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  • 21.12.2023 · IWW-Abrufnummer 238841

    Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Beschluss vom 15.11.2023 – 2 Ta 275/23

    Maßgeblich für die Vergleichsberechnung, ob eine Verbesserung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 120a Abs. 2 ZPO eingetreten ist, sind die Einkünfte, die der Partei im Zeitpunkt der Bewilligung tatsächlich zur Verfügung gestanden haben. Dieses Einkommen ist ins Verhältnis zum aktuellen Einkommen der Partei im Zeitpunkt der Entscheidung im Nachprüfungverfahren zu setzen.


    Tenor:

    Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Wesel vom 04.08.2023 - 4 Ca 1686/21 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Mit der angefochtenen Entscheidung vom 04.08.2023, die dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 04.08.2023 zugestellt wurde und gegen die am 09.08.2023 sofortige Beschwerde eingelegt wurde, hob das Arbeitsgericht die durch Beschluss vom 30.10.2021 ratenfrei bewilligte Prozesskostenhilfe im Nachprüfungsverfahren auf, weil die Partei keine bzw. keine hinreichenden Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hatte. Sie habe es unterlassen, die Aufnahme einer relevanten Beschäftigung anzuzeigen. Da dieses Unterlassen aus grober Nachlässigkeit erfolgt sei, bestünde ein Grund zur Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe. Abgestellt wurde dabei auf die Einkommensverhältnisse, die sich nicht aus der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gem. § 120a ZPO vom 02.12.2021 ergaben, sondern die zum Zeitunkt der Bewilligung vorlagen. Mit Schreiben vom 15.12.2021 hatte der Kläger insoweit mitgeteilt dass er, abgesehen von Kindergeld, über kein weiteres Einkommen verfüge.

    Dem Kläger war für das Verfahren in erster Instanz ursprünglich Prozesskostenhilfe ratenfrei bewilligt worden, nachdem dieser nachgewiesen hatte, über kein eigenes Einkommen zu verfügen. Die entsprechende Bewilligung erfolgte durch Beschluss vom 30.12.2021. Vorausgegangen war der Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe vom 30.11.2021. Die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gem. § 120a ZPO unterschrieb er am 02.12.2021. Schon in diesem - von ihm selbst unterschriebenen Antrag - ist er unter dem Buchstaben "K" darauf hingewiesen worden, dass er eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage anzuzeigen habe. Ausdrücklich wurde mitgeteilt, dass dies bereits bei einer Verbesserung der laufenden Einkünfte um mehr als 100,00 € der Fall sei. Auch im Bewilligungsbeschluss vom 30.12.2021 erfolgte ein ausdrücklicher Hinweis auf diese Verpflichtung. Der Gewährung von Prozesskostenhilfe lagen dabei Einkünfte aus Kindergeld in Höhe von 663,00 € sowie aus einem Kinderzuschlag in Höhe von 615,00 € netto zugrunde, insgesamt also 1.278,00 €.

    Am 05.05.2022 erfolgte die Festsetzung der Vergütung durch das Arbeitsgericht. Über die Höhe der Kosten ist am 08.06.2022 ein Schreiben an den Kläger gerichtet worden. In diesem Schreiben wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass jede Einkommensverbesserung von mehr als 100,00 € brutto und jeden Wegfall von geltend gemachten Zahlungsverpflichtungen von über 100,00 € brutto mitzuteilen ist. Ausdrücklich wurde auch mitgeteilt, dass bei der Berechnung der Prozesskostenhilfe zugrunde gelegt wurde, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt von Kindergeld in Höhe von monatlich 1.278,00 € bestreitet.

    Sodann hat das Arbeitsgericht das Nachprüfungsverfahren eingeleitet und den Kläger durch Schreiben vom 12.06.2023 unter Fristsetzung binnen drei Wochen aufgefordert, unter Verwendung des gem. § 120a ZPO vorgeschrieben Vordrucks über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erklären, ob sich seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben.

