06.09.2010 |Fallbeispiel
Behandlungsverlauf und Abrechnungsmodalitäten bei einer akuten Zystitis
Harnwegsinfektionen treten bei Frauen im Alter zwischen 18 bis 30 Jahren mehr oder weniger häufig - zum Teil auch öfter - auf. Damit gehören akute, unkomplizierte Harnwegsinfektionen zu den häufigsten Infektionen der Frau überhaupt. Die akute Zystitis findet sich vor allem bei Kindern und sexuell aktiven Frauen. Grund genug, um anhand eines Fallbeispiels darzustellen, wie ein optimaler Behandlungsablauf durchgeführt und dieser abgerechnet werden kann.
Fakten und Zahlen
Im fortgeschrittenen Lebensalter sind auch Männer betroffen - meist im Zusammenhang mit einer gutartigen Prostatavergrößerung. In den meisten Fällen handelt es sich um aszendierende Infektionen, deren häufigste Ursache gramnegative Stäbchen aus der Darmflora sind. Von rezidivierenden Harnwegsinfektionen spricht man, wenn innerhalb eines Jahres mehr als zwei Infektionen auftreten.
Tritt innerhalb von 14 Tagen nach einer Erstinfektion eine weitere Harnwegsinfektion durch den gleichen Erreger auf, handelt es sich um einen Rückfall. Tritt erst nach einem Zeitraum von zwei Wochen nach erfolgreich therapierter Infektion eine erneute Zystitis auf, handelt es sich um eine Reinfektion. Dabei liegt die Hauptursache in der Kolonisation des vaginalen Introitus durch uropathogene Keime.
ICD-10-GM*
Diagnose | ICD-10 |
Harnwegsinfektion - akut, chronisch | N39.0 |
Chronische interstitielle Zystitis | N30.1 |
Sonstige chronische Zystitis | N30.2 |
Sonstige Zystitis | N30.8 |
Zystitis n.n.b. | N30.9 |
Harnwegsinfekt, n.n.b. | N39.0 |
Harnwegsinfektion bei Gravidität | O23.4 |
Harnwegsinfektion beim Neugeborenen | P39.3 |
*Zur Abrechnung ist die Zusatzkennung mit A = Ausschluss, G = Gesichert, V = Verdacht, Z = Zustand nach ... zwingend vorgeschrieben. Lokalisationsangabe ist fakultativ: R = rechts, L = links, B = beidseits.
In über 80 Prozent der Fälle spielt E. coli die entscheidende Rolle. Der Keim stammt aus der intestinalen Mischflora, die sich aus über 400 Spezies zusammensetzt. Neben dem Haupterreger E. coli können auch Staphylococcus saprophyticus, Proteus, Klebsiella und Pseudomonas als Auslöser einer Harnwegsinfektion verantwortlich sein.
Merke!
Häufig zu wenig beachtet werden Harnwegsinfektionen, die nicht bakteriell, sondern durch Chlamydien verursacht sind. Der Infektionsweg ist gewöhnlich aufsteigend verursacht - in seltenen Fällen lymphogen oder hämatogen. Meist sind es dann die typischen Miktionsbeschwerden (Algurie, Dysurie, Pollakisurie, Nykturie), die die Patientinnen veranlassen, in die Praxis zu kommen. |
Oft stehen aber auch Rücken-/ oder Leistenschmerzen im Vordergrund des Beschwerdebildes, weshalb durchaus eine subtile Diagnostik notwendig werden kann.
Der Fall
Die 34-jährige Patientin klagt über eine seit Tagen bestehende schmerzhafte Miktion verbunden mit Rückenschmerzen und gehäuftem Harndrang. Sie habe ein Druckgefühl im Unterbauch und auch das Gefühl, ständig zur Toilette zu müssen. Es sei jetzt das vierte Mal, dass sie im Laufe des letzten Jahres eine Blasenentzündung habe. Wegen der Rückenschmerzen habe sie Sorge, dass die Nieren mitbeteiligt sein könnten. In ihrer Jugend habe sie mehrere Nierenbeckenentzündungen gehabt.
