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  • · Fachbeitrag · Strafrecht

    Abrechnungsbetrug: BGH bestätigt Verurteilung einer Pflegedienstbetreiberin zu vier Jahren Haft

    von RAin, FAin für MedR, Wirtschaftsmediatorin Rita Schulz-Hillenbrand, Würzburg, www.schulz-hillenbrand.de 

    | Mit Beschluss vom 16. Juni 2014 (Az. 4 StR 21/14, hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Revision einer Pflegedienstbetreiberin verworfen und ihre Verurteilung wegen Abrechnungsbetrugs bestätigt. |

     

    Der Fall

    Die Angeklagte hatte sich gegenüber einer Kranken- und Pflegekasse vertraglich verpflichtet, die Pflege eines schwerkranken Wachkomapatienten zu übernehmen. Nach dem Vertrag hatte sie täglich eine bestimmte Anzahl an Pflegestunden zu erbringen und dabei Pflegepersonal mit der besonderen Qualifikation für Intensivpflege einzusetzen.

     

    Vertragswidrig rechnete sie jedoch eine überhöhte Anzahl an Arbeitsstunden ab und versah bis zu 150 Leistungsnachweise mit der gefälschten Unterschrift der Ehefrau des Patienten. Zudem setzte sie (ohne Nachteil für den Patienten) durchweg geringer qualifiziertes Personal ein. Der entstandene Schaden betrug rund 280.000 Euro. Das Landgericht hatte die Angeklagte deshalb wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und die zunächst mitangeklagte Ehefrau des Patienten freigesprochen.

     

    Die Entscheidung

    Die Revision hatte keinen Erfolg. Insbesondere stellte der BGH fest, dass der Angeklagten für ihre Tätigkeit überhaupt keine Vergütung zugestanden habe. Das Unterschreiten der vertraglich vereinbarten Qualifikation des eingesetzten Pflegepersonals führe nach den maßgeblichen Grundsätzen des Sozialrechts selbst dann zum vollständigen Entfallen des Vergütungsanspruchs, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden. Die eingesetzten Mitarbeiter des Pflegedienstes konnten aufgrund ihrer geringeren Qualifikation keine hinreichende Versorgung des Patienten in Notfallsituationen sicherstellen, weshalb die erbrachten Leistungen keine gleichwertige Gegenleistung für die Zahlungen der Krankenkasse darstellten.

     

    HINWEIS | Der BGH verweist in seiner Begründung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Abrechnungsbetrug bei kassen- und privatärztlichen Leistungen und wendet den sogenannten normativen Schadensbegriff an. Im Gegensatz zur wirtschaftlichen Betrachtung liegt danach ein Schaden - und damit eine Strafbarkeit - rechtlich selbst dann vor, wenn der Betrug tatsächlich zu keinem finanziellen Nachteil geführt hat. Deshalb sei der Kranken- und Pflegekasse ein Betrugsschaden in voller Höhe der an die Angeklagte gezahlten Beträge entstanden. In der Literatur ist die Übernahme des normativen Schadensbegriffs aus dem Sozialrecht in das Strafrecht heftig umstritten.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 15 | ID 42969165