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  • 07.08.2019 · IWW-Abrufnummer 210405

    Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 13.02.2019 – 5 Sa 524/18

    1. Eine Ausschlussfrist, die im Falle des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis die Geltendmachung in Textform spätestens einen Monat nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses vorsieht, verletzt nicht das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG .

    2. Eine tarifliche Ausschlussfrist, die die Geltendmachung des Mindestlohnes nicht ausdrücklich ausnimmt, ist insoweit unwirksam.

    3. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist nicht mindestlohnwirksam im Sinne des § 3 S. 1 MiLoG .


    Tenor:

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 19.04.2018 - 4 Ca 2349/17 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

    Die Revision wird zugelassen.



    Tatbestand



    Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Urlaubsabgeltung in Anspruch.



    Der 1974 geborene Kläger war vom 01.10.2014 bis zum 30.09.2016 aufgrund eines befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten tätig. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der Arbeitsvertrag vom 19.09.2014. In diesem heißt es unter § 15:



    Für dieses Arbeitsverhältnis gelten die gesetzlichen Bestimmungen, die Betriebsvereinbarungen in der jeweils geltenden Fassung und der Tarifvertrag der chemischen Industrie. Die Regelungen des Tarifvertrages gelten nur so lange, wie für den Arbeitgeber der Tarifvertrag der chemischen Industrie Anwendung findet.



    § 16 des Manteltarifvertrages der chemischen Industrie vom 24.06.1992 in der Fassung vom 02.02.2016 regelt:



    1. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die richtige und vollständige Abrechnung von Vergütungen für Schicht-, Mehr-, Nach-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sowie bei Barzahlungen die Übereinstimmung des in der Abrechnung genannten Betrages mit der tatsächlichen Auszahlung unverzüglich zu überprüfen.



    2. Die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit in Textform geltend gemacht werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung ausgeschlossen. Das gilt nicht, wenn die Berufung auf die Ausschlussfrist wegen des Vorliegens besonderer Umstände eine unzulässige Rechtsausübung ist.



    3. Im Falle des Ausscheidens müssen die Ansprüche beider Seiten spätestens einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Textform geltend gemacht werden.



    4. Wird ein Anspruch erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig, muss er spätestens einen Monat nach Fälligkeit in Textform geltend gemacht werden.



    5. Die genannten Ausschlussfristen gelten nicht für beiderseitige Schadensersatzansprüche sowie für beiderseitige nachwirkende Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.



    Zuletzt erzielte der Kläger ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.452,00 €.



    Im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses führten die Parteien vor dem Arbeitsgericht Iserlohn einen Rechtsstreit aufgrund einer am 20.10.2016 eingegangenen Klage. Durch Urteil vom 06.04.2017 (4 Ca 1826/16) wurde die Klage abgewiesen. Durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 05.10.2017 wurde diese Entscheidung bestätigt (11 Sa 687/17).



    Mit Schreiben vom 04.12.2017 machte der Kläger gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Abgeltung von 23 Urlaubstagen nebst Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des Urlaubsentgeltes geltend. Die Höhe der Forderung berechnete der Kläger wie folgt.



    2.452,00 € x 3 Monate = 7.356,00 €: 13 Wochen: 5 Tage = 113,17 €/Tag mal 23 Urlaubstage = 2.602,91 €. Zusätzlich begehrt er die Zahlung eines Urlaubsgeldes von 50% = 1.301,46 €, insgesamt 3.903,46 €. Hieraus lässt er sich eine Teilzahlung der Beklagten vom 23.05.2016 in Höhe von 613,50 € anrechnen. Die Beklagte reagierte auf die Geltendmachung nicht.



    Mit seiner am 28.12.2017 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgte der Kläger seine Zahlungsansprüche weiter.



    Der Kläger hat beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.290,87 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2017 zu zahlen.



    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.



    Sie hat die Ansicht vertreten, die Forderung sei nach tarifvertraglichen Vorschriften verfallen. Sie hat darauf verwiesen, dass der Kläger unstreitig bereits einen Tag Urlaub im Jahr 2016 genommen habe und das anteilige Urlaubsgeld unstreitig nur 460,12 € betrage, so dass eine Überzahlung stattgefunden habe.



    Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 31 - 32 d.A.) Bezug genommen.



