen Arzneimittel-Richtgrößen und hinzutretenden sonstigen Verordnungsvorgaben aus Arzneimittelvereinbarungen auf Bundes- oder KV-Ebene in weiten Teilen auflösen würde.

     

    Ausblick |

    Der Gesetzgeber arbeitet an einer weiteren Reform, die als „GKV-Versorgungsstrukturgesetz“ zum 1. Januar 2012 in Kraft treten soll. Auch hier sieht der zur Zeit vorliegende Regierungsentwurf keinen Verzicht auf Richtgrößen- bzw. Stichprobenprüfungen vor. Vorläufig propagiert der Gesetzentwurf einen anderen Ansatz, um das „Damoklesschwert“ der Richtgrößenprüfung zu entschärfen: Die Rechtsfolgen bei (!) erstmals festgestellter Überschreitung der Richtgrößen sollen abgemildert werden. Liegt die Überschreitung auch unter Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten bei mehr als 25 Prozent, was bisher zum Regress führte, ist ausschließlich eine Beratung vorgesehen. Erst wenn im Nachgang hierzu in den Folgequartalen wieder eine Überschreitung festgestellt wird, unterliegen diese Folgequartale uneingeschränkt der Regress-Sanktion wie bisher. Noch ist diese Idee aber nicht Gesetz.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2011 | Seite 14 | ID 27917630