    Mit einem am 03.07.2023 bei Gericht eingegangenen Schreiben übermittelte der Kläger sodann eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Er teilte mit dieser Erklärung mit, dass er einer nichtselbständigen Tätigkeit nachgehe. Beigefügt war ein Arbeitsvertrag, aus dem sich ein Eintritt des Klägers zum 06.10.2022 ergab. Die beigefügte Lohnabrechnung weist einen Bruttobetrag in Höhe von 897,00 € aus, aus dem sich ein Nettobetrag in Höhe von 794,00 € ergab. Beigefügt war zudem ein Leistungsbescheid, der Leistungen nach dem SGB-II in Höhe von 2.252,96 € ausweist.

    Mit Schreiben vom 05.07.2023 teilte das Arbeitsgericht mit, dass sich aus den vorgelegten Unterlagen ergebe, dass der Kläger seit dem 06.10.2022 eine neue Arbeitsstelle angetreten habe, bei der er 890,00 € brutto verdiene. Zudem beziehe er Leistungen nach dem SGB-II in Höhe von 2.252,96 €. Daraus ergebe sich eine Erhöhung seiner Einkünfte um mehr als 100,00 €, die dem Gericht nach § 120a ZPO unverzüglich mizuteilen gewesen wäre. Der Kläger sei auf die bestehende Mitteilungspflicht auch mehrfach hingewiesen worden. Das Unterlassen der Mitteilung sei im Hinblick auf den kurzen Zeitabstand zwischen Beendigung des Verfahrens, dem Hinweisschreiben und der Arbeitsaufnahme zumindest grob nachlässig.

    Mit Schreiben vom 13.07.2023 wies der Kläger zunächst darauf hin, dass die Aufhebung keine gebundene Entscheidung sei, sondern dem Ermessen des Gerichts unterliege. Anders als das Arbeitsgericht geht der Kläger davon aus, dass keine Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten sei. Hierbei stellt der Kläger auf den Prozesskostenhilfeantrag ab, der ein Einkommen des Klägers in Höhe von 1.750,00 € ausweise. Hinzu komme das Einkommen der Ehefrau in Höhe von 1.665,00 € brutto. Ein Kindergeld in Höhe von 1.278,00 € einschließlich des Zuschlags sei hinzuzurechnen. Nunmehr beziehe er Leistungen nach dem SGB II. Das Erwerbseinkommen betrag nur 890,00 €. Insoweit habe sich sein Einkommennicht erhöht, sondern verringert.

    Sodann hob das Gericht den ursprünglichen Bewilligungsbeschluss durch den Beschluss vom 04.08.2023 auf. Dieser Beschluss wurde dem Kläger am 04.08.2023 zugestellt. Das Arbeitsgericht verwies in diesem Beschluss darauf, dass nicht das Einkommen bei der Antragstellung, sondern bei der Bewilligung zugrunde zu legen sei. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei der Kläger vor der Bewilligung der Prozesskostenhilfe mit gerichtlichem Schreiben vom 09.12.2021 um Glaubhaftmachung gebeten worden, wovon er "zurzeit" seinen Lebensunterhalt bestreitet. Mit Schreiben vom 15.12.2021 habe der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, dass er, abgesehen von Kindergeld, kein weiteres Einkommen habe. Diese Angabe des Bezugs in Höhe von 1.278,00 € sei Grundlage der Bewilligung geworden. Im Verhältnis zu diesem Einkommen habe sich das Einkommen des Klägers deutlich erhöht. Der Kläger stehe seit dem 06.10.2022 in einem Beschäftigungsverhältnis und verfüge über ein monatliches Einkommen von 890,00 € brutto zuzüglich Kindergeld in Höhe von 750,00 € sowie Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 2.252,96 €. Die grobe Nachlässigkeit ergebe sich durch die zeitliche Nähe zwischen Antrag, Bewilligung, Hinweis und Arbeitsaufnahme.