    Gegen das ihm am 24.04.2018 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 22.05.2018 bei Gericht eingegangenen Berufung, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.07.2018 mit am 25.07.2018 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.



    Hier vertritt er die Auffassung, die lediglich einmonatige Ausschlussfrist des Tarifvertrages der chemischen Industrie stelle eine Verletzung zwingenden Gesetzesrechtes, hier des Verjährungsrechtes dar und verstoße gegen Treu und Glauben, da es den Vertragspartner zu voreiliger Klageerhebung zwinge. Zwar komme den Tarifvertragsparteien aufgrund der Tarifautonomie grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum hinsichtlich der Länge der Ausschussfristen zu; extrem kurze Fristen kämen aber einer verbotenen Abbedingung gleich, wenn sie zu kurz bemessen seien, dass der Berechtigte seinen Anspruch innerhalb der Fristen nicht effektiv geltend machen könne. In Anbetracht des Leitbildes der gesetzlichen Verjährungsfristen sei eine einmonatige Ausschlussfrist zu kurz.



    Selbst wenn die Ausschlussfrist wirksam wäre, wäre der Abgeltungsanspruch durch die rechtzeitig erhobene Entfristungsklage rechtzeitig geltend gemacht worden. § 16 MTV sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass mit der Entfristungsklage die von der Entfristungsklage abhängigen Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht seien. Das Urteil des BAG aus dem Jahr 2017 stehe dem nicht entgegen, zumal der Kläger vorliegend nicht die Gelegenheit gehabt habe, seine Ansprüche durch einen Vergleich zu regeln, während die vom Bundesarbeitsgericht besprochenen Fälle jeweils mit einem Vergleich geendet hätten. Der Arbeitnehmer sei ansonsten gezwungen, zur Vermeidung des Verfalls Zahlungsansprüche gerichtlich geltend zu machen, obwohl der Ausgang des Beendigungsprozesses noch offen sei und in jedem Prozess im Kostenrisiko. So habe das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden, dass die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen, die vom Erfolg des Rechtsstreites abhingen, durch die Erhebung der Bestandsschutzklage gerichtlich geltend gemacht seien. Dasselbe müsse auch für diejenigen Ansprüche gelten, die vom Ausgang der Bestandsschutzstreitigkeit abhingen. Ein Arbeitgeber, der im Bestandsschutzrechtsstreit unterliege, müsse damit rechnen, dass Ansprüche geltend gemacht würden, die vom Ausgang des Rechtsstreites abhingen.



    Die Ausschlussfristenregelung verstoße auch gegen § 3 S. 1 MiLoG und sei insoweit teilunwirksam. Weiterhin verstoße sie gegen § 202 Abs. 1 BGB, da sie auch die Vorsatzhaftung nicht ausschließe.



    Der Kläger beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 19.04.2018 zum Aktenzeichen 4 Ca 2349/17 abzuändern und an ihn 3.290,87 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2017 zu zahlen.



    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.



    Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist insbesondere darauf, dass es im Vorverfahren um die Frage gegangen sei, ob der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger ein Angebot auf Weiterbeschäftigung nach Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses gemacht hätte. Das Arbeitsverhältnis habe demnach ohnehin aufgrund Befristung geendet, so dass umso mehr Grund für eine Geltendmachung von Urlaubsansprüchen bestanden hätte.



    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe



    I. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden.



    II. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.



    1) Der Kläger hatte für die Geltendmachung der Urlaubsabgeltung sowie des zusätzlichen Urlaubsgeldes die aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung anwendbare Ausschlussfrist gemäß § 16 Ziff. 3 MTV einzuhalten. Die tarifliche Ausschlussfrist ist wirksam vereinbart. Soweit diese Ausschlussfrist insoweit teilunwirksam ist, als sie auch die Geltendmachung des gesetzlichen Mindestlohnes innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfristen verlangt, ist dieses vorliegend unschädlich, da eine zu zahlende Urlaubsabgeltung im Gegensatz zu einem zu leistenden Urlaubsentgelt nicht mindestlohnrelevant ist. Die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung wurden auch nicht durch das zwischen den Parteien durchgeführte Bestandsschutzverfahren rechtzeitig geltend gemacht.



    a) Die tarifvertragliche Ausschlussfrist ist als Bestandteil der insgesamt in das Arbeitsverhältnis wirksam einbezogenen Tarifverträge der chemischen Industrie einer Inhaltskontrolle entsprechend den §§ 305 ff BGB gemäß § 310 As. 3 BGB entzogen.



