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  • 03.02.2025 · IWW-Abrufnummer 246183

    Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 04.11.2024 – 9 Sa 42/24

    Die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung aus dem Homeoffice zu gestatten, stellt kein milderes Mittel gegenüber einer Änderungskündigung dar, mit der der Arbeitsort des Arbeitnehmers geändert wird.


    In der Rechtssache
    - Kläger/Berufungskläger -
    Proz.-Bev.:
    gegen
    - Beklagte/Berufungsbeklagte -
    Proz.-Bev.:
    hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 9. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Tillmanns, den ehrenamtlichen Richter Fischer und den ehrenamtlichen Richter Lürig auf die mündliche Verhandlung vom 04.11.2024
    für Recht erkannt:

    Tenor: I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Villingen-Schwenningen - Kammern Radolfzell - vom 31.07.2024 - 8 Ca 234/24 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. II. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.

    Der Kläger war seit 01.05.2008 nach Betriebsübergängen zuletzt als Meister Endmontage Kühlturmbau und Versand bei der Beklagten an deren Standort in R. beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt 88 Personen, davon 7 am Standort in R.. Der Kläger erzielte zuletzt eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung von 5.620,53 €. Dem Arbeitsverhältnis liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 23.03.2008 (ABl. 38f.) zu Grunde. In der Änderungsvereinbarung vom 09.11.2026 haben die Parteien vereinbart:

    "§ 2 Tätigkeit/Dienstsitz/Zuweisung anderer Tätigkeiten & Versetzung (1) Der Arbeitnehmer wird als Meister Endmontage, Kühlturmbau & Versand eingestellt. ... (5) Der Dienstsitz des Arbeitnehmers ist der Sitz der Gesellschaft derzeit in S. (6) Die Gesellschaft ist berechtigt, unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers, den Arbeitnehmer jederzeit ein anderes, seinen Fähigkeiten und Qualifikationen entsprechendes Aufgaben- und Verantwortungsgebiet IM INNEN- UND IM AUßENDIENST ohne Einschränkung seiner Vergütung zu übertragen."

    Die Beklagte hat im Dezember 2023 die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Standort in R. zu schließen. Die Entscheidung hatte wirtschaftliche Hintergründe. Von den betroffenen 7 Beschäftigten in R. wurde 6 Personen, darunter der Kläger, eine Änderungskündigung ausgesprochen und angeboten das Arbeitsverhältnis zu im Übrigen unveränderten Bedingungen am Standort in D. (ca. 240 km von S. entfernt) fortzusetzen. Die Mietverträge für die Räumlichkeiten in R. sind gekündigt.

    Gegenüber dem Kläger kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15.04.2024, dem Kläger am 17.04.2024 zugegangen zum 31.10.2024 (ABl. 4). Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu ansonsten unveränderten Konditionen am Dienstsitz D. wurde ab 01.11.2024 angeboten. Wörtlich heißt es: "Alle übrigen Arbeitsvertragskonditionen - bis auf den Arbeitsort - verändern sich für Sie nicht."

    Der Kläger teilte über seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 08.05.2024 mit, dass er die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt annehme, dass diese nicht sozial ungerechtfertigt sei und "die Tätigkeit nicht zwingend in D. ausgeübt werden muss, mein Mandant seine Tätigkeit vielmehr von Zuhause aus erledigen kann. Gegen Fahrtkostenerstattung kann er bei Bedarf auch monatlich zu persönlichen Besprechungen nach D. kommen".

    In der Vergangenheit hat der Kläger mehrere Tage in der Woche - der genaue Umfang ist streitig - von zu Hause aus gearbeitet.

    Der Kläger vertritt die Auffassung, die Beklagte hätte als milderes Mittel im Rahmen der betriebsbedingten Änderungskündigung ihm anbieten müssen, seine Tätigkeit vollständig im Homeoffice an seinem Wohnort in E. auszuüben und lediglich zu erforderlichen Besprechungen ca. monatlich nach D. kommen zu müssen. Er habe seit der Corona-Pandemie auch ein bis zwei Tage im Homeoffice arbeiten können. Die Tätigkeit lasse eine vollständige Durchführung im Homeoffice unproblematisch zu. Weder organisatorische noch wirtschaftliche Aspekte sprächen dagegen, ihn künftig ausschließlich im Homeoffice einzusetzen, da ihm ein Umzug in das 240 km entfernte D. nicht zumutbar sei.

    Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt:

    Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 15.04.2024 rechtsunwirksam ist.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte hält die Änderungskündigung für sozial gerechtfertigt, da betriebsbedingte Kündigungsgründe aufgrund der unstreitigen Schließung des R. Standortes vorlägen. Auch sonstige Unwirksamkeitsgründe bestünden nicht. Dem Kläger sei nicht als milderes Mittel die vollständige Durchführung seiner Tätigkeit im Homeoffice anzubieten gewesen. Die Beklagte wolle vielmehr - wie andere namhafte Unternehmen - den Anteil von Homeoffice-Tätigkeiten reduzieren. Sie halte die Durchführung der Tätigkeiten in Präsenz am Standort in D. für effektiver und sinnvoller. Außerdem sprächen wirtschaftliche Aspekte durch erhöhten Fahrtkostenaufwand bei Reisen zum Betriebssitz gegen die vollständige Arbeitsleistung im Homeoffice. Zudem eigne sich die konkrete Arbeitsleistung des Klägers auch nicht für Homeoffice-Tätigkeiten. Der Kläger müsse Personaleinsätze koordinieren und sich mit anderen Abteilungen abstimmen sowie Mitarbeiter fachlich und disziplinarisch leiten.

    Dies sei aus 240 km Entfernung nicht möglich.

    Das Arbeitsgericht hat die Klage durch das angegriffene Urteil abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei als Kündigungsschutzantrag nach § 4 S. 1 KSchG auszulegen. Der Kläger habe dem Änderungsangebot nur modifiziert zugestimmt und es damit abgelehnt. Dieser Antrag sei unbegründet, denn die Kündigung sei aus dringenden betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt. Unstreitig sei der Arbeitsplatz des Klägers in R. weggefallen. Die Beklagte habe dem Kläger nicht zur Vermeidung der Beendigungskündigung anbieten müssen, die bisherige Tätigkeit vollständig im Homeoffice zu erbringen. Einen entsprechenden freien Arbeitsplatz gebe es bei der Beklagten nicht. Es liege vielmehr in der unternehmerischen Freiheit der Beklagten zu entscheiden, ob und wo und welche Arbeitsplätze im Unternehmen eingerichtet werden oder nicht und damit auch, in welchem Rahmen häusliche Arbeit durch Arbeitnehmer erfolge. Da die Beklagte weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft den Arbeitsplatz mit dem Tätigkeitsprofil des Klägers als vollständigen Homeoffice-Arbeitsplatz ausgestaltet habe bzw. ausgestalten wolle, bestehe insoweit kein anderweitiger freier Arbeitsplatz, der als milderes Mittel im Rahmen der Änderungskündigung hätte angeboten werden müssen. Die unternehmerische Entscheidung, den Arbeitsplatz - wie auch bisher - nur zu maximal 1-2 Tagen wöchentlich als Homeoffice-Arbeitsplatz auszugestalten, könne nicht durch das Arbeitsgericht dahingehend abgeändert werden, dass die Einrichtung eines vollständigen Homeoffice-Arbeitsplatzes als mildere Maßnahme gefordert werde.

    Das arbeitsgerichtliche Urteil vom 31.07.2024 wurde dem Klägervertreter am 05.08.2024 zugestellt. Die Berufung hiergegen ging fristgerecht am 14.08.2024 beim Landesarbeitsgericht ein und wurde ebenso fristgerecht am 28.08.2024 begründet.

