· GOÄ-Reform
Was die „Neue GOÄ“ im Paragrafenteil vorsieht

| Der 129. Deutsche Ärztetag hat am 29.05.2025 in Leipzig mit einer klaren Mehrheit (212 Ja-Stimmen, 19 Nein-Stimmen und 8 Enthaltungen) für eine umfassende Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) gestimmt. Der verabschiedete Entwurf wurde an Bundesgesundheitsministerin Nina Warken übergeben. Als nächstes wäre ein Beschluss der Bundesregierung erforderlich, gefolgt von der Zustimmung des Bundesrats. Ein Termin für das Inkrafttreten der neuen GOÄ steht nicht fest, dennoch ist das Interesse an der Ausgestaltung der neuen GOÄ groß. Welche Auswirkungen der neue Paragrafenteil auf die Ärzteschaft haben könnte, erläutert dieser Beitrag. |
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Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aus Platzgründen wird i. d. R. auf die Wiedergabe vollständiger Zitate aus der derzeit geltenden GOÄ und herangezogenen Dokumenten verzichtet. Allgemein einsehbare Quellen sind am Ende des Beitrags angeführt. |
§ 1 ‒ Anwendungsbereich
Im Absatz 2 wird die Abrechnungsvoraussetzung, dass ärztliche Leistungen „nach den Regeln der ärztlichen Kunst“ erbracht sein müssen, ergänzt um den Satz „und [...] gemäß Berufsordnung der (Landes-)Ärztekammer erbracht werden“. Berufs- und Weiterbildungsordnung ergänzen sich. Es ist möglich, dass dieser Zusatz den Ärztekammern ermöglichen soll, die ärztliche Tätigkeit außerhalb der Regelungen der Weiterbildungsordnung einzuschränken („Wer darf was?“).
Ärzte sollen den Patienten vor der Behandlung in Textform „rechtzeitig“ darüber informieren, wenn Leistungen erkennbar nicht von einem Kostenträger erstattet werden. Die Regelung entspricht grundsätzlich dem, was jetzt schon § 630c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verlangt, außer dass der den unbestimmten Rechtsbegriff „rechtzeitig“ nicht verwendet. Den Erläuterungen der BÄK [2] ist nicht zu entnehmen, dass der Begriff hier wie im § 2 gestrichen ist.
Außerdem soll noch eingefügt werden „Empfehlungen der Gemeinsamen Kommission nach § 11a BÄO sind zu beachten“. Auf die Änderung der Bundesärzteordnung (BÄO) und die „Gemeinsame Kommission“ wird hier noch eingegangen werden.
§ 2 ‒ Abweichende Vereinbarung
Die Möglichkeit der Honorarvereinbarung („Abdingung“) soll bestehen bleiben. Sie entspricht weitgehend der jetzigen Regelung. In der im Internet bei der BÄK einsehbaren Fassung [1] ist noch die Forderung nach „rechtzeitigem“ Abschluss der Honorarvereinbarung enthalten. Weil „rechtzeitig“ ein unklarer Begriff ist und ein weites Feld für Auseinandersetzungen eröffnet hätte, ist das aber inzwischen gestrichen [3].
Nach wie vor ist aber vorgesehen, dass in der Vereinbarung auch „der Steigerungsgrund“ angeführt werden muss. In der jetzigen GOÄ würde das zur Ungültigkeit der Abdingung führen. Mit der Verpflichtung zur Angabe des Grundes werden Arzt und Patient in ihrer Vertragsfreiheit eingeschränkt. Auseinandersetzungen darüber, welche Gründe akzeptabel sind, sind vorprogrammiert.
Die BÄK schreibt [3], die Angabe eines Grundes diene der Transparenz für Patient und Arzt. Außerdem könne eine medizinische Begründung im Einzelfall eine (Teil-)Erstattung durch den Kostenträger ermöglichen und komme somit auch dem Patienten zugute. Unabhängig davon seien damit keine Wertungen verbunden, ob ein Grund akzeptabel ist oder nicht.