    Für vollständig durch eine Globalverweisung in den Arbeitsvertrag einbezogene Tarifverträge gilt, dass eine Angemessenheitskontrolle gem. § 307 Abs. 1 BGB nicht stattfindet. Den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern steht aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum und in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative bei der Gestaltung von Tarifverträgen zu. Die Regelungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien findet ihre Grenzen in entgegenstehendem zwingendem Gesetzesrecht (BAG, Urteil vom 09. 12.2015, 4 AZR 684/12, juris, Rn. 26).



    b) Der Tarifvertrag der chemischen Industrie ist vorliegend vollständig in das Arbeitsverhältnis einbezogen worden. Damit findet eine Überprüfung der getroffenen Regelungen über Ausschlussfristen gem. § 16.3 MTV nicht anhand der §§ 305 ff BGB statt. Vielmehr ist die getroffene Regelung nach den Grundsätzen über die Wirksamkeit tarifvertraglicher Bestimmungen zu beurteilen.



    aa) Danach gilt, dass diese zwingendem Gesetzesrecht nicht entgegenstehen dürfen. Eine Angemessenheitskontrolle findet dagegen nicht statt (BAG, Urteil vom 18.09.2012, 9 AZR 1/11, juris).



    Bezogen auf die Zulässigkeit vereinbarter Ausschlussfristen bedeutet dieses, darauf weist der Kläger zu Recht hin, unter anderem, dass einem Arbeitnehmer die Durchsetzung seiner Rechte nicht in unzumutbarer Weise verkürzt werden und mit unkalkulierbaren Kosten versehen werden darf. Soweit der Kläger sich allerdings hierzu auf die Entscheidung des BVerfG vom 01.12.2010 (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 01.12.2010, 1 BvR 1682/07, juris) beruft, ist diese für die vorliegende Fallgestaltung nicht einschlägig. Dort war das Grundrecht des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG als verletzt angesehen worden, da aufgrund der tarifvertraglich geltenden zweiten Stufe der Ausschlussfrist eine gerichtliche Geltendmachung zur Vermeidung des Verfalls erforderlich war, die eine Partei dazu zwingt, ein gerichtliches Zahlungsverfahren noch vor Abschluss eines die Vergütungsansprüche erst begründenden Bestandsschutzverfahrens anhängig zu machen.



    Die vorliegend anzuwendende Ausschlussfristenregelung sieht aber in keiner ihrer Unterpunkte eine gerichtliche Geltendmachung vor, vielmehr ist eine Geltendmachung allein in Textform ausreichend. Eine analoge Anwendung dieser Rechtsprechung auch für die Fälle, in denen lediglich eine Geltendmachung in Textform erforderlich ist, ist zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nicht geboten.



    Durch eine einfache Geltendmachung in Textform, die auch durch eine e-mail gewährleistet wird (so schon BAG, Urteil vom 07. Juli 2010, 4 AZR 549/08, juris) entstehen einer Partei keinerlei Kosten. Durch sie wird sodann die Anwendung der ohnehin geltenden Verjährungsfrist von drei Jahren gem. § 195 BGB gewährleistet, ohne dass die Partei weitere Schritte unternehmen müsste. Auch sieht der Tarifvertrag die einmonatige Ausschlussfrist lediglich für den Fall des beendeten Arbeitsverhältnisses vor, also dann, wenn beide Seiten ein gesteigertes Interesse daran haben, zu wissen, ob ein Arbeitsverhältnis nunmehr insgesamt abgeschlossen und nicht mehr mit Forderungen der Gegenseite zu rechnen ist. Unter dieser Prämisse erscheint auch die Festlegung einer Frist von einem Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, um beide Seiten dazu anzuhalten, zu prüfen, ob noch einzelne Forderungen aus der Vergangenheit offen sind oder aber die Schlussabrechnung korrekt erfolgt ist, nicht unangemessen kurz. Insbesondere das vollständige Fehlen einer ganzen Abrechnungsposition, wie sie die Urlaubsabgeltung darstellt, ist ohne weitere Nachforschungen erkennbar (im Ergebnis ebenso bei einer einmonatigen Ausschlussfrist LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.12.2013, 7 Sa 1649/13, juris, Rz. 30).



    bb) Die Ausschlussfrist widerspricht auch nicht den Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9).