    Mit Schreiben vom 09.08.2023, eingegangen am 09.08.2023, legte der Kläger gegen diesen Beschluss vom 04.08.2023 sofortige Beschwerde ein.

    Der Kläger begründete seine sofortige Beschwerde mit Schriftsatz vom 28.08.2023. Auch bei der Bewilligung am 30.12.2021 habe er noch Anspruch auf Lohnzahlung für Dezember 2021 gehabt. Dies zeige auch der abgeschlossene Vergleich. Insoweit habe sich die Vermögenslasge insgesamt auch gegenüber dem Monat Dezember 2021 verschlechtert.

    Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 24.08.2023 nicht abgeholfen. Es hat ausgeführt, dass es bei der Berechnung der Prozesskostenhilfe nur auf das Einkommen ankomme, das dem Kläger zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe tatsächlich zur Verfügung stehe. Dementsprechend sei dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und durch Schreiben vom 06.06.2022 der Hinweis erteilt worden, dass von einem monatlichen Kindergeldbezug von 1.278,00 € monatlich ausgegangen worden ist.

    II.

    Die gemäß §§ 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist in der Sache unbegründet.

    1. Der Kläger hat die Mitteilung einer relevanten Erhöhung seiner Einkünfte unterlassen.

    Nach § 120a Abs. 2 ZPO ist die Partei, der Prozesskostenhilfe gewährt wurde, verpflichtet, eine Verbesserung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von mehr als 100,00 € brutto monatlich innerhalb von vier Jahren nach der rechtskräftigen Entscheidung oder Beendigung des Verfahrens dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

    Das Einkommen der Partei hat sich erhöht.

    Ausgangspunkt für die Vergleichsberechnung sind die Einkünfte des Klägers, die ihm bei der Bewilligung am 30.12.2021 tatsächlich zur Verfügung gestanden haben. Es entspricht der allgemeinen Auffassung, dass es bei der Beurteilung der Bedürftigkeit immer auf die Lage im Entscheidungszeitpunkt ankommt. Bei Änderung der Verhältnisse während der Bearbeitung des Gesuchs - der Antragsteller findet zB eine Arbeitsstelle - ist er im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr bedürftig. Die Verhältnisse bei Antragstellung spielen dann keine Rolle mehr (vgl. nur: Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 10. Auflage 2022, Rn. 293; Groß, Prozesskostenhilfe § 114 Rz. 40). Grundlage der Berechnung des Einkommens nach § 115 Abs. 1 ZPO sind dabei die tatsächlichen Einkünfte in Geld und Geldeswert (Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 10. Auflage 2022, Rn. 288).

    Zum maßgeblichen Zeitpunkt bezog der Kläger nach seinen Angaben lediglich Kindergeld in Höhe von 663,00 € und einen Kinderzuschlag in Höhe von 615,00 €, insgesamt also 1.278,00 €. Ein Einkommen für Dezember 2021 ist bei der Bewilligung für den Kläger klar erkennbar nicht berücksichtigt worden und konnte auch gar nicht berücksichtigt werden. Das ergibt sich zunächst bereits aus dem abgeschlossenen Vergleich. Denn danach ist das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2021 beendet worden. Ein Anspruch auf Arbeitsentgelt für Dezember hat also nie bestanden. Darauf kommt es im Übrigen aber auch gar nicht an, weil sich das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe in einem gekündigten Zustand befand und die Beklagte den Lohn tatsächlich nicht gezahlt hat. Wie gesehen spielen nur die dem Kläger real zur Verfügung stehenden Mittel bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine Rolle. Da dem Kläger im Zeitpunkt der Bewilligung tatsächlich kein Arbeitslohn zur Verfügung stand, war dieser auch nicht zu berücksichtigen. Nur ergänzend sei angeführt, dass das Arbeitsgericht den Kläger im Schreiben vom 08.06.2022 auch ausdrücklich auf diese Berechnungsgrundlage hingewiesen hat.

    Es liegt auch eine wesentliche Einkommensverbesserung vor.