    Zur Begründung seiner Berufung tragt der Kläger vor, das Arbeitsgericht verkenne, dass es vorliegend nicht um die Einrichtung eines neuen Arbeitsplatzes, sondern um die Beibehaltung der bisherigen Homeoffice-Tätigkeit gehe. Die Einrichtung eines neuen Arbeitsplatzes sei auch nicht erforderlich, denn der Kläger habe bereits einen Homeoffice-Arbeitsplatz. Entgegen den Feststellungen im arbeitsgerichtlichen Urteil sei er nicht nur an zwei Tagen pro Woche, sondern zeitweise 3-4 Tage pro Woche im Homeoffice tätig gewesen. Dort habe er sich logistisch und technisch vollständig eingerichtet. Folglich gehe es lediglich um die Beibehaltung des bisherigen Arbeitsplatzes zu Hause. Die Schließung des Standorts in R. habe keinerlei Einfluss auf den Kläger und seinen bisherigen Homeoffice-Arbeitsplatz. Das ultima ratio Prinzip gelte auch bei einem Standortwechsel. Die Gewährung der Ausübung der Tätigkeit weiterhin im Homeoffice stelle ein milderes Mittel in diesem Sinne dar. Das Arbeitsgericht habe auch den Vortrag des Klägers, dass er ohne weiteres seine gesamte Tätigkeit aus dem Homeoffice erbringen könne fälschlicherweise nicht berücksichtigt. Es bestehe keinerlei Bedürfnis für eine persönliche Anwesenheit des Klägers im Betrieb in D.. Es werde ausdrücklich bestritten, dass sich die Produktivität der Mitarbeiter durch das Homeoffice massiv verschlechtert habe. Vielmehr sei durch die Pandemie ein Wertewandel eingetreten. Während der Pandemie sei von den Arbeitnehmern verlangt worden, sich auf die veränderte Situation einzustellen. Daraus lasse sich ein Anspruch auf Aufrechterhaltung des Homeoffice herleiten. Einerseits müsse sich ein Arbeitnehmer ins Homeoffice versetzen lassen, dann müsse ihm auch zugestanden werden, dass seine schutzwürdigen Interessen an der Beibehaltung des Homeoffice zu berücksichtigen sind. Vorliegend sei davon auszugehen, dass das Ermessen der Beklagten bei der Ausübung ihres Direktionsrechtes, mit dem sie anordne, dass der Kläger seine Arbeitsleistung wieder ausschließlich in der betrieblichen Arbeitsstätte in D. zu erbringen habe, auf Null reduziert sei.

    Der Kläger beantragt daher:

    Das Urteil des Arbeitsgerichts Villingen-Schwenningen - Außenkammer Radolfzell - vom 3I.07.2024, zugestellt am 05.08.2024, Az.: 8 Ca 234/24, wird abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 15.04.2024 rechtsunwirksam ist und dass das Arbeitsverhältnis über den 37.10.2024 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

    Hilfsweise:

    Das Urteil des Arbeitsgerichts Villingen-Schwenningen - Außenkammer Radolfzell - vom 31.07.2024, zugestellt am 05.08.2024, Az.: 8 Ca 234/24, wird abgeändert. Es wird festgestellt, dass Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 15.04.2024 nicht beendet worden ist, sondern über den 31.10.2024 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie führt zur Begründung aus, die Arbeitsleistung des Klägers sei in der Vergangenheit einmal pro Woche aus dem Homeoffice erbracht worden. Die Beklagte habe jedoch entschieden, sämtliche Homeoffice-Arbeitsplätze zu streichen, nach dem die Corona-Pandemie ausgestanden sei und sich die Produktivität der Mitarbeiter durch das Homeoffice massiv verschlechtert habe. Zutreffend gehe das Arbeitsgericht davon aus, dass der Kläger die geänderten Arbeitsbedingungen durch sein Schreiben vom 08.05.2024 abgelehnt habe. Die ausgesprochene Kündigung sei auch verhältnismäßig. Der Kläger könne nicht geltend machen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm einen Homeoffice-Arbeitsplatz anzubieten. Eine Tätigkeit ausschließlich im Homeoffice scheitere schon daran, dass die gesamte Maschinendokumentation der Beklagten sich zukünftig in D. befinde. Diese liege nicht in digitaler Form vor. Bereits das mache eine dauerhafte Homeoffice-Tätigkeit unmöglich.

    Wegen des weiteren Vortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Berufung ist unbegründet und war daher zurückzuweisen.

    I.

    Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG an sich statthafte Berufung ist fristgerecht innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden. Berufungsschrift und Berufungsbegründung sind dem Gericht auf einem zulässigen Übermittlungsweg im Sinne des § 46c Abs. 3 und 4 ArbG als qualifiziert elektronisches Dokument übermittelt worden. Die Berufung setzt sich in ausreichendem Maße mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil im Sinne von § 520 Abs. 3 ZPO auseinander. Die Berufung ist daher zulässig.

    II.

    Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

    1. Der Hauptantrag ist bereits deswegen unbegründet, weil der Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage nicht die geänderten Arbeitsbedingungen sind, sondern ausschließlich der Bestand des Arbeitsverhältnisses.