    Wie das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden hat (Urteil vom 18. September 2012, 9 AZR 1/11, juris, Rz. 26) sind Ausschlussfristen für die aufgrund von Richtlinien gewährleisteten Ansprüche nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil vom 08.07.2010, C-246/09, juris, Rz. 36, 42) grundsätzlich mit dem Erfordernis der Effektivität vereinbar, weil eine solche Festsetzung ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit ist. Erforderlich ist, dass die Fristen sowohl hinsichtlich ihrer Länge als auch hinsichtlich des Zeitpunkts ihres Beginns den Anforderungen des Effektivitätsgrundsatzes genügen. Die Prüfung, ob dem Effektivitätsgrundsatz genügt wird, obliegt dem nationalen Gericht (EuGH, wie vor, Rz. 42), so dass eine Vorlagepflicht insoweit nicht gegeben ist.



    Um dem Effektivitätsgrundsatz zu genügen, ist nicht erforderlich, dass die Frist für eine Geltendmachung eines Abgeltungsanspruches, der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eindeutig vorhanden oder nicht vorhanden ist, die Dauer des Bezugszeitraums des Urlaubsanspruchs deutlich übersteigt. Letzteres gilt nach der Rechtsprechung des EuGH und folgend des BAG nur dann, wenn Urlaubsansprüche aufgrund Erkrankung für eine längere Zeit nicht in Anspruch genommen werden konnten in Bezug auf den zulässigen Zeitpunkt des Erlöschens des Urlaubsanspruches selbst. Da der Urlaubszeitraum nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere der Erholung des Arbeitnehmers dienen soll, muss ein Übertragungszeitraum für nicht genommenen Urlaub die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH, Urteil vom 22. November 2011, C-214/10, juris, Rz. 38). Diese Gedanken sind auf eine Urlaubsabgeltung, mit der lediglich noch die monetäre Seite des Urlaubsanspruchs abgewickelt wird, nicht zu übertragen.



    cc) Schließlich ist die Vereinbarung einer Ausschlussfrist für Urlaubsabgeltungsansprüche auch dem Grunde nach auch bezogen auf den unabdingbaren gesetzlichen Urlaubsanspruch zulässig. Bei diesem handelt es sich nach der Aufgabe der Surrogatstheorie um einen reinen Geldanspruch, der den Bedingungen für die Geltendmachung von Entgeltansprüche unterliegt (BAG, Urteil vom 17.10.2017, 9 AZR 80/17, Urteil vom 16.12.2014, 9 AZR 295/13, juris, Rn. 28).



    Die vereinbarte Ausschlussfrist von einem Monat zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses ist damit wirksam vereinbart und nicht wegen Gesetzesverstoßes unwirksam.



    2) Der Kläger hat die einmonatige Ausschlussfrist des § 16.3 MTV nicht eingehalten. Die Erhebung der Klage auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses am 20.10.2016 hat die Ausschlussfrist nicht gewahrt.



    a) Wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, kann in der Erhebung einer Bestandsschutzklage nicht die Geltendmachung von solchen Ansprüchen gesehen werden, die nicht bestehen, wenn das Arbeitsverhältnis antragsgemäß fortbesteht, da hier die Zielrichtung der Bestandsschutzklage und die Zahlungsansprüche nicht in dieselbe Richtung gehen, sondern entgegengesetzte Voraussetzungen verlangen. Ein Urlaubsabgeltungsanspruch kann nur bestehen, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist, da eine Abgeltung im bestehenden Arbeitsverhältnis entsprechend § 7 Abs. 4 BUrlG nicht zulässig ist. Die Geltendmachung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses schließt damit einen Abgeltungsanspruch denkgesetzlich aus (zuletzt nochmals BAG, Urteil vom 17.10.2017, 9 AZR 80/17, juris). Soweit der Kläger Bezug auf eine Entscheidung des LAG Niedersachsen (Urteil vom 13. August 2013, 9 Sa 138/13, juris) genommen hat, kann dieser im Hinblick auf die o.g. Entscheidung des BAG nicht gefolgt werden.