    Bei der rechtlichen Bewertung ist der Wortlaut der Bestimmung des § 120a Abs. 2 ZPO zu beachten. Dort heißt es: "Bezieht die Partei ein laufendes monatliches Einkommen, ist eine Einkommensverbesserung nur wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zu Grunde gelegten Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100 Euro übersteigt." Es werden also nur abstrakte Rechengrößen verglichen. Dabei ist es ohne Belang, ob der Kläger monatlich Lohn, Gehalt oder Ersatzeinkommen (auch Sozialleistungen) bezieht (Musielak/Voit/Fischer, 20. Aufl. 2023, ZPO § 120a Rn. 14). Eine Verbesserung des Einkommens liegt deshalb vor, wenn sich die in der Ausgangsentscheidung zugrunde gelegten Einkünfte erhöhen, neue, bisher nicht erzielte Einkünfte hinzutreten oder bisher berücksichtigte Belastungen wegfallen (BeckOK ZPO/Reichling, 48. Ed. 1.3.2023, ZPO § 120a Rn. 12). Damit hat letztlich der Gesetzgeber den Begriff der Wesentlichkeit einer Einkommensverbesserung in § 120a Abs. 2 S. 2 ZPO dahin definiert, dass diese dann vorliegt, wenn das Bruttoeinkommen der Partei durchschnittlich um 100,- EUR monatlich steigt (Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 10. Auflage, Rn. 971). Maßgeblich ist immer der Bruttobetrag, da dieser von der Partei leichter festgestellt werden kann als der nicht immer eindeutige und von zahlreichen weiteren Faktoren abhängige Nettobetrag. Die Mitteilungspflicht besteht unabhängig von der Frage, ob diese eine Änderung der Bewilligungsentscheidung zur Folge hat (Musielak/Voit/Fischer, 20. Aufl. 2023, ZPO § 120a Rn. 14).

    Vor diesem rechtlichen Hintergrund überschreitet der Bezug aus der neuen Tätigkeit den Schwellenwert des § 120a Abs. 2 ZPO, der 100,00 € monatlich beträgt.

    Die Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit betragen seit dem 06.10.2022 monatlich 890,00 € brutto. Hinzu kommt Kindergeld in Höhe von 750,00 € sowie Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 2.252,96 € in Bedarfsgemeinschaft.

    Die Aufnahme der Tätigkeit hat der Kläger nicht mitgeteilt.

    2. Der Kläger ist auf die Pflicht, die relevante Änderung der Einkommensverhältnisse mitzuteilen, auch (mehrfach) hingewiesen worden.

    Auf die entsprechende Verpflichtung wird die antragstellende Partei mit der Antragstellung bereits im Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, dort unter Ziff. K, fettgedruckt, hingewiesen. Ein entsprechender Hinweis erfolgt zudem im Hinweisblatt zum Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe. Das Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit dem entsprechenden Hinweis wurde durch die antragstellende Partei am 02.12.2021 unterschrieben, so dass die entsprechende Kenntnis vorhanden gewesen ist. Zudem erfolgte ein weiterer Hinweis im Bewilligungsbeschluss vom 30.12.2021. Ein weiterer Hinweis erfolgte im Schreiben vom 08.06.2022.

    3. Ob die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse zu einer anderen beziehungsweise überhaupt zu einer Ratenzahlungsverpflichtung geführt hätten, ist unerheblich, da die Kausalität vom Gesetz insoweit nicht vorausgesetzt wird (vgl. für den Fall objektiv unrichtiger Angaben bei der Bewilligung: BGH v. 10.10.2012 - IV ZB 16/12, juris).

    Die Gegenauffassung (LAG Berlin-Brandenburg v. 26.02.2016, 17 Ta 2159/15, juris, LAG Baden-Württemberg v. 21.01.2016 - 17 Ta 36/15, juris) führt an, dass es sich in diesem Fall um eine unverhältnismäßige Sanktion für die unterbliebene Mitteilung handelt.