Das ist kritisch zu sehen. Jetzt kann der Patient nach § 12 (Abs. 3) bei einer Honorarvereinbarung die Angabe des Grundes in der Rechnung (nicht in der Vereinbarung selbst) verlangen, wenn es auch ohne die Vereinbarung Gründe für eine Steigerung gegeben hat. Damit ist das Ziel einer möglichen (Teil-)Erstattung erreicht. Warum man das jetzt obligat machen will, bleibt unverständlich. Es sei denn, es sollen damit letztendlich doch Prüfungen über die Zulässigkeit der Honorarvereinbarung erleichtert werden.
§ 4 ‒ Gebühren
Für den niedergelassenen Arzt ist fast alles unverändert geblieben. Positiv ist in Absatz 1 Satz 2: „Eine Berechnung kann auch dann erfolgen, wenn eine Leistung überwiegend erbracht worden ist, allerdings einzelne Leistungsbestandteile einer Gebühr wegen eines bei Behandlungsbeginn nicht absehbaren, medizinisch begründeten oder durch den Patienten verursachten, vorzeitigen Behandlungsabbruchs nicht mehr erbracht werden konnten.“
Obwohl es im Grunde selbstverständlich ist und durch die GOÄ jetzt schon im § 1 Abs. 2 begründet (Forderung nach einer medizinischen Indikation für berechnete Leistungen mit der Ausnahme vom Patienten ausdrücklich verlangter Leistungen), wird der Satz: „Eine veranlasste oder selbst erbrachte Laborleistung muss in einem medizinisch plausiblen Kausalzusammenhang mit der zu Grunde liegenden Diagnose oder Fragestellung stehen.“ eingeführt. Soll das nur ein „freundlicher Hinweis“ sein oder ist es ein Baustein zu mehr Kontrolle?
§ 5 ‒ Gebührenhöhe
Zum Thema Gebührenhöhe stehen nur zwei Sätze im Paragrafenteil: „Die Vergütung für die ärztliche Leistung ergibt sich aus dem für jede Leistung des Gebührenverzeichnisses festgelegten nicht unterschreitbaren Gebührensatz. Die Gebühr wird in Euro angegeben.“
Im Klartext: Es soll keinen Steigerungsfaktor mehr geben. So ganz stimmt das aber nicht, die BÄK kann mit bestimmten Kostenträgern (z. B. Öffentlichen Leistungsträgern) Verträge schließen, welche zur Abrechnung mit einem niedrigeren Gebührensatz verpflichten.
Außerdem soll es für wenige Fälle die Möglichkeit der Steigerung geben, z. B. bei Sonografien: „Bei Patientinnen und Patienten mit einem Body-Mass-Index (BMI) ≥ 40 kann für eine Leistung die 1,5-fache Gebühr in Rechnung gestellt werden. Ziffern- und kapitelbezogene Zuschläge sind von der 1,5-fachen Berechnung ausgenommen. Die Körpermaße (Größe, Gewicht, BMI) müssen in der Rechnung angegeben werden.“
Das sind aber seltene Ausnahmen. I. d. R. wird der Steigerungsfaktor durch ein System von „Erschwerniszuschlägen“ abgelöst. Die BÄK begründet das [2] damit, dass die Möglichkeit der Steigerung über 2,3- bzw. 1,8-fach nur in sehr begrenztem Umfang wahrgenommen werde: „Ursächlich dürfte der Aufwand sein, der mit der im jeweiligen Einzelfall erforderlichen Begründung und der Auseinandersetzung mit Rückfragen und Rechnungsstreitigkeiten verbunden ist.“
Leser von „AAA Abrechnung aktuell“ werden das angesichts der vielen Beiträge zur Anwendung des Steigerungsfaktors und der Vorbeugung von Widersprüchen kaum nachvollziehen können. Auf jeden Fall sind bei einem Versuch, die Folgen dieser „GOÄneu“ für das eigene Honorar abzuschätzen, nicht nur das individuelle Leistungsspektrum, sondern auch der Fortfall der Steigerungsmöglichkeit einzubeziehen.