    Vorliegend war das Arbeitsverhältnis in jedem Fall zunächst mit Wirkung zum 30.09.2016 beendet worden, da es aufgrund einer getroffenen Befristungsvereinbarung zu diesem Zeitpunkt sein Ende fand. Der Kläger hatte auch nicht einmal geltend gemacht, die getroffene Befristungsvereinbarung sei unwirksam gewesen, sondern darauf abgestellt, dass ihm eine Fortsetzung, somit eine Neubegründung ab dem 01.10.2016, zugesagt worden sei. Insofern war das Arbeitsverhältnis aufgrund der ausdrücklich vor Ablauf der Befristung erfolgten Mitteilung der Nichtfortsetzung (siehe Seite 3 des Urteiles 11 Sa 687/17) auch für den Kläger erkennbar zunächst rechtlich beendet.



    Da der anwendbare Tarifvertrag auch lediglich die Geltendmachung in Textform vorsah, hätte dieses für den Kläger keine unzumutbare Beschränkung der Durchsetzung seiner Rechte und keine unzumutbare Kostenlast bedeutet, wie oben unter II.1.b) aa) ausgeführt.



    Zwar war der Kläger aufgrund der Regelung des Tarifvertrages, die an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpft und nicht etwa an den Zeitpunkt der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über den Bestand des Arbeitsverhältnisses, gehalten, eine Geltendmachung parallel zum Bestandsrechtsstreit durchzuführen. Diese stellt aber keine unzumutbare Belastung dar, zumal eine Partei, die auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses klagt, sich ohnehin Rechenschaft darüber ablegen wird, welche Forderungen - auch für einen möglicherweise abzuschließenden Vergleich - noch aus dem Arbeitsverhältnis bestehen und reguliert werden müssen. Soweit der Kläger darauf verweist, dass er im Gegensatz zu dem vom BAG entschiedenen Fall nicht die Möglichkeit zum Vergleich gehabt habe, erhellt sich die Entscheidungserheblichkeit nicht, da die Forderung zum Zeitpunkt der Entscheidung sowohl erster als auch zweiter Instanz ohnehin nach der Ausschlussfrist erloschen wäre.



    3) Die Ausschlussfrist ist auch nicht unwirksam wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB, da § 16 Ziff. 5 MTV eine Anwendbarkeit der Ausschlussfristen für beiderseitige Schadensersatzansprüche ohnehin insgesamt ausschließt.



    4) Soweit sich der Kläger auf deliktische Ansprüche beruft, sind diese für die Kammer nicht erkennbar. Allein der Umstand, dass die Urlaubsabgeltungsansprüche bis auf einen Tag unstreitig sind, bedeutet nicht, dass eine Nichtzahlung vorsätzlich erfolgt ist. Durch die nicht erfolgte Abrechnung der Urlaubsabgeltung wurde bei dem Kläger auch nicht der Irrtum erzeugt, dass ein solcher Anspruch nicht besteht. Das bloße Unterlassen einer Abrechnung hat für sich genommen überhaupt keinen Aussagewert. Etwas anderes könnte lediglich dann gelten, wenn etwa in der letzten Abrechnung vorher ausgewiesene Urlaubsansprüche auf 0 gesetzt oder die Position Urlaubsabgeltung grundlos mit 0 bewertet worden wäre. Dafür ist nichts erkennbar. Im Übrigen war der Kläger von Anfang an anwaltlich vertreten, so dass ein solcher Irrtum schwer nachvollziehbar wäre.



    5) Der Anspruch des Klägers war auch nicht aus anderen Gründen ohne rechtzeitige Geltendmachung begründet.



    Zwar ist anerkannt, dass eine ausdrückliche Geltendmachung von Ansprüchen dann nicht mehr erforderlich ist, wenn der Arbeitgeber diese durch eine Abrechnung streitlos gestellt hat. Dieses gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Forderung nachträglich als unbegründet widerruft (BAG, Urteil vom 28.07.2010, 5 AZR 521/09, juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht dargetan.



    6) Letztlich ist die Forderung des Klägers auch nicht wegen Verstoßes der Ausschlussfrist gegen § 3 S. 1 MiLoG begründet.