Die ausführliche Anamneseerhebung, die Untersuchung und die Urinanalyse mittels Streifentest (typische Befunde sind hier Leukorrhoe, Eiweiß und Nitrit positiv, Mikrohämaturie) und Mikroskopie ergeben die Verdachtsdiagnose einer Harnwegsinfektion. Mittels des Streifentests ist zwar eine schnelle orientierende Untersuchung möglich, wobei dennoch nicht auf die Untersuchung der ableitenden Harnwege verzichtet werden sollte - auch wenn eine solche Untersuchung nach EBM nicht getrennt berechnungsfähig ist. Bei der Vorgeschichte der Patientin ist auch die sonografische Untersuchung der Nieren und ableitenden Harnwege angezeigt. Eine Blutentnahme zur Bestimmung der Entzündungsparameter wird abgenommen. Die Einleitung der Antibiose sowie die weiteren Verhaltensmaßnahmen werden mit der Patientin ausführlich besprochen und ein Kontrolltermin in fünf Tagen vereinbart.
1. Konsultation
EBM | Legende | GOÄ | |||
Ziffern | Punkte | Euro |
| Ziffern | Punkte |
03111 | 880 | 30,84 | Versichertenpauschale/Beratung | 1! 2) | 80 |
- 1) | - | - | Körperliche Untersuchung | 7 | 160 |
33042 | 445 | 15,60 | Sonographie | 410 + 3 x 420 3) | 200 + 3 x 80 |
32030 | - | 0,50 | Harnstreifentest | 3511 | 50 |
32031 | - | 0,25 | Urinsediment im Phasenkontrast | 3532 | 90 |
-1) | - | - | Blutentnahme | 250 | 40 |
!Die mit einem Ausrufezeichen gekennzeichneten Leistungen der GOÄ werden mit einem erhöhten Faktor abgerechnet. Begründung: „erhöhter Zeitaufwand v.a. wegen gravierender Erkrankung“, „Untersuchung mehrerer Organsysteme“.
1)Diese Leistungen sind im EBM nicht gesondert berechnungsfähig. Als Bestandteil des Anhang 1 gelten diese Leistungen mit der Berechnung der Versichertenpauschale als abgegolten.
2)Die Nr. 3 GOÄ (der Zeitaufwand war mehr als zehn Minuten) ist nur als alleinige Leistung oder in Kombination mit den Nrn. 5, 6, 7, 8, 800 oder 801 zu berechnen und kann hier nicht berechnet werden.
3)Die Leistungslegende zur Ziffer 410 GOÄ beinhaltet die Ultraschalluntersuchung eines Organs. Für jedes weitere untersuchte Organ kann die Ziffer 420 GOÄ bis maximal dreimal abgerechnet werden. Beachten Sie, dass das jeweils untersuchte Organ anzugeben ist.
Einzelheiten zur sonografischen Untersuchung
Die sonografische Untersuchung in der GOÄ ist etwas kompliziert. Die Ziffer 410 gilt für die sonografische Untersuchung eines Organs, die Nr. 420 für jedes weitere Organ, jedoch nur bis maximal drei Organe. Ein Organ stellt eine Funktionseinheit aus Zellen und Gewebe dar. Da eine Niere allein, aber auch zum Beispiel ein Hoden oder ein Eierstock die Organfunktion vollständig übernehmen kann, ist jedes von ihnen als ein Organ anzusehen.
Bei der sonografischen Untersuchung beider Nieren, der Harnleiter und der Harnblase kann nach GOÄ zum Beispiel für die Niere rechts als erstes Organ die Ziffer 410 abgerechnet werden und danach für die Niere links, Harnleiter und Harnblase insgesamt dreimal die Ziffer 420. Zu beachten ist, dass für jede Leistungsziffer jeweils das untersuchte Organ anzugeben ist.
