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  • · Fachbeitrag · Hausarzt-EBM

    Chronikerpauschalen und Gesprächsleistung: Wann ist welche Erkrankung „lebensverändernd“?

    | Die neuen Chronikerpauschalen und Gesprächsleistungen sind nur bei einer „lebensverändernden Erkrankung“ berechnungsfähig. Was ist aber unter dem Begriff „lebensverändernde Erkrankung“ zu verstehen? Wir versuchen nachfolgend eine Interpretation. |

    „Lebensverändernde Erkrankungen“ - die unendliche EBM-Geschichte!

    Sowohl die neuen Chronikerpauschalen (Nrn. 03220, 03221, 04220, 04221) als auch die neuen Gesprächsleistungen nach den Nrn. 03230/04230 sind nur bei einer „lebensverändernden Erkrankung“ berechnungsfähig. Außerdem muss eine Erkrankung für den Ansatz der Chronikerpauschalen „chronisch“ sein. Die Nrn. 03220 und 04220 setzen zudem eine „Behandlung und Betreuung“ voraus, die Nrn. 03221 und 04221 eine „intensive Betreuung und Behandlung“. Was auch immer der Unterschied sein mag, eine Definition oder Erläuterung dazu findet sich im EBM nicht. Dabei ist der Begriff „lebensverändernd“ im Zusammenhang mit der Abrechnung ärztlicher (Gesprächs-)Leistungen nicht neu!

     

    Der bis Ende 1995 geltende EBM enthielt unter der Nr. 11 folgende Leistungslegende:

     

    EBM-Nr.
    Legende

    11

    Erörterung der Auswirkungen einer Krankheit auf die Lebensgestaltung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Feststellung einer nachhaltig lebensverändernden oder lebensbedrohenden Erkrankung …..........................

     

    und in der Vorgängerversion des jetzigen EBM 2000plus (bis 31. März 2005) fand sich unter der Nr. 17 diese Leistungslegende:

     

    EBM-Nr.
    Legende

    17

    Intensive ärztliche Beratung und Erörterung zu den therapeutischen, familiären, sozialen oder beruflichen Auswirkungen und deren Bewältigung bei nachhaltig lebensverändernder oder lebensbedrohender Erkrankung …..........................

     
    • Kommentar zu den damaligen Nrn. 11 und 17

    Als nachhaltig lebensverändernd lassen sich Erkrankungen charakterisieren, die durch chronischen Verlauf, ungünstige oder unabänderliche Prognose dazu zwingen, über schwerwiegende Konsequenzen im familiären, beruflichen oder gesellschaftlichen Leben nachzudenken und gegebenenfalls tiefgreifende Änderungen in der Lebensplanung und -gestaltung vorzunehmen.

    (Kölner Kommentar zum EBM - Stand: Oktober 2001)

     

    Auch die GOÄ kennt eine vergleichbare Leistung, die aufgrund der unterschiedlichen Auslegung des Begriffs „lebensverändernd“ häufig von PKVen und Beihilfen in der Erstattung abgelehnt wird: die Nr. 34 GOÄ (300 Punkte).

     

    • Leistungslegende der Nr. 34 GOÄ

    Erörterung (Dauer mindestens 20 Minuten) der Auswirkungen einer Krankheit auf die Lebensgestaltung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Feststellung oder erheblichen Verschlimmerung einer nachhaltig lebensverändernden oder lebensbedrohenden Erkrankung - gegebenenfalls einschließlich Planung eines operativen Eingriffs und Abwägung seiner Konsequenzen und Risiken -, einschließlich Beratung - gegebenenfalls unter Einbeziehung von Bezugspersonen.

     

    Der Begriff „Lebensverändernd“ lässt einen großen Beurteilungsspielraum zu

    Im Praxisalltag und auch im allgemeinen Sprachgebrauch wird „lebensverändernd“ häufig im Sinne von „lebensbedrohend“ oder „gesundheitlich schwerst beeinträchtigend“ verstanden. Der Umstand „lebensverändernd“ lässt sich insofern nicht an bestimmten Diagnosen festmachen. Es gibt zwar Diagnosen, die eine eindeutige Zuordnung begründen können und die unzweifelhaft lebensverändernd sind, wie zum Beispiel bösartige Erkrankungen, koronare Herzkrankheiten, Niereninsuffizienz, ausgeprägte arterielle Hypertonie usw. Ob eine Krankheit aber tatsächlich lebensverändernd ist, hängt nicht nur von deren Schweregrad im medizinischen („krankmachenden“) Sinn ab. Lebensverändernd können auch Erkrankungen sein, die das Allgemeinbefinden relativ wenig beeinträchtigen, die aber auf die Lebensgestaltung wesentlichen Einfluss haben.

     

    • Beispiele
    • Mit allergischen Hautausschlägen an den Unterarmen ist eine Tätigkeit als Verkäufer(in) in einem Fleischerfachgeschäft schwerlich denkbar.
    • Auch ein Befall mit einer schweren Akne im Gesicht einer Verkäuferin von Kosmetikartikeln wird eine Tätigkeit unmöglich machen.
    • Und ein Stotterer wird für eine Tätigkeit im Außendienst (Vertreter) nicht infrage kommen.
     

    Kurzum: Eine „Lebensveränderung“ wird man nicht an die angegebenen Diagnosen binden können; Prüfungen der Abrechnungen in dieser Hinsicht werden nicht durchführbar sein.

     

    MERKE |  Bei Abrechnung der Chronikerpauschalen und der neuen Gesprächsleistung ist unbedingt in den Behandlungsunterlagen zu dokumentieren - insbesondere bei Erkrankungen mit geringfügigem Krankheitswert -, weshalb nach ärztlicher Beurteilung diese bestimmte, länger bestehende Erkrankung für den konkreten Patienten lebensverändernde Auswirkungen hat. Bei den neuen Gesprächsleistungen 03230 und 04230 ist das Vorliegen einer „lang andauernden“ Erkrankung nicht erforderlich, hier reicht „lebensverändernd“.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 13 | ID 42230863