    Dieser Auffassung folgt die Beschwerdekammer nicht, da die gesetzliche Änderung dem Gericht gerade die Möglichkeit der Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse ermöglichen soll. Gründe für eine einschränkende Auslegung des § 124 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO ergeben sich aus der gesetzlichen Regelung oder der Gesetzesbegründung nicht. Die Vorschrift hat nach dem Willen des Gesetzgebers Sanktionscharakter, um die Parteien zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtung anzuhalten. Eine Kausalität zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe beziehungsweise zur Festsetzung etwaiger Raten ist daher nicht erforderlich (vgl. OLG Hamm v. 09.12.2015, II - 2 WF 155/15 - juris mit Rdnr. 15 mit umfangreichen weiteren Nachweisen, Schultzky in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 124 ZPO Rdn. 19).

    Anderenfalls würde § 124 Abs. 1 Ziff. 4 lediglich dazu führen, dass eine verspätete Kenntnis des Gerichtes von einer Veränderung der Einkommensverhältnisse zu einer Nachberechnung eventueller Ratenzahlungen führen würde, nicht aber zur Aufhebung der Prozesskostenhilfe, so wie sie in § 124 ZPO als Regelsanktion vorgesehen ist.

    4. Der Kläger hat die Änderung seiner Vermögensverhältnisse entgegen der oben genannten Verpflichtung aus grober Nachlässigkeit unterlassen.

    a) Nach § 124 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei entgegen der oben genannten Verpflichtung absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit Angaben unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat.

    Allerdings ist aufgrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.08.2016 - 2 AZB 16/16, die zu einer unterlassenen Mitteilung der Anschriftenänderung ergangen ist, ein einfaches Verschulden der Partei beim Unterlassen der unverzüglichen Mitteilung der Anschriftenänderung nicht ausreichend. Erforderlich ist danach eine grobe Nachlässigkeit oder Absicht. Ein schlichtes Vergessen erfülle das Tatbestandsmerkmal der groben Nachlässigkeit jedoch nicht. Erforderlich sei ein schuldhaft unredliches Verhalten der Partei.

    Diese Rechtsprechung lässt sich auch auf das Unterlassen der Mitteilung einer wesentlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Lage übertragen. Zwar sei es auch aus verfassungsrechtlichen Gründen grundsätzlich nicht verboten, der Prozesskostenhilfepartei aufzulegen, den Fortbestand der persönlichen und wirtschaftlichen Bewilligungsvoraussetzungen in redlicher Weise darzulegen und an ein schuldhaftes unredliches Verhalten Rechtsfolgen zu knüpfen. Allerdings müsse aus verfassungsrechtlichen Gründen, um der weniger bemittelten Partei den Zugang zum Gericht nicht unnötig zu erschweren, ein qualifiziertes Verschulden der Partei vorausgesetzt werden, damit die Regelsanktion der Aufhebung der Prozesskostenhilfe erfolgen könne.

    Erforderlich sei mehr als leichte Fahrlässigkeit, nämlich eine besondere Sorglosigkeit. Der Maßstab der groben Nachlässigkeit entspreche dem der groben Fahrlässigkeit, sodass von einer groben Nachlässigkeit nur auszugehen sei, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt bzw. unbeachtet bliebe. Es müsse sich insoweit um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Verhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (BAG a.a.O.); den Handelnden muss ein schweres Verschulden treffen (BGH v. 10.05.2011 - VI ZR 196/10, juris, Rn. 10; BGH v. 11.07.2007 - XII ZR 197/05, juris, Rn. 15; BGH v. 29.01.2003 - 4 ZR 173/01, juris, Rn. 10; OLG Karlsruhe v. 06.06.2014 - 18 WF 76/14, juris, Rn. 18; LAG Baden-Württemberg v. 05.03.2015 - 17 Ta 2/14, Beck RS 2015/68548).