Im Rahmen des EBM ist die Untersuchung der Nieren und ableitenden Harnwege (Retroperitoneum) für Allgemeinärzte, die eine entsprechende Sonographie-Genehmigung haben, nach Ziffer 33042 abzurechnen. Die entsprechende urologische Leistung nach Nr. 33043 ist den Urologen vorbehalten, es sei denn, es liegt eine diesbezügliche Genehmigung für die sonografische Untersuchung der Nieren und ableitenden Harnwege vor. In einigen KVen ist jedoch darauf zu achten, dass die sonografische Untersuchung einer Niere grundsätzlich nach Ziffer 33043 abzurechnen ist.
Obwohl sich die Diagnose eines Harnwegsinfekts zwar meist schon aus der Anamnese und der Untersuchung stellen lässt, sollte sie jedoch im Falle der rezidivierenden Infektionen laborchemisch gesichert werden. Die weiteren Laboruntersuchungen zur Differentialdiagnose konzentrieren sich auf Blutbildveränderungen, Urinkulturen und Entzündungsparameter einerseits sowie auf den Ausschluss möglicher Nierenfunktionsstörungen andererseits.
Laboruntersuchungen1)
EBM | Legende | GOÄ | |||
Ziffern | Punkte | Euro |
| Ziffern | Punkte |
32042 | - | 0,25 | BKS | 3501 | 60 |
321202) | - | 0,50 | Blutbild und Blutbildbestandteile | 3550 | 60 |
32056 | - | 0,25 | Gesamteiweiß | 3573.H1 | 30 |
32025 | - | 1,60 | Glukose | 3560 | 40 |
32064 | - | 0,25 | Harnsäure | 3583.H1 | 40 |
32065 | - | 0,25 | Harnstoff | 3584.H1 | 40 |
32067 | - | 0,40 | Kreatinin, enzymatisch | 3585.H1 | 40 |
32128 | - | 1,15 | C-reaktives Protein | 3524 | 100 |
1)Die Laborleistungen im Rahmen des EBM sind nach der letzten Laborreform vom 1.10.2008 vom niedergelassenen Arzt (mit Ausnahme des Praxis-Akutlabors) nicht mehr gesondert berechnungsfähig. Die Leistungen werden von der betreffenden Laborgemeinschaft bzw. dem beauftragten Labor direkt mit der KV abgerechnet. Die Leistungspositionen sind jedoch für die Berechnung des Laborbudgets wichtig.
Die Kontrolluntersuchung nach fünf Tagen ergab keinen pathologischen Wert, die Patientin selbst war beschwerdefrei. Die zukünftige Prophylaxe, Selbsttherapie und die Bewältigung der für die Patientin möglicherweise entstehenden Probleme im Umgang mit ihrem Beruf - oder auch im privaten Bereich - sowie die damit notwendig werdenden Verhaltensänderungen wurden in einem entsprechenden aufklärenden Gespräch ausführlich erörtert.
2. Konsultation
EBM |
| GOÄ | |||
Ziffern | Punkte | Euro | Legende | Ziffern | Punkte |
- 1) | - | - | Beratung | - 2) | - |
- 1) | - | - | Symptombezogene Untersuchung | - 3) | - |
32030 | - | 0,50 | Harnstreifentest | 3511 | 50 |
32031 | - | 0,25 | Urinsediment, mikroskopisch Urinsediment im Phasenkontrast | 3531 3532 | 70 90 |
- 1) | - | - | Eingehende Erörterung | 34 | 300 |
1)Diese Leistungen sind im EBM nicht gesondert berechnungsfähig. Als Bestandteil des Anhang 1 gelten diese Leistungen mit der Berechnung der Versichertenpauschale als abgegolten.
2)Die hier anfallende Beratung nach Nr. 1 GOÄ ist nicht neben der Nr. 34 GOÄ berechnungsfähig und entfällt.
3)Entsprechend der Allgemeinen Bestimmungen sind die Leistungen nach den Nrn. 1 und/oder 5 nur einmal im Behandlungsfall neben Sonderleistungen der Kapitel „C“ bis „O“ berechnungsfähig. Aus diesem Grund ist auf die Berechnung der Nr. 5 zu verzichten.