    Zwar hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass sowohl arbeitsvertragliche Ausschlussfristen aufgrund Intransparenz gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (BAG, Urteil vom 18.09.2018, 9 AZR 162/18, juris) als auch tarifvertragliche Ausschlussfristen wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot des § 3 S. 1 MiLoG (BAG, Urteil vom 20.06. 2018, 5 AZR 377/17, juris) unwirksam sein können, wobei der Umfang der Unwirksamkeit bei vertraglichen und tarifvertraglichen Regelungen unterschiedlich sein kann.



    a) Vorliegend ist der Tarifvertrag der chemischen Industrie aufgrund einer Globalverweisung anwendbar, weshalb die Prüfung der Wirksamkeit entsprechend § 310 BGB nicht nach §§ 305 ff BGB zu erfolgen hat, sondern nur ein Verstoß gegen Gesetze in Betracht kommt.



    aa) Grundsätzlich sind auch Tarifverträge den Beschränkungen des § 3 S. 1 MiLoG unterworfen (siehe im Einzelnen und zur Zulässigkeit der sich hieraus ergebenden Begrenzung der Tarifautonomie BAG, Urteil vom 20.6.2018, 5 AZR 377/17, juris, Rn. 26). Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an.



    Nach § 3 S. 1 MiLoG sind Vereinbarungen, die die Geltendmachung des Mindestlohnes beschränken, insoweit unwirksam.



    Hierzu hat das BAG festgestellt, der Verstoß gegen § 3 Satz 1 MiLoG führe zur Teilunwirksamkeit einer den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehmenden tariflichen Verfallklausel. Denn die Norm selbst ordne - ohne dass es eines Rückgriffs auf § 134 BGB bedürfe - die Unwirksamkeitsfolge an, allerdings nur "insoweit", als der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn betroffen ist. Im Übrigen bleibe die tarifliche Verfallklausel wirksam. Die bei arbeitsvertraglichen Verfallklauseln bestehende Frage der Gesamtunwirksamkeit wegen fehlender Transparenz der "Restklausel" stelle sich nicht, weil Tarifverträge entsprechend § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unterlägen (BAG, Urteil vom 20.06.2018, a.a.O., Rn. 25, juris).



    Soweit die tarifliche Klausel in § 16.3 MTV den Mindestlohn ausschließt, ist sie unwirksam.



    bb) Urlaubsabgeltungsansprüche unterfallen nicht den Regelungen des § 3 S. 1 MiLoG.



    § 3 Satz 1 MiLoG erfasst unmittelbar nur den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für geleistete Arbeit. Hierzu zählen aufgrund entsprechender Anwendung auch die Entgeltersatzleistungen wie Entgeltfortzahlungsansprüche (siehe nur BAG, Urteil vom 20.06.2018, wie vor) sowie Ansprüche auf Urlaubsentgelt (BAG, Urteil vom 30. Januar 2019, 5 AZR 43/18, juris). Verpflichtet ein gesetzlicher Tatbestand den Arbeitgeber, den Arbeitnehmer im Fall nicht erbrachter Arbeitsleistung so zu stellen, als hätte er gearbeitet, und gestaltet der Mindestlohn diesen Anspruch mit, gebietet es der Schutzzweck des § 3 Satz 1 MiLoG, nach Maßgabe dieser Norm den Entgeltzahlungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns entsprechend zu sichern. Anderenfalls stünde der Arbeitnehmer entgegen dem Gesetzesbefehl schlechter, als er bei tatsächlicher Arbeit gestanden hätte (BAG, Urteil vom 30.01.2019,wie vor, Rn. 40; Urteil vom 20.06.2018, wie vor, Rn. 33).



    Entgeltersatzleistungen können daher in Höhe des Mindestlohnes weder durch tarifliche noch arbeitsvertragliche Ausschlussklauseln ausgeschlossen werden. Gleichwohl vereinbarte tarifliche Ausschlussklauseln sind "insoweit" unwirksam und können Forderungen nach Ablauf der Ausschlussfrist nur für den Mindestlohn übersteigende Ansprüche ausschließen.



    cc) Diese Voraussetzungen sind im Fall der Urlaubsabgeltung nicht gegeben.