    b) Zur Überzeugung der Beschwerdekammer kann sich die grobe Nachlässigkeit insbesondere auch aus der Höhe der generierten Einnahmen in Zusammenschau mit den relevanten Zeitabläufen sowie den Umständen des Einzelfalls ergeben. Die Partei, die im laufenden Prozesskostenhilfeverfahren mehrfach auf ihre Mitteilungspflicht hingewiesen worden ist, handelt grob nachlässig, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den erhaltenen Hinweisen eine Beschäftigung aufnimmt und dadurch eine relevante Einkommensverbesserung erzielt und die erzielte Verbesserung der Einkünfte nicht anzeigt.

    Das Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit dem entsprechenden Hinweis unterschrieb der Kläger wie gesehen zunächst am 02.12.2021. Zudem erfolgte ein weiterer Hinweis im Bewilligungsbeschluss vom 30.12.2021. Der letzte Hinweis erfolgte im Schreiben vom 08.06.2022. Die relevante Beschäftigung nahm der Kläger bereits am 06.10.2022 auf.

    In dieser Situation liegt, da seit dem letzten Hinweis nur vier Monate vergangen waren, noch ein aktuelles Wissen des Klägers und damit der von der Kammer in ständiger Rechtsprechung zugrunde gelegte enge zeitliche Zusammenhang mit dem letzten erteilten Hinweis vor. In der Kette "Antrag/Bewilligungsbeschluss/weiterer Hinweis" wurde das Wissen um die Mitteilungspflicht stets aktuell gehalten. Diese mehrfach formulierten Hinweise wirken nach Auffassung der Kammer jedenfalls vier Monate nach. Insbesondere: Derjenige der erst vier Monate, nachdem er auf seine Pflichten hingewiesen worden ist, eine neue Arbeitsstelle antritt, handelt grob nachlässig, wenn er die Mitteilung dieser Arbeitsaufnahme unterlässt, die zu einer signifikanten Erhöhung der Einkünfte führt. Ausgehend von seinen Angaben in der letzten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die dann zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe führte, ist eine relevante Einkommensverbesserung eingetreten. Dass man in dieser Situation den nur kurz zuvor erteilten Hinweis - schlicht "vergessen" haben soll, leuchtet der Kammer nicht ein. Angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Anzahl der erhaltenen Hinweise sowie der Kürze der Zeit zwischen dem letzten Hinweis und Erhöhung der Einkünfte, erschließt sich der Kammer ein bloßes Vergessen nicht. Der Kläger unterließ also die erforderliche Mitteilung, obwohl sich sein Verdienst in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit den erhaltenen Hinweispflichten deutlich erhöhte.

    Bei diesen kurzen Zeitabständen, der relevanten Erhöhung und dem kurz zuvor erteilten Hinweis durch das Gericht muss der Kläger seinerseits schlüssig erklären, wie es zu einem schlichten "Vergessen" kommen kann. Denn in diesem Falle drängt sich die Frage auf, weshalb der Kläger die Mitteilung des Verdienstes übersieht, obwohl er nur vier Monate zuvor darauf hingewiesen worden ist und offensichtlich war, von welchem Einkommen das Gericht ausgegangen ist.

    Die Partei, der bewusst ist, dass sie zu Lasten der Staatskasse einen Rechtsstreit geführt hat und die auf ihre Verpflichtung zur Mitteilung einer Einkommensverbesserung hingewiesen wurde, handelt grob nachlässig, wenn sie ihrer Mitteilungspflicht bei einer deutlichen Einkommensverbesserung angesichts dieser konkreten Umstände nicht nachkommt. Insbesondere wenn nur ein verhältnismäßig kurzer Zeitraum zwischen der Bewilligung der Prozesskostenhilfe, in der der Hinweis erteilt worden ist, der Beendigung des Rechtsstreites, den weiteren Hinweisen und der Verbesserung der Einkommenssituation besteht, handelt die Partei bei ihrer Pflichtverletzung grob nachlässig. In dieser Situation müsste