10.11.2010
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 08.07.2010 – 13 Sa 152/10
Zu einer Versetzung bei sicherheitsempfindlicher Tätigkeit nach negativer Sicherheitsüberprüfung. (vgl. dazu BAG,. 26.11.2009 - 2 AZR 272/08).
Tenor:
1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.12.2009 - 11 Ca 7835/09 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin
3) Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Versetzung und die Zahlung einer Sicherheitszulage in Höhe von 150,00 - brutto monatlich.
Die Klägerin ist seit dem 01.04.1981 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellte im Geschäftsbereich des B tätig. Seit 1995 war sie beim Amt für M eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD Anwendung. Der M ist neben dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst der dritte deutsche Nachrichtendienst auf Bundesebene. Er dient insbesondere dem Schutz der Verteidigungseinrichtungen der Bundesrepublik Deutschland sowie dem Schutz der Angehörigen und Mitarbeiter der Bundeswehr im In- und Ausland. Die dort beschäftigten Mitarbeiter, einschließlich der Klägerin, müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung nach dem Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (SÜG) unterziehen. Die Klägerin wurde zuletzt im April 2008 überprüft (Wiederholungsprüfung für die Überprüfungsart Ü 3). Ein Sicherheitsrisiko wurde dabei nicht festgestellt.
Am 04.11.2008 fuhr die Klägerin morgens stark alkoholisiert mit dem Pkw zum Dienst. Aufgrund ihrer unsicheren Fahrweise wurde sie von der Polizei angehalten. Eine um 07:45 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen Wert von 2,54 Promille. Die Klägerin meldete den Vorfall am 04.11.2008 ihrem zuständigen Vorgesetzten und gab an, obwohl sie aufgrund ihres Alkoholkonsums dazu nicht in der Lage war, dienstfähig zu sein. Auf Nachfrage der Beklagten anlässlich dieses Gesprächs und einer Anhörung am 10.12.2008 zum Verlauf des Vorabends der Trunkenheitsfahrt und zum Umfang ihres Alkoholkonsums erklärte die Klägerin wahrheitswidrig, sie habe im Verlauf des Abends drei Gläser Wein zum Abendessen, einen Obstler nach dem Essen und danach - in der Nacht des 03.11.2008 - eine ganze Flasche Weißwein getrunken. Am Morgen des 04.11.2008 habe sie keinen Alkohol mehr getrunken. Das Amtsgericht Köln verurteilte die Klägerin am 26.01.2009 zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen und dem Entzug der Fahrerlaubnis.
Mit Schreiben vom 05.03.2009 informierte der nach dem SÜG zuständige Geheimschutzbeauftrage für M -Mitarbeiter/Bewerber die Klägerin unter Mitteilung der sicherheits- und entscheidungserheblichen Umstände darüber, dass beabsichtigt sei festzustellen, dass bei der Klägerin tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen würden. Der Klägerin wurde Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 06.04.2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Sicherheitsüberprüfung Umstände ergeben hätte, die im Hinblick auf die sicherheitsempfindliche Tätigkeit der Klägerin ein Sicherheitsrisiko darstellen würden. Eine zukünftige Dienstleistung als M -Mitarbeiterin scheide daher aus. Die Klägerin legte gegen diese negative Sicherheitsüberprüfung kein Rechtsmittel ein.
Die Beklagte ordnete die Klägerin aufgrund dieser Mitteilung ab für den Zeitraum 14.04.2009 bis einschließlich 13.07.2009 vom M -Amt K zum Bundeswehr-Dienstleistungszentrum . Vom 08.06. bis 31.08.2009 erfolgte eine Abordnung zum Kreiswehrersatzamt K . Mit Schreiben vom 27.07.2009 erfolgte die Versetzung der Klägerin zum Kreiswehrersatzamt K mit Wirkung zum 01.09.2009. Ab April 2009 erhielt die Klägerin keine Sicherheitszulage mehr.
