· Fachbeitrag · Verordnungsfähigkeit
Tabakentwöhnung ‒ G-BA ermöglicht Verordnung von Nicotin und Vareniclin
| Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat mit Beschluss vom 15.05.2025 festgelegt, welche Arzneimittel zur Tabakentwöhnung bei Kassenpatienten verordnet werden können ‒ sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Es muss sich um Versicherte mit einer bestehenden schweren Tabakabhängigkeit handeln, denen dann ausnahmsweise zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) diese Arzneimittel verordnet werden können. Der Beschluss tritt ‒ vorbehaltlich der Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit ‒ am Tag nach seiner Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Bislang waren Arzneimittel zur Tabakentwöhnung als sogenannte „Life-Style-Arzneimittel“ von der Verordnungsfähigkeit zulasten der GKV ausgeschlossen. |
Gesetz aus dem Jahr 2021 bringt neue Theapieoptionen
Die Wende im Kampf gegen Tabakabhängigkeit kam mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) im Jahr 2021: Darin wurde für Versicherte mit schwerer Tabakabhängigkeit ein Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen eingeführt. Der G-BA wurde beauftragt, das Nähere hierzu in der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) zu regeln. Diesem Auftrag ist das Gremiun mit dem Beschluss nachgekommen, dessen Inhalte nachfolgend dargestellt werden.
Arzneimittel zur Tabakentwöhnung
Nach dem G-BA-Beschluss können von den vier zur Verfügung stehenden Wirkstoffen nur die Wirkstoffe Nicotin und Vareniclin bei schwerer Tabakabhängigkeit zulasten der GKV verordnet werden. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) war vom G-BA mit einer Nutzenbewertung der vier zur Tabakentwöhnung zugelassenen Wirkstoffe Nicotin, Vareniclin, Cytisin und Bupropion beauftragt worden. Da für Bupropion keine Studienunterlagen zur Verfügung gestellt und für Cytisin wegen fehlender Subgruppenanalysen der Nutzen bei einer schweren Tabakabhängigkeit nicht beurteilt werden konnte, wurde ein Nutzen bei bestehender schwerer Tabakabhängigkeit nur für Nicotin und Vareniclin festgestellt.
Mit der Aufnahme der Wirkstoffe in die neu geschaffenen Anlage IIa der AM-RL wird klargestellt, dass apothekenpflichtige Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Nicotin und verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Vareniclin in evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können. Hierbei können Nicotin-haltige Fertigarzneimittel auch miteinander kombiniert werden, sofern es sich um die Kombination eines Arzneimittels in der Darreichungsform „Transdermales Pflaster“ mit einer weiteren Darreichungsform handelt. Eine Kombination von Nicotin-haltigen mit Vareniclin-haltigen Arzneimitteln ist hingegen nicht erlaubt.
Nachweis einer schweren Tabakabhängigkeit
Voraussetzung einer Verordnung ist das Vorliegen einer schweren Tabakabhängigkeit. Nach dem Beschluss des G-BA müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein. Um diese schwere Tabakanhängigkeit zu dokumentieren, muss bei den in Frage kommenden Patienten
- mindestens die ärztliche Diagnose F17.2 „Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak: Abhängigkeitssyndrom“ vorliegen und
- zudem
- entweder das Ergebnis eines vom Versicherten selbst durchzuführenden Fagerströmtest bei mindestens 6 Punkten liegen (Bei dem Fagerströmtest handelt es sich um einen einfach anzuwendenden Test aus sechs Fragen zu den Gewohnheiten als Raucher, mit dem eine Abschätzung zur Schwere der Tabakabhängigkeit vorgenommen werden kann. Bei einem Mindestwert von 6 Punkten [max. 10 Punkte] liegt eine „starke Tabakabhängigkeit“ vor.)
- oder (neben der Diagnose F17.2) „trotz bestehender Risikokonstellationen der Versicherten (z. B. COPD/Asthma, kardiale oder kardiovaskuläre Erkrankungen, Schwangerschaft) eine Abstinenz“ nicht gelingen.
Evidenzbasierte Entwöhnungsprogramme
Eine Verordnung von Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung ist entsprechend der gesetzlichen Vorgaben nur im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung möglich. Wie erkennt man diese? Nach der Gesetzesbegründung zum GVWG sollte die Neuregelung „auf bestehende Angebote zur Raucherentwöhnung, insbesondere im Rahmen von Präventionsmaßnahmen“ aufsetzen, also auf die Präventionsprogramme der Krankenkassen nach § 20 SGB V. Diese sind also „gesetzt“.
Außerdem soll auch die Nutzung einer digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA) anerkannt werden, da es sich hierbei ebenfalls um evidenzbasierte Programme handelt. Voraussetzung hierfür ist, dass die entsprechende DiGA dauerhaft in das Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgenommen wurde.
In der AM-RL definiert der G-BA die konkreten Anforderungen an die evidenzbasierten Programme. Als Grundlage hierfür dienten Anforderungen des Leitfadens des GKV-Spitzenverbands für Präventionsprogramme und die Anforderungen des BfArM für DiGAs.
Weil aber Ärzte im Einzelfall nur schwer prüfen können, ob ein Programm alle genannten Anforderungen tatsächlich erfüllt, regelt § 14a Abs. 4 Buchstabe h der AM-RL, dass
- bei zertifizierten Präventionsprogrammen nach Paragraf 20 SGB V sowie
- bei dauerhaft in das Verzeichnis des BfArM aufgenommenen DiGAs
davon ausgegangen werden kann, dass die Anforderungen erfüllt sind. In den tragenden Gründen zum Beschluss sind Links zur Übersicht der zertifizierten Präventionsprogramme (iww.de/s13088) und zum Verzeichnis der digitalen Gesundheitsanwendungen des BfArM (iww.de/s13089) hinterlegt. Bisher wurden die Apps „Nichtraucherhelden“ und „Smoke Free“ dauerhaft in das Verzeichnis aufgenommen.
Nachweis der Teilnahme an einem Programm
Da bei Teilnahme an einem Präventionsprogramm der Krankenkassen nicht geregelt ist, dass Versicherte eine Teilnahme- oder Anmeldebescheinigung erhalten, können diese keine entsprechende Bescheinigung zum Nachweis ihres Anspruchs auf eine Verordnung von Arzneimittel zur Tabakentwöhnung vorlegen bzw. kann dies auch nicht als Nachweis gefordert werden.
In der AM-RL wurde deshalb lediglich eine Mitwirkungspflicht der Versicherten geregelt: Die Einschreibung oder Anmeldung zu einem Programm ist gegenüber der Ärztin oder dem Arzt glaubhaft zu machen. Auch eine bereits erfolgte Teilnahme an einem entsprechenden Programm ist von Versicherten mitzuteilen.
Wiederholung einer Verordnung nach drei Jahren
Wird ein Patient rückfällig, besteht frühestens drei Jahre nach Abschluss der ersten (bzw. vorherigen) Behandlung ein erneuter Anspruch auf Arzneimittel zur Tabakentwöhnung.

Weiterführende Hinweise
- Beschluss vom 15.05.2025 und die tragenden Gründe beim G-BA online unter iww.de/s13132
- Pressemitteilung vom 15.05.2025 “G-BA definiert Details des neuen Leistungsanspruchs auf Arzneimittel zur Tabakentwöhnung“ beim G-BA online unter iww.de/s13133
- Lifestyle-Arzneimittel: Wo verläuft die Grenze zu verordnungsfähigen Arzneimitteln? (AAA 10/2022, Seite 9)