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  • · Nachricht · GOÄ

    Ein Dauerthema: Abrechnung der Leichenschau

    von Dr. med. Bernhard Kleinken, Pulheim

    | Kein anderes Thema wird so kontrovers diskutiert und in der Praxis so unterschiedlich erlebt wie die Abrechnung der Leichenschau. Da uns dazu immer wieder Fragen gestellt werden, greifen wir es erneut auf. |

    Das Problem

    Das Kernproblem bei der Abrechnung der Leichenschau ist, dass ‒ strikt gebührenrechtlich gesehen ‒ zur Nr. 100 GOÄ die Besuchsgebühr (Nr. 50 GOÄ) nicht berechenbar ist. Das mussten nach zwei Gerichtsurteilen und auf Einwirken der Aufsichtsbehörden hin auch die Ärztekammern übernehmen, die zuvor die Berechenbarkeit der Nr. 50 zu Nr. 100 GOÄ bejahten.

     

    Dasselbe Schicksal traf die Kompromisslösung, zu Nr. 100 GOÄ die Nr. 50 abzüglich der symptombezogenen Untersuchung (Nr. 5 GOÄ) und der Beratung (Nr. 1 GOÄ) analog zu berechnen. Das hatten auch wir noch in AAA 09/2005, Seite 12 empfohlen, mussten davon aber in AAA 05/2012, Seite 15 abrücken.

    Lösungen aus der Praxis

    Trotz der (gebührenrechtlich begründet) im Zusammenhang mit Nr. 100 GOÄ nicht zulässigen Berechnung der Nr. 50 GOÄ (weder im Ganzen, noch analog um die Nrn. 1 und 5 gemindert) ist dieses Vorgehen in der Praxis oft kein Problem. Die meisten Ärzte berichten, dass (außer wenn eine Behörde (zum Beispiel das Sozialamt) Rechnungsempfänger ist) die Abrechnung in der Regel nicht moniert wird.

     

    Sehr unterschiedliche Erfahrungen werden dann gemacht, wenn die Rechnung an den Bestatter geschickt wird. Mancherorts sind es gerade die Bestatter, welche auf Einhaltung der offiziell richtigen Abrechnung achten. Es gibt sogar Internetauftritte (zum Beispiel der Bestatter des Saarlandes), die es für nötig erachten, die Hinterbliebenen darüber aufzuklären.

     

    Keine Lösung kann sein, aus (berechtigter) Verärgerung einen Pauschalpreis zu berechnen und das eventuell sogar noch damit zu verbinden, den Leichenschauschein erst dann herauszugeben, wenn die Rechnung bezahlt wird. Da die Leichenschau eine berufliche Leistung der Ärzte ist, muss sie nach der GOÄ abgerechnet werden und Pauschalpreise sieht die GOÄ nicht vor. Und das Honorar wird nach § 12 GOÄ erst dann fällig, wenn eine ordnungsgemäße Rechnung erteilt worden ist. Zulässig ist, vorbereitete Rechnungen, in denen nur noch die Personalien, Ziffern und Beträge eingetragen werden, direkt bezahlen zu lassen. Ähnlich machen das manche Kollegen im Notdienst, indem sie die Rechnung in einem auffälligen Umschlag beim Verstorbenen belassen. Die Erfahrung sei, dass das Geld vom Bestatter in der Regel zuverlässig käme, der die Kosten dann in seiner Rechnung weitergäbe.

     

    Eher unter „Kuriositäten“ ist der Vorschlag eines Kollegen einzuordnen, zur Umgehung von Problemen den Verstorbenen in die Praxis bringen zu lassen. Zum einen ist das nach den Bestattungsgesetzen verboten, zum anderen wäre die Außenwirkung, wenn öfter der Leichenwagen vor der Praxis hält, sicher negativ.

    Kein Problem bei GKV-Versicherten

    Kein Problem mit der Berechnung einer Besuchsgebühr gibt es, wenn der Verstorbene GKV-versichert war. Da der Tod erst mit der ärztlichen Bescheinigung „amtlich“ wird, darf man davon ausgehen, dass der Besuch noch zulasten der GKV berechenbar ist. So lautet auch eine Empfehlung der Bundesärztekammer (BÄK) aus dem Deutschen Ärzteblatt (DÄB)

     

    • Die Empfehlung im Wortlaut (DÄB 25/2001)

    „Ob es sich um einen Kranken oder bereits um einen Verstorbenen handelt, bedarf im Regelfall sachverständiger Feststellung durch den Arzt. Das gilt auch, wenn die Person bis zum Eintreffen des Arztes zwischenzeitlich gestorben ist und ärztliche Hilfe nicht mehr erforderlich war. Hier gilt, dass der Arzt die gegebenenfalls unvollständige Erbringung der Besuchsleistung nicht zu verantworten hat und diese damit abrechenbar ist. Bei gesetzlich Krankenversicherten ist der Besuch dann zulasten der GKV zu berechnen“.

     

    Auch wenn dann nur ein „EBM-Besuch“ abrechenbar wird, wird das Problem wenigstens etwas entschärft. Ausnahmen von der Regel der Berechnung eines Besuchs zulasten der GKV bestehen, wenn der Tod bei Anforderung der Leichenschau schon zweifelsfrei feststeht, zum Beispiel bei Wasserleichen oder ähnlichen Umständen oder wenn der Notarzt den Tod bereits feststellte, aber die Leichenschau nicht mehr (oder noch nicht) selber durchführte.