    Zutreffend geht das Arbeitsgericht davon aus, dass der vom Kläger erstinstanzlich gestellte Klageantrag als Kündigungsschutzantrag im Sinne von § 4 S. 1 KSchG auszulegen ist. Zutreffend hat das Arbeitsgericht auf Seite 5 unter II. 1. der Gründe ausgeführt, dass der Kläger das mit der Kündigung vom 15.04.2024 unterbreitete Änderungsangebot nur unter wiederum geänderten inhaltlichen Arbeitsbedingungen (ausschließlich Homeoffice) akzeptieren wollte und damit im Sinne von § 150 Abs. 2 BGB keine Annahme - auch nicht unter Vorbehalt - erfolgt ist. Zwischen den Parteien ist streitig, in welchem Umfang der Kläger in der Vergangenheit im Homeoffice tätig war. Egal, ob dies nur ein Tag (so die Beklagte) oder "bis zu" 3-4 Tage (so der Kläger) wöchentlich gewesen sind - eine ausschließliche Tätigkeit im Homeoffice hat es in der Vergangenheit nicht gegeben. Selbst wenn der Kläger das Änderungsangebot der Beklagten so verstehen durfte, dass die Homeoffice-Tätigkeit in bisherigem Umfang beibehalten werden solle, so hat er durch das Schreiben vom 08.05.2024 davon abweichend verlangt, dass er zukünftig ausschließlich im Homeoffice arbeiten kann. Die Änderung der Arbeitsbedingungen ist mangels Annahme - auch nur unter Vorbehalt - gegenstandlos.

    Soweit der Kläger vorträgt, sein Arbeitsplatz in der bisherigen Form mit anteiliger Tätigkeit im Homeoffice sei gar nicht weggefallen begründet das keine Annahme eines Änderungsangebotes, sondern betrifft den betriebsbedingten Kündigungsgrund selbst.

    Nachdem der Klageantrag in dieser Weise in der Berufung als Hauptantrag aber erneut gestellt wurde, ist er abzuweisen.

    2. Auch der hilfsweise gestellte Antrag nach § 4 S. 1 KSchG ist unbegründet. Auch das hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden.

    a) Der Hilfsantrag fällt zur Entscheidung an. Die Auslegung (mangels klarer Bestimmung durch den Kläger) ergibt, dass der Hilfsantrag unter der prozessualen Bedingung steht, dass der Hauptantrag als Änderungsschutzantrag unbegründet ist.

    Die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG ist auch durch den Hilfsantrag gewahrt. Zutreffend richtet sich der Klageantrag nach § 4 S. 1 KSchG. Ebenso zutreffend hat das Arbeitsgericht den Klageantrag auf der Grundlage des Rechtsschutzziels des Klägers bereits in erster Instanz als einen solchen ausgelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf II. 1. der Gründe des angegriffenen Urteils vollumfänglich Bezug genommen.

    b) Der Antrag ist nicht bereits deswegen begründet, weil es sich bei der Kündigung um eine überflüssige bestandsgefährdende Änderungskündigung handeln würde. Das wäre dann der Fall, wenn die Beklagte nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen berechtigt wäre, die mit der Änderungskündigung ausgesprochene Änderung der Arbeitsbedingungen bereits über ihr Direktionsrecht nach § 106 GewO durchzusetzen und der Kläger diese Änderungskündigung nicht angenommen hat (BAG, Urteil vom 06.09.2007 - 2 AZR 368/06).

    Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte angesichts der Formulierung in § 2 der Änderungsvereinbarung, in dem ausdrücklich der Dienstsitz des Klägers am Sitz der Gesellschaft vereinbart worden ist eine Versetzung nach D. nur durch Ausspruch einer Änderungskündigung herbeiführen konnte. Eine örtliche Versetzungsklausel ist in der Änderungsvereinbarung - anders als ursprünglich im Arbeitsvertrag - nicht mehr enthalten. Das entspricht auch dem Verständnis des Klägers, der sich auf eine Unwirksamkeit der Änderungskündigung wegen ihrer Unverhältnismäßigkeit nicht berufen hat.

    c) Der Antrag ist jedoch unbegründet, da die ausgesprochene Kündigung vom 15.04.2024, die nunmehr als Beendigungskündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG zu prüfen ist sozial gerechtfertigt ist, da für sie dringende betriebliche Gründe vorliegen, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb in R. entgegenstehen.

    aa) Dass die Beklagte die unternehmerische Entscheidung getroffen hat, den Standort R. zu schließen, eine Sozialauswahl nicht durchzuführen war und dass die Kündigung auch aus formellen Gründen nicht unwirksam war ist zwischen den Parteien unstreitig.