Prägnantes Beispiel für einen „Erschwerniszuschlag“ ist die Nr. 35: „Zuschlag zu den Untersuchungsleistungen sowie den Leistungen der Erst- und Folgeanamnese des Abschnitts B I, die mit einem nicht unterschreitbaren Gebührensatz bis zu 20 Euro bewertet sind, für die Durchführung an einem Kind bis zum vollendeten 8. Lebensjahr und/oder bei einem Patienten mit mangelnder Einsichts- und/oder Mitwirkungsfähigkeit aufgrund einer geistigen und/oder psychischen Erkrankung. […] Die abrechnungsbegründende Diagnose ist in der Rechnung anzugeben ‒ 10 Euro“.
Dieser „Erschwerniszuschlag“ ist in verschiedensten Abschnitten der GOÄ enthalten und abhängig von der Bewertung der den Zuschlag auslösenden Leistung jeweils gestaffelt (hier von 10 bis 30 Euro).
§ 6 ‒ Gebühren für andere Leistungen (Analogabrechnung)
Die Regelung in § 6 Abs. 1 zur Abrechnung von in der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) enthaltenen Leistungen durch MKG-Chirurgen, HNO-Ärzte oder Chirurgen wird verdeutlicht, indem „ausschließlich“ auf die GOZ verwiesen wird.
Absatz 2 (Analogabrechnung) erfährt eine Änderung durch die Bestimmung: „Selbstständige ärztliche Leistungen, die erst nach dem 01.01.2018 erstmals im Geltungsbereich der GOÄ angewandt wurden, können entsprechend […]“ [1]. Die BÄK erläutert dazu [2], dies beruhe darauf, dass man sich 2017 mit dem PKV-Verband auf ein Gebührenverzeichnis verständigt habe, „das die zum damaligen Zeitpunkt angewendeten ärztlichen Leistungen umfasste“. Dies zeugt von starkem Selbstbewusstsein. In der GOZ gab es bis 2011 die Bestimmung, dass eine Analogabrechnung nur für Leistungen erlaubt sei, die „erst nach Inkrafttreten dieser Gebührenordnung aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt werden“. 2012 hat man dies gestrichen und in der amtlichen Begründung dazu steht: „Die bisher geltende Regelung […] hat sich nicht bewährt“ (BR-Drucksache 566/11).
Dem Arzt wird aufgetragen, „den Patienten vor Erbringung der Leistung bezogen auf die einzelne Leistung in Textform darüber zu informieren, dass eine nicht im Gebührenverzeichnis aufgenommene Leistung erbracht und gemäß Satz 1 durch Heranziehung einer vergleichbaren Leistung berechnet wird.“ (das in [1] noch enthaltene Wort „rechtzeitig“ wurde inzwischen auch hier gestrichen).
Um „Rechtsunsicherheiten und Abrechnungsauseinandersetzungen“ zu vermeiden [2], ist im § 6 Abs. 2 außerdem enthalten „Empfehlungen der Gemeinsamen Kommission nach § 11a BÄO zur Analogabrechnung sind zu beachten.“ [1]. Auch hier geht wieder ein Stück ärztlicher Selbstbestimmung verloren.
§ 7 ‒ Entschädigungen
Hier wurde der jetzige Zusatz, dass mit Wegegeld oder Reiseentschädigung Zeitversäumnisse und Mehrkosten abgegolten seien, gestrichen. Das ist logisch, weil Wegegeld und Reiseentschädigung ohnehin nicht mehr gesteigert werden können.
§ 8 ‒ Wegegeld und § 9 - Reiseentschädigung
Die Änderungen betreffen nur neue Beträge. Sie werden gering erhöht. Lediglich bei der Reiseentschädigung ist die Erhöhung (von 26 auf 42 Cent je Kilometer) deutlicher, jedoch ‒ wie auch die anderer Beträge ‒ völlig unzureichend.
