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  • · Fachbeitrag · Vertragsarztrecht

    Mehr als 20 Prozent gemeinsamer Patienten in Praxisgemeinschaft können plausibel sein

    von RAin, FAin für MedR Martina Döben-Koch, Kanzlei Koch & Kollegen, Frankfurt am Main, www.kochundkollegen.de 

    | Das Sozialgericht (SG) Marburg hat mit Urteil vom 5. März 2014 (Az. S 11 KA 129/12, Abruf-Nr. 140945 ) den Honorarberichtigungsbescheid der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen aufgehoben und klargestellt, dass auch bei erheblicher Überschreitung der 20-Prozent-Grenze bei gemeinsam behandelten Patienten in einer Praxisgemeinschaft die Aufgreifkriterien von den betroffenen Ärzten widerlegt werden können. |

     

    Der Fall

    Die Klägerin war im Rahmen einer Praxisgemeinschaft mit drei weiteren Fachärzten für Allgemeinmedizin tätig. In den elf der Prüfung zugrunde liegenden Quartalen betrug der Anteil der gemeinsam behandelten Patienten zwischen 31 Prozent und knapp 46 Prozent. Die Berichtigung der Honorarabrechnungen erfolgte auf dem Schätzwege.

     

    Die Entscheidung

    Das SG Marburg hob den Bescheid der beklagten KV auf, da die Aufgreifkriterien von den betroffenen Ärzten widerlegt werden konnten: Auch bei einer auffällig hohen Zahl identischer Fälle bestehe zunächst der Grundsatz, dass eine Vertretung unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben zulässig sei. So zählten Überweisungen ohne Zielauftrag an einen Facharzt durch den Hausarzt nicht zu den Fällen, die dem überweisenden Arzt anzulasten seien. Soweit die Klägerin nach Herausrechnen der regulären Fälle unterhalb der Aufgreifkriterien liege, bestehe keine Implausibilität mehr. Ein Gestaltungsmissbrauch in der Praxisführung könne im Falle der Klägerin nicht festgestellt werden.

     

    Eine weitere Besonderheit stelle die Situation der Landarztpraxen dar. Die Vertretungshäufigkeit liege hier unter Umständen weit über dem angenommenen Durchschnitt von 10 Prozent der Fachgruppe, wenn in der näheren oder auch weiteren Umgebung keine weiteren Praxen für die Versorgung der Patienten im Urlaubs- oder Krankheitsfall zur Verfügung stehen. Dies müsse ebenfalls Berücksichtigung finden.

     

    FAZIT | Die Prüfgremien der KV müssen sich substanziiert mit den Einwänden der Ärzte auseinandersetzen, insbesondere wenn es sich um reguläre Vertretungsfälle wegen Urlaubs- oder Krankheitsabwesenheit handelt. Die von den Ärzten vorgelegten Fälle sind im Einzelnen zu überprüfen und nur dann, wenn der verbleibende Anteil gemeinsamer Patienten über 20 Prozent liegt, fehlt es noch an einer Plausibilität der Abrechnung. Wichtig ist diese Entscheidung insbesondere deshalb, weil sie der immer mehr um sich greifenden Verwaltungspraxis der KVen entgegentritt, bei Vorliegen der Aufgreifkriterien ohne weitere substanzielle Prüfung Honorarkürzungen auf dem Schätzwege auszusprechen.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 14 | ID 42663122