    Streitig ist allein die Frage, ob die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Kläger ausschließlich - abgesehen von gelegentlichen Dienstreisen nach D. - in seinem Homeoffice in E. zu beschäftigen.

    bb) Da der Kläger mit seinem Schreiben vom 08.05.2024 verlangt hat, zukünftig ausschließlich im Homeoffice beschäftigt zu werden kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte mit der Änderungskündigung vom 15.04.2024 jede Form des Homeoffice-Einsatzes des Klägers zukünftig ausschließen wollte oder ihn lediglich dazu verpflichten wollte, in dem Umfang, in dem er bisher in R. im Betrieb tätig gewesen ist, zukünftig in D. in Präsenz zu arbeiten. Insbesondere die Formulierung im Kündigungsschreiben wonach alle übrigen Arbeitsvertragskonditionen - bis auf den Arbeitsort - sich nicht verändern und lediglich der (vertraglich vereinbarte) Dienstsitz von S. nach D. verlegt wird sprechen dafür, dass das Änderungsangebot der Beklagten nicht ausgeschlossen hat, dass der Kläger auch in Zukunft jedenfalls teilweise im Homeoffice seine Tätigkeit erbringen konnte. Aber auch bei diesem Verständnis des Änderungsangebotes hat es der Kläger durch das Verlangen nach ausschließlichem Homeoffice abgelehnt. Die schriftsätzlichen Einlassungen der Beklagten sprechen allerdings dafür, dass die Beklagte das Änderungsangebot in dem Sinne verstehen wollte, dass die Tätigkeit des Klägers in D. ausschließlich in Präsenz erfolgen sollte. Darauf kommt es allerdings nicht an, sondern auf das Verständnis des Klägers als dem Empfänger des Änderungsangebotes nach § 133, 157 BGB.

    Wie das Änderungsangebot für den Kläger zu verstehen war kann aber offenbleiben, denn selbst dann, wenn es so zu verstehen wäre, dass der Kläger seine Tätigkeit zukünftig in D. ausschließlich in Präsenz zu erbringen hätte, wäre damit die Frage, ob der Kläger nicht mehr berechtigt sein soll, seine Tätigkeit teilweise weiterhin vom Homeoffice aus zu erbringen nicht vom Änderungsangebot der Beklagten erfasst gewesen, denn die Frage, ob und in welchem Umfang der Kläger im Homeoffice arbeiten kann, unterliegt mangels einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien über das Homeoffice dem Weisungsrecht der Beklagten und ist daher nicht Gegenstand der Änderungskündigung. Außerhalb der Regelung des § 28b IfSG konnte und kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit im Homeoffice nur gestatten, nicht jedoch anweisen. Soweit angenommen wird, dafür sei immer eine vertragliche Vereinbarung erforderlich (Bayreuther, NZA 2021, 1593, 1594), ist das Gericht anderer Auffassung. Es ist möglich, dass der Arbeitgeber sein Weisungsrecht bezüglich der Bestimmung des Arbeitsortes so ausübt, dass er dem Arbeitnehmer einstweilen die Bestimmung des Arbeitsortes überlässt. Das bedeutet aber nicht, dass damit eine vertragliche Regelung über einen verbindlichen Umfang der Tätigkeit im Homeoffice getroffen ist, sondern der Arbeitgeber überlässt in einem näher bestimmten Umfang im Rahmen seines Weisungsrechtes nach § 106 GewO dem Arbeitnehmer die Bestimmung des Leistungsortes (zum Meinungsstand siehe ErfK/Preis, 25. Aufl. 2025, GewO § 106 Rn. 30b; ders. § 611a BGB Rn 168). Für dieses Verständnis spricht, dass der Arbeitgeber nicht ohne Not auf sein Weisungsrecht bezüglich des Arbeitsortes verzichten wird und sich deswegen nicht vertraglich auf einen bestimmten Arbeitsort, hier das Homeoffice festlegen will.