    Dem Urlaubsabgeltungsanspruch steht kein Zeitraum erbrachter oder aufgrund gesetzlichen Anspruches auf Freistellung bei Entgeltfortzahlung nicht erbrachter Arbeitsleistung gegenüber. Dem Arbeitnehmer wird durch den Verfall einer Urlaubsabgeltung weder der Entgeltanspruch für einen Teil eines mit Arbeitsleistung verbrachten Monates noch der Anspruch auf entsprechende Entgeltersatzleistungen entzogen; das monatliche Einkommen des Arbeitnehmers beträgt auch ohne eine zu leistende Urlaubsabgeltung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses monatlich zumindest ein Entgelt in Höhe des Mindestlohnes gemäß § 1 Abs. 2 MiLoG, welches durch § 3 S. 1 MiLoG abgesichert wird. Der Kläger hat sein Bruttomonatsentgelt mit 2.452,00 € angegeben; dieses liegt erheblich über dem Mindestlohn.



    Soweit das BAG den Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen wegen Verstoßes gegen § 3 S. 1 MiLoG für nicht gegeben ansah (BAG, Urteil vom 18.09.2018, 9 AZR 162/18, a.a.O.) beruhte dieses darauf, dass es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um eine nach Inkrafttreten des MiLoG vereinbarte arbeitsvertragliche Ausschlussfrist handelte, welche nach den §§ 305 ff BGB auf ihre Wirksamkeit zu prüfen und als intransparent gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB anzusehen und daher gem. § 306 BGB insgesamt unwirksam war. Wie das BAG dort ausgeführt hat, kam eine geltungserhaltende Reduktion oder Teilunwirksamkeit einer solchen Ausschlussklausel auch nicht im Hinblick auf die Formulierung in § 3 S. 1 MiLoG, wonach einschränkende Regelungen nur "insoweit" unwirksam seien, als sie die Geltendmachung einschränkten, nicht in Betracht, da dieses das in § 3 Satz 1 MiLoG geregelte Verbot von Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Mindestlohnanspruchs in vielen Fällen faktisch leerlaufen ließe und die Zahlung des Mindestlohns auf diese Weise im Ergebnis umgangen würde. Diese Gefahr würde - den Normzweck von § 3 Satz 1 MiLoG konterkarierend - durch den Erhalt sich (auch) auf den Mindestlohn erstreckender Ausschlussfristen fortgeschrieben (BAG, wie vor, Rn. 73). Ausschlussfristenklauseln in arbeitsvertraglichen Regelungen sind daher insgesamt unwirksam, weshalb sämtliche noch ausstehenden Forderungen im Rahmen der dann geltenden gesetzlichen Verjährungsfristen geltend gemacht werden können.



    Eine Aussage dazu, dass auch eine Urlaubsabgeltung nach § 3 S. 1 MiLoG in Höhe des Mindestlohnes generell keiner Ausschlussfrist unterliegt, trifft die Entscheidung nicht. Im Gegenteil wird dort ausgeführt, dass die Klausel, weil sie nicht teilbar ist, auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden könne (BAG, wie vor, Rn. 56), was eher für die oben ausgeführte Auffassung der Berufungskammer spricht.



    III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.



    IV. Die Revision war zuzulassen, da sowohl die Wirksamkeit der einmonatigen tarifvertraglichen Ausschlussfrist als auch die Frage, ob eine Urlaubsabgeltung als Mindestlohn gem. § 3 S. 1 MiLoG anzusehen und daher eine tarifvertragliche Ausschlussklausel insoweit unwirksam ist, als sie eine Urlaubsabgeltung in rechnerischer Höhe des geltenden Mindestlohnes ausschließt, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

    Vorschriften§ 16 MTV, § 3 S. 1 MiLoG, § 202 Abs. 1 BGB, § 64 Abs. 1 ArbGG, § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG, § 519 ZPO, § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 520 Abs. 3 ZPO, § 16 Ziff. 3 MTV, §§ 305 ff BGB, § 307 Abs. 1 BGB, Art. 9 Abs. 3 GG, § 16.3 MTV, Art. 20 Abs. 3 GG, § 195 BGB, Richtlinie 2003/88/EG, § 7 Abs. 4 BUrlG, § 16 Ziff. 5 MTV, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, § 310 BGB, § 3 Satz 1 MiLoG, § 134 BGB, § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 1 Abs. 2 MiLoG, § 306 BGB, § 97 Abs. 1 ZPO