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  • · Fachbeitrag · Vertragsarztrecht

    Ohne Begründung kein Geld? ‒ Anforderungen an die Quartalsabrechnung

    von RA, FA für MedR Torsten Münnch, D+B Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin, db-law.de

    | Es zählt sicherlich nicht zu den „Lieblingsbeschäftigungen“ der Vertragsärzte, die Quartalsabrechnung bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) einzureichen. Die Menge der dabei zu beachtenden Regeln ist legendär. Ob auch eine Begründungspflicht bezüglich der Abrechnungsvoraussetzungen dazugehört, hatte nun das Bundessozialgericht (BSG) zu entscheiden ‒ und gab Entwarnung (Urteil vom 26.06.2019, Az. B 6 KA 68/17 R). |

    Sachverhalt

    Ein Krankenhaus hatte während der regulären Sprechstunden der vor Ort niedergelassenen Vertragsärzte in seiner Notfallambulanz ambulant Labor- und Röntgenleistungen erbracht. Diese Leistungen sind unter Angabe der ICD-Verschlüsselungen und eines pauschalen Textfelds, nach dem „dringende Behandlungsbedürftigkeit“ bestanden habe, gegenüber der KV Rheinland-Pfalz abgerechnet worden. Die KV verweigerte die Vergütung dieser Leistungen mit der Begründung, Krankenhäuser dürften ambulante Notfallbehandlungen nur dann abrechnen, wenn

    • die Erkrankung des Patienten aufgrund ihrer Beschaffenheit einer sofortigen Maßnahme bedürfe und
    • eine Versorgung durch einen Vertragsarzt nicht möglich und/oder aufgrund der Umstände nicht vertretbar sei.

     

    Derartige Umstände hätte das Krankenhaus bereits mit der Abrechnung darlegen müssen, was aber nicht geschehen sei. Insbesondere reichten die ICD-Angabe und ein pauschaler Textbaustein nicht aus. Im Rahmen der Klage durch das Krankenhaus begründete dieses nun ‒ erstmalig ‒ detailliert die notfallbedingte Erforderlichkeit der Labor- und Röntgenleistungen in den einzelnen Fällen. Vor dem BSG hatte das Krankenhaus endgültig Erfolg.

    Entscheidungsgründe

    Umstritten war die Frage, ob das Krankenhaus die detaillierten Begründungen noch im Klageverfahren nachreichen durfte oder ob diese schon mit der Abrechnung, spätestens aber im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hätten präsentiert werden müssen.

     

    BSG billigt Abrechnung von Notfallleistungen zu regulären Sprechzeiten

    Das BSG stellte zunächst klar, dass ein Krankenhaus auch während der regulären Sprechstundenzeiten der vor Ort niedergelassenen Vertragsärzte ambulante Leistungen erbringen und abrechnen darf, soweit es sich um Notfallleistungen handelt. Dazu gehörten auch Leistungen zur Abklärung, ob ein Notfall vorliegt, also z. B. auch Labor- und Röntgenleistungen.

     

    BSG: Erfüllung der Abrechnungsvoraussetzungen muss nicht bereits bei Abrechnung dargelegt werden

    Die Frage, wann ein Leistungserbringer die Erfüllung von Abrechnungsvoraussetzungen näher darlegen muss ‒ insbesondere durch Angaben aus seiner Patientendokumentation ‒ ist grundsätzlicher Natur. Bei einigen EBM-Ziffern ist dies bereits in der Leistungslegende so vorgesehen, beispielsweise in der Vorbemerkung zur Chronikerpauschale nach EBM-Nr. 03220. Insoweit ist die Rechtslage eindeutig. Wie aber liegt es beispielsweise beim „dringenden“ Besuch nach Nr. 01411? Eine Regelung in der Leistungslegende fehlt. Müssen trotzdem die Tatsachen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, bereits mit der Abrechnung eingereicht werden oder genügt ein Nachreichen im Streitfall?

     

    Die Annahme einer Einreichungspflicht bereits mit der Abrechnung, spätestens aber im Widerspruchsverfahren, ist keineswegs fernliegend. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung entspricht eine solche Pflicht sogar gefestigter Rechtsprechung (z. B. BSG Urteil vom 21.3.2012, Az. B 6 KA 17/11 R).

     

    MERKE | In der Wirtschaftlichkeitsprüfung müssen Praxisbesonderheiten spätestens vor dem Beschwerdeausschuss vorgetragen werden, in einem späteren Gerichtsverfahren ist dies nicht mehr möglich.

     

    Das BSG hat nun klargestellt, dass eine „Begründungs- und Darlegungspflicht“ im Rahmen der Abrechnung nicht besteht. Die für die Wirtschaftlichkeitsprüfung entwickelten Grundsätze seien nicht übertragbar. Dort komme der Prüfbehörde hinsichtlich der Frage der Wirtschaftlichkeit ein Beurteilungsspielraum zu. Damit sie diesen wahrnehmen könne, müsse der geprüfte Arzt insbesondere die ‒ i. d. R. nur ihm bekannten ‒ Praxisbesonderheiten bereits bei dieser Behörde vortragen. Bei der Abrechnungsprüfung der KV gäbe es einen solchen Beurteilungsspielraum jedoch nicht, sodass auch keine strengen Fristen für die Vorlage von Abrechnungsbegründungen gelten.

     

    Der hier besprochene BSG-Fall war noch durch die Besonderheit geprägt, dass Darlegungsanforderungen zwar nicht im EBM, wohl aber im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der KV Rheinland-Pfalz geregelt waren. Dieser verlangte von Krankenhäusern die gesonderte Darlegung der Notfallvoraussetzungen „im Rahmen der Abrechnung“. Aber auch das half der KV nicht. Diese Regelung brandmarkte das BSG aus verschiedenen Gründen als unwirksam, u. a. müsse aus einer solchen Klausel „klar und eindeutig“ hervorgehen, welche konkreten Angaben die Abrechnung enthalten muss. Schon daran fehle es der HVM-Regelung.

     

    FAZIT | Die Dokumentation von Abrechnungsvoraussetzungen muss der Leistungserbringer zwar zeitnah zur Leistungserbringung sicherstellen ‒ aber nur intern. Die Vorlage von Nachweisen über die Erfüllung von Abrechnungsvoraussetzungen ist hingegen ‒ sofern keine ausdrückliche Regelung im EBM (wie im erwähnten Beispiel der Chronikerpauschale) oder im HVM existiert ‒ nicht schon mit der Abrechnung erforderlich, sondern kann später nachgeholt werden. Insofern gilt hier „Entwarnung“ für die Vertragsärzte!

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2019 | Seite 12 | ID 46191213