    Auch bei diesem Verständnis des Änderungsangebotes wäre Gegenstand dieses Angebotes nur die Änderung des Dienstsitzes von S. nach D.. Dass die Beklagte eine Reduzierung oder Aufhebung des Umfangs der Tätigkeit im Homeoffice gleichzeitig zum Inhalt des Änderungsangebotes machen wollte, mit der Folge, dass es sich wiederum insofern um eine überflüssige Änderungskündigung handeln würde, kann nicht angenommen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Beklagte den Umfang des Homeoffice gegebenenfalls durch Ausübung ihres Weisungsrechtes ändern wollte, nicht aber durch die ausgesprochene Änderungskündigung.

    cc) Die ausgesprochene - als betriebsbedingte Beendigungskündigung zu prüfende - Kündigung vom 15.04.2024 ist auch nicht deswegen sozial ungerechtfertigt, weil sie kein milderes Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt hat. Der Kläger macht geltend, als milderes Mittel sei möglich, ihn (nunmehr vollständig) im Homeoffice tätig werden zu lassen. Diesen Arbeitsplatz gäbe es bereits, weil er auch in der Vergangenheit bis zu drei oder vier Tage im Homeoffice tätig gewesen wäre.

    (1) Entgegen der Ansicht des Klägers gibt es einen solchen Arbeitsplatz bisher bei der Beklagten nicht. Der Kläger war auch in der Vergangenheit nicht vollständig im Homeoffice tätig, sondern in streitigem Umfang ein bis zwei oder 3-4 Tage pro Woche. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass es zeitweise 3-4 Tage pro Woche gewesen sind führt das nicht dazu, dass es einen Arbeitsplatz gibt, der vollständig vom Homeoffice des Klägers aus erbracht werden kann. Ausweislich seines Schreibens vom 08.05.2024 verlangt der Kläger aber genau das. Dabei macht es erheblichen einen Unterschied in Bezug auf die Ausübung der Tätigkeit, ob der Kläger jeden Tag im Homeoffice arbeitet oder doch regelmäßig für wenigstens ein bis zwei Tage in der Woche im Betrieb präsent ist. Daher handelt es sich bei einer Tätigkeit ausschließlich im Homeoffice und bei einer Tätigkeit, bei der der Kläger 3-4 Tage pro Woche arbeitet nicht um dieselben Arbeitsplätze.

    Die Frage, welche der beiden Parteien dafür darlegungs- und beweisbelastet ist, in welchem Umfang der Kläger bisher im Homeoffice tätig war, braucht daher nicht entschieden zu werden.

    (2) Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass ein solcher Arbeitsplatz zur Vermeidung der betriebsbedingten Kündigung bei der Beklagten geschaffen wird. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt. Auf die vollumfänglich zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. 2. b) des angegriffenen Urteils wird zunächst vollumfänglich Bezug genommen. Das Arbeitsgericht weist insbesondere zutreffend darauf hin, dass der Arbeitnehmer keinen gesetzlichen Anspruch auf Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes hat (ErfK/Preis, 25. Aufl. 2025, BGB § 611a Rn. 166, beck-online). Dem steht grundsätzlich die unternehmerische Entscheidungsfreiheit entgegen, die auch umfasst, ob der Arbeitgeber gestattet, dass die Arbeitsleistung außerhalb der Betriebsstätte durch die Arbeitnehmer erbracht wird.

    Nach derzeitiger Rechtslage besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Homeoffice nur in seltenen Ausnahmefällen, und zwar, wenn das Ermessen des Arbeitgebers, gem. § 106 S. 1 GewO den Arbeitsort zu bestimmen, nur das Homeoffice als einzige ermessensfehlerfreie Organisationsentscheidung zulässt (Anspruch auf Neuausübung des Weisungsrechts iVm. einer Ermessensreduzierung auf Null). Derartige Ausnahmekonstellationen sind für die Fallgruppen der leidensgerechten Beschäftigung, eines erheblichen Krankheitsrisikos im Betrieb oder familiäre Notsituationen denkbar. Anspruchsgrundlage ist in diesen Fällen § 106 S. 1 GewO i.V.m. § 241 II BGB, da nur die Pflicht zur Rücksichtnahme des Arbeitgebers auf die Interessen des Arbeitnehmers seine Organisationsfreiheit dermaßen einschränken kann. Die Neuausübung des Direktionsrechts muss dem Arbeitgeber in jedem Falle rechtlich möglich und zumutbar sein (Barrein, Das Recht des Arbeitnehmers auf Homeoffice, NZA 2022, 1088,1089 beck-online).