§ 10 ‒ Ersatz von Auslagen
Hier erfolgen im Wesentlichen nur Klarstellungen zur Berücksichtigung geltender Rechtslage. Der in [1] bei den nicht berechenbaren Materialen angeführte „Gewebekleber auf Histoacrylbasis “ ist inzwischen gestrichen, soll also berechenbar sein. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die Änderung in § 12 zur Rechnungsstellung bei Auslagenersatz.
§ 11 ‒ Zahlung durch öffentliche Leistungsträger
Weil es keine Steigerungsfaktoren mehr geben soll (vgl. zu § 5), wird die jetzige Regelung (Berechnung mit dem Einfachsatz) dadurch ersetzt, dass der „nicht unterscheidbare Gebührensatz“ dann unterschritten werden muss, wenn die BÄK mit bestimmten Kostenträgern (z. B. Öffentlichen Leistungsträgern) Verträge dazu geschlossen hat.
§ 12 ‒ Rechnungsstellung
Die Rechnungsstellung soll innerhalb von sechs Monaten nach der Leistungserbringung erfolgen. Dadurch ändert sich in der Praxis nicht viel gegenüber jetzt.
Zu den in der Rechnung verpflichtenden Angaben sollen gehören (nicht abschließend):
- die maßgeblichen Diagnosen nach dem ICD-Schlüssel oder die unverschlüsselten Diagnosen im Volltext,
- bei operativen Leistungen der OPS-Code oder die unverschlüsselten operativen Leistungen im Volltext.
- Verdachts- und vorläufige Diagnosen sollen nur bis zur Befundabklärung angeführt werden.
Es darf angenommen werden, dass die Alternative der unverschlüsselten Texte nur eine Übergangslösung sein wird. Die Schlüssel erleichtern den Kostenträgern die Prüfung auf Plausibilität der berechneten Leistungen sowie das Erstellen eigener „Ausschlussregeln“.
Auf die in [1] noch enthaltene Forderung, im Falle einer Honorarvereinbarung eine Kopie beizufügen, soll inzwischen verzichtet worden sein [2]. Bei Auslagenersatz (§ 10) soll die Nachweisgrenze von 25,56 Euro auf 100 Euro angehoben werden [2].
Die übrigen Formalien der Rechnungsstellung weichen nicht gravierend von der geltenden GOÄ ab. Ausnahme: Falls es sich um eine „unvollendete“ Leistung handelt (vgl. zu § 4), muss dazu ein Hinweis gegeben werden. Bei allseitigem Einverständnis soll die Rechnung auch direkt dem Kostenträger zugestellt werden können (elektronisch).
Die übrigen formalen Angaben (Namen Arzt und Patient, ggf. Rechnungsempfänger, Datum etc.) weichen nicht sehr von den jetzt geltenden Anforderungen ab, ebenso nicht die zu den berechneten Leistungen (abgesehen von der fakultativen Verschlüsselung).
Gravierend anders ist, dass die Rechnungsstellung unter Verwendung eines maschinenlesbaren Rechnungsformulars zu erfolgen hat (in [1] „Formular, das bei der Rechnungsstellung zu verwenden ist“). BÄK und Kostenträger sollen Verträge zur Erprobung und zum Einsatz entsprechender Telematikinfrastrukturen schließen. Deren Nutzung soll freiwillig sein [2]. Ein entsprechendes Muster finden Sie als Anlage in [1].
Quellen
- [1] Rechtsteil zum Entwurf für eine neue Gebührenordnung für Ärzte (iww.de/s13800)
- [2] Erläuterungen zu häufig aufgeworfenen Fragen zum Rechtsteil der neuen GOÄ (iww.de/s13801)
- [3] Kommentierung der kritischen Publikationen im Chefärztebrief (CB 11/2024, Seite 4) (iww.de/s13802)
- [4] Der Faktencheck zum Faktencheck der BÄK (iww.de/s13803)