     

    Eine vollständige Übertragung des in der Empfehlung der BÄK angesprochenen „Regelfalls“ auf die Privatabrechnung der Besuchsgebühr nach Nr. 50 GOÄ, scheitert daran, dass diese obligat Beratung und symptombezogene Untersuchung fordert. Hier ist die Abrechnung der Besuchsgebühr aber dann statthaft,

    • wenn davon auszugehen war, dass der Betroffene bei Anforderung des Arztes noch lebte. Ist er bei Eintreffen des Arztes bereits verstorben, gilt auch dann, dass der Arzt die gegebenenfalls unvollständige Erbringung der Besuchsleistung nicht zu verantworten hat.

     

    • oder wenn beim Eintreffen noch keine sicheren Todeszeichen vorhanden sind. Das erste Aufsuchen ist dann als Besuch berechenbar (gegebenenfalls nach EBM), „Leichenschau“ ist dann erst das zweite Aufsuchen des Verstorbenen.

    Anmerkungen zur Nr. 100 GOÄ

    Zu Nr. 100 GOÄ sind keine Zuschläge des GOÄ-Abschnitts B V (E ff.) berechenbar. Selbstverständlich kann Nr. 100 GOÄ aber mit einem höheren Faktor (bis 3,5-fach) berechnet werden. Mögliche Umstände und Begründungen in der Rechnung sind zum Beispiel „Untersuchung unter erschwerten äußeren Bedingungen“ oder „schwierige Entkleidung der Leiche“ oder „erschwerte Untersuchung bei bereits eingetretener Leichenstarre“ oder „stark verschmutzte Leiche“. Auch „Untersuchung am Ort des Versterbens“ ist möglich. Zwar ist das regelhaft der Fall, aber eine Untersuchung unter den Bedingungen des Auffindeortes ist ohne Zweifel gegenüber einer Untersuchung unter Praxisbedingungen erschwert. So erklärte jedenfalls die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern im dortigen Ärzteblatt (8/2014), dass sie diese Begründung zwar nicht empfehlen könne, aber auch nicht beanstanden würde.

     

    Umstritten ist, ob zu Nr. 100 GOÄ die Nr. 4 GOÄ berechenbar ist. Die Todesbescheinigungen fordern, dass im vertraulichen Teil Angaben zum zuletzt behandelnden Arzt und zu „anderen wesentlichen Krankheiten“ gemacht werden. Bei Verstorbenen, die nicht eigene Patienten sind, erfordert das regelhaft die Angaben Dritter (bei eigenen Patienten nur in Ausnahmefällen eines „plötzlichen und unerwarteten Todes“) . Dafür ist Nr. 4 GOÄ analog berechenbar. Analog, weil Nr. 4 GOÄ „im Zusammenhang mit der Behandlung eines Kranken“ lautet. Mancherorts (zum Beispiel im GOÄ-Kommentar des Deutschen Ärzteverlags) wird das abgelehnt, dies sei Bestandteil der „Komplexleistung“ Nr. 100 GOÄ. Nr. 100 GOÄ ist aber keine „Komplexleistung“ (und heißt deshalb nicht „Leichenschau“, sondern „Untersuchung ... einschließlich ... Feststellung .. und Ausstellung ...“), sondern hat einen exakt beschriebenen Leistungsinhalt. Damit ist zwar für das „Ausfüllen der Todesbescheinigung“ kein zusätzliches Honorar (zum Beispiel nach Nr. 80 GOÄ) berechenbar, aber für die „Fremdanamnese“. Auch die Honorarrelationen sprechen gegen das Argument einer „Komplexleistung“: Wäre die Nr. 4 analog in Nr. 100 GOÄ umfasst, blieben für die Untersuchung und die „Schreibarbeit“ ganze 30 Punkte. Zu Nr. 4 GOÄ sind gegebenenfalls die Zuschläge A bis D der GOÄ berechenbar.

     

    Zur Nr. 100 GOÄ ist Wegegeld berechenbar. Wenn die Entfernung mehr als 25 km beträgt, Reiseentschädigung nach § 9 GOÄ. Ein Sozialamt meinte, das sei nicht zulässig, denn in der allgemeinen Bestimmung vor den Nrn. 100 ff. stände ausdrücklich nur „Wegegeld“. Dieses redaktionelle Versehen bei der Fassung der GOÄ kann aber nicht dazu führen, dass die übergeordnete Regelung des § 9 GOÄ aufgehoben wird.

     

    Die Formularkosten können gemäß § 10 GOÄ zusätzlich berechnet werden.

    Schlusswort

    Eine der Leistung eigentlich angemessene Honorierung können auch wir nicht gegen „Bedenkenträger“ durchsetzbar darstellen. Dass in der Praxis das Problem insbesondere mit der Besuchsgebühr relativ selten auftritt, geht nach dem Motto „Wo kein Kläger, da kein Richter“. Andererseits können wir im Beitrag die Möglichkeiten aufzeigen, die korrekt sind und einigen verbreiteten Einwänden begegnen. Damit sind (aus Platzgründen) die Fragen „rund um Nr. 100“ nicht alle beantwortet. Wir werden sie im GOÄ-Spiegel berücksichtigen.

    Quelle: ID 45728836