    Entscheidet der Arbeitgeber, bestimmte Tätigkeiten an einen anderen Arbeitsort zu verlegen, ist er gehalten, dem von der Umstrukturierung betroffenen Arbeitnehmer die verlagerten Aufgaben nach den Grundsätzen der anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit zu übertragen. Dazu muss er bei entsprechender Versetzungsklausel sein Direktionsrecht ausüben oder eine gebotene Änderungskündigung aussprechen. Die Arbeit fällt in der verlegten Betriebsstätte weiterhin an. Ist eine Versetzung nach § 106 GewO rechtlich nicht möglich und nimmt der Arbeitnehmer eine Änderungskündigung nicht unter Vorbehalt an, kann der Arbeitnehmer gegen eine daraufhin ausgesprochene Beendigungskündigung grundsätzlich nicht mit Erfolg einwenden, der Arbeitgeber habe für ihn einen Homeoffice-Arbeitsplatz einrichten müssen. Im Rahmen seiner unternehmerischen Organisationsentscheidung legt der Arbeitgeber die Arbeitsorte für die vertraglich geschuldeten Tätigkeiten fest. Es ist dem Arbeitgeber überlassen zu entscheiden, ob er seinen Arbeitnehmern anbietet, die vertraglich geschuldete Arbeit im Homeoffice zu leisten (LAG Köln 10.12.2015 - 7 TaBV 52/15, BeckRS 2015, 119122 Rn. 27). Es besteht keine Pflicht, einen Homeoffice-Arbeitsplatz zu schaffen und hierfür die Kosten zu tragen (APS/Kiel, 7. Aufl. 2024, KSchG § 1 Rn. 541a, beck-online). Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch des Klägers hier nicht aus § 241 Abs. 2 BGB. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Anspruch dann entstehen kann, wenn dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit an den geänderten Betriebssitz, für den Kläger hier in D., aus persönlichen Gründen nicht möglich ist. Außer dem Umstand, dass der Kläger nicht gewillt ist, in D. zumindest einen Zweitwohnsitz zu begründen, hat er allerdings hierzu nichts vorgetragen.

    Aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 02.03.2006 (2 AZR 64/05) folgt nichts Anderes, denn sie betraf ordentlich nicht kündbare Arbeitnehmer bei einer durch einen Interessenausgleich begründeten besonderer Prüfpflicht der Beschäftigung im Homeoffice.

    (3) Zwar wird der Arbeitgeber, wenn der betroffene Arbeitnehmer schon bisher aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung im Homeoffice gearbeitet hat, im Rahmen der Rechtsmissbrauchskontrolle erklären müssen, weshalb diese Option bei einer Verlagerung der Betriebsstätte nicht mehr in Betracht kommt (APS/Kiel, 7. Aufl. 2024, KSchG § 1 Rn. 541a, beck-online). Das setzt aber zunächst eine vertragliche Vereinbarung zur Erbringung der Arbeitsleistung im Homeoffice voraus. Geht man davon aus, dass - wie im vorliegenden Fall - eine solche vertragliche Vereinbarung fehlt, ist die Frage des Fortbestandes der Tätigkeit im Homeoffice nur eine Frage der Ausübung und Kontrolle des Weisungsrechts des Arbeitgebers, aber nicht der Kontrolle der Verhältnismäßigkeit einer Beendigungskündigung.

    Im Übrigen hat die Beklagte hier nachvollziehbare Gründe dafür vorgetragen, warum sie zukünftig im Rahmen ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit wünscht, dass der Kläger seine Tätigkeit in Präsenz im Betrieb in D. erbringt. Hier spielt insbesondere eine zentrale Rolle, dass die erforderlichen Anlagenpläne nicht digitalisiert sind.

    Aus diesen Gründen verstößt die ausgesprochene Kündigung auch nicht gegen die allgemeine kündigungsrechtliche Vorgabe, vor Ausspruch einer Beendigungskündigung zu deren Abwendung ein milderes Mittel zu ergreifen.

    Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage daher zu Recht abgewiesen und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ist aus diesem Grunde zurückzuweisen.

    III.

    Nach § 91 Abs. 1 ZPO hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da er vollumfänglich unterlegen ist.

    Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen.

    TillmannsFischerLürig

    Verkündet am 04.11.2024

    Vorschriften§ 4 S. 1 KSchG, § 64 Abs. 2 ArbGG, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 520 Abs. 3 ZPO, § 150 Abs. 2 BGB, § 106 GewO, § 1 Abs. 2 KSchG, § 133, 157 BGB, § 28b IfSG, § 106 S. 1 GewO, § 241 II BGB, § 241 Abs. 2 BGB, § 91 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ZPO