Die Klägerin unterzog sich seit dem 27.01.2009 regelmäßiger Alkoholabstinenzkontrollen. Auf die von der Klägerin dazu vorgelegten Unterlagen wird verwiesen. Sie nahm darüber hinaus therapeutische Hilfe in Anspruch. Am 05.11.2009 bestand sie die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) mit Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung der Beklagten mit Schreiben vom 27.07.2009 sowie Zahlung der Sicherheitszulage in Höhe von insgesamt 750,00 - brutto (April bis August 2008 á 250,00 - brutto) stattgegeben. Auf das Urteil (Bl. 146 bis 156 d. A.) wird verwiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die die Auffassung vertritt, allein die Tatsache, dass das M -Amt die weitere Beschäftigung der Klägerin wegen Sicherheitsbedenken ablehne, stelle einen dienstlichen Grund im Sinne des § 4 TVöD dar, der die Beklagte zu einer Versetzung/Abordnung der Klägerin berechtigte. Dieser dienstliche Grund habe auch vor der ersten Abordnung und zum Zeitpunkt der Versetzung bestanden. Im Übrigen habe die Beklagte ihr Ermessen richtig ausgeübt. Der Klägerin sei ein Arbeitsplatz in unmittelbarer räumlicher Nähe zu ihrem alten Arbeitsplatz zugewiesen worden. Allein in der Tatsache, dass die Klägerin am 04.11.2008 mit einem Blutalkoholgehalt von 2,54 Promille Auto gefahren sei, zum Dienst erschienen sei und sich für dienstfähig gehalten habe, stelle einen ausreichenden dienstlichen Grund zur Versetzung/Abordnung dar. Die Tatsache, dass die Beklagte die Klägerin seit dem Vorfall noch bis zum 14.04.2009 im M -Amt beschäftigt habe, stehe dem nicht entgegen. In dieser Zeit habe sich die Klägerin noch in einer Einarbeitungsphase befunden, ihre Arbeit sei ständig von ihrem Vorgesetzten überwacht worden, dieser habe in unmittelbarem Anschluss an den Vorfall seine Dienstaufsicht gegenüber der Klägerin noch weiter intensiviert, in dem er das Büro der Klägerin mehrmals am Tag aufgesucht habe. Um keine voreiligen Schritte einzuleiten, habe die Beklagte den Abschluss des Strafverfahrens gegen die Klägerin abgewartet und erst nach Einblick in die Verfahrensakte die Sicherheitsüberprüfung eingeleitet. Nach Abschluss der Sicherheitsüberprüfung sei dann mit Wirkung ab dem 14.04.2009 die erste Abordnung der Klägerin vorgenommen worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Die Klägerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und ist weiter der Auffassung, dass sie die geforderte Zuverlässigkeit besitze. Es habe sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt. Seitdem trinke sie überhaupt keinen Alkohol mehr, so dass eine positive Prognose gerechtfertigt sei. Im Übrigen habe sie fünf Monate nach dem Vorfall ihre Tätigkeit beanstandungslos ausgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Versetzung der Klägerin mit Schreiben vom 27.07.2009 zum Kreiswehrersatzamt K ist wirksam. Der Klägerin steht seit ihrer Abordnung im April 2009 keine Sicherheitszulage zu. Die Zahlungsklage war daher abzuweisen.
1. Die Versetzung der Klägerin vom M -Amt K zum Kreiswehrersatzamt K mit Wirkung zum 01.09.2009 ist wirksam, da dafür ein dienstlicher Grund im Sinne des § 4 Abs. 1 TVöD, der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, besteht.
a. Der dienstliche Grund ergibt sich bereits daraus, dass die aufgrund des Vorfalls vom 04.11.2008 durchgeführte Sicherheitsüberprüfung negativ ausgefallen ist.
aa. Der zuständige Geheimschutzbeauftragte für M -Mitarbeiter/Bewerber hat nach Anhörung der Klägerin entschieden, dass nach Bekanntwerden des Vorfalls am 04.11.2008 tatsächlich Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Klägerin bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen und somit ein Sicherheitsrisiko im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SÜG vorliegt. Dies hat die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 06.04.2009 mitgeteilt und zugleich festgestellt, dass eine zukünftige Dienstleistung als M Mitarbeiterin daher ausscheide. Daraufhin erfolgte am 09.04.2009 die Abordnung und sodann mit Wirkung zum 01.09.2009 die Versetzung der Klägerin aus dem M -Amt.
bb. Damit stand zum Zeitpunkt der Abordnung und Versetzung fest, dass die Weiterbeschäftigung der Klägerin mit einem Sicherheitsrisiko verbunden ist und diese daher nicht mehr mit ihrer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit beim M -Amt betraut werden darf. Ob die Voraussetzungen für die negative Sicherheitsüberprüfung gegeben waren, unterliegt keiner eigenständigen Nachprüfung durch die Gerichte für Arbeitssachen. Diese Prüfung ist allein Sache der nach dem SÜG zuständigen Stellen und der Verwaltungsgerichte. An deren Entscheidungen sind andere Behörden und Gerichte gebunden, sofern sich die behördliche Maßnahme nicht als nichtig darstellt. Das Ergebnis der nach dem SÜG vorzunehmenden Sicherheitsüberprüfung hat das Arbeitsgericht, falls sie sich nicht als nichtig erweist oder im Verwaltungsrechtsweg rechtskräftig aufgehoben ist, ihrer eigenen Entscheidung ohne Weiteres zugrunde zu legen (vgl. dazu BAG, 26.11.2009 - 2 AZR 272/08 - m.w.N.).
cc. Die Beklagte und das Gericht sind danach an das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung gebunden, mit der Folge, dass die Klägerin nicht mehr im MAD-Amt eingesetzt werden kann. Die Klägerin hat diese Entscheidung nicht auf dem dafür vorgesehenen Verwaltungsrechtsweg angegriffen. Für eine Nichtigkeit der Entscheidung, die nach Anhörung der Klägerin unter Mitteilung der sicherheits- und entscheidungserheblichen Umstände erfolgt ist, bestehen keinerlei Anhaltspunkte.
b. Die Versetzung ist auch dann als wirksam anzusehen, wenn der Beklagten nach negativer Sicherheitsüberprüfung noch ein Ermessensspielraum zugestanden hat, ob er die Klägerin trotz des festgestellten Sicherheitsrisikos im M -Amt weiter beschäftigt.
aa. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei pflichtgemäßer Ermessensausübung gemäß § 14 Abs. 3 S. 2 SÜG im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen hat.
bb. Demgegenüber gibt es keine zu berücksichtigenden Interessen der Klägerin, die so gewichtig sind, dass eine andere Ermessensentscheidung gerechtfertigt sein könnte. Bei der Alkoholfahrt mit 2,54 Promille handelt es sich um ein schwerwiegendes Fehlverhalten, das zu einer strafrechtlichen Verurteilung geführt hat. Im Übrigen legt BAK-Wert von 2,54 Promille den Schluss nahe, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt regelmäßig Alkohol konsumiert hat. Positiv zu bewerten ist, dass sie nach diesem Vorfall große Anstrengungen unternommen hat, um Alkoholabstinent zu leben. Aber selbst wenn - was das Gericht zugunsten der Klägerin unterstellt - sie seitdem keinen Alkohol mehr getrunken hat, reicht der Zeitraum von fünf Monaten bis zur Versetzung der Klägerin nicht aus, um die durch den Vorfall am 04.11.2008 begründeten Zweifel an der Zuverlässigkeit der Klägerin auszuräumen. Die erst Monate nach der Versetzungsentscheidung, am 05.11.2009 von der Klägerin mit Erfolg bestandene medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) konnte von der Beklagten bei ihrer Entscheidung noch nicht berücksichtigt werden.
cc. Die Ermessensausübung der Beklagten wird auch nicht dadurch fehlerhaft, dass die Klägerin nach dem Vorfall noch fünf Monate im M -Amt gearbeitet hat. Aufgrund dieses Zeitablauf allein ist das Verhalten der Beklagten nicht als widersprüchlich anzusehen. Dieser Zeitraum ist zum einen noch nicht als unangemessen lang anzusehen. Zum anderen hat die Beklagte für ihr Zuwarten nachvollziehbare Gründe vorgetragen, dass sie nämlich zunächst den Strafbefehl vom 26.01.2009 abgewartet und erst nach Einblick der Verfahrensakte die Sicherheitsüberprüfung eingeleitet habe. Nach deren Abschluss Anfang April 2009 mit negativem Ergebnis wurde die Klägerin sodann mit Schreiben vom 09.04.2009 zum 14.04.2009 vom M -Amt abgeordnet.
dd. Schließlich hat die Beklagte die Interessen der Klägerin bei ihrer Versetzung in einen nichtsicherheitsempfindlichen Bereich auch insoweit berücksichtigt, als die Versetzung am gleichen Standort in K in Nähe des bisherigen Arbeitsplatzes bei Ausübung einer gleichwertigen Tätigkeit erfolgt ist. Der finanzielle Nachteil besteht allein darin, dass die vorher gezahlte Sicherheitszulage, die jedoch nur bei Ausübung einer Tätigkeit im sicherheitsempfindlichen Bereich gezahlt wird, entfällt.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der Sicherheitszulage für die Monate April bis August 2009 in Höhe von insgesamt 750,00 - brutto. Da die Klägerin seit April 2009, wie unter 1. ausgeführt, zu Recht vom MAD-Amt abgeordnet war und daher nicht mehr im sicherheitsempfindlichen Bereich tätig war, sind die Voraussetzungen für deren Zahlung entfallen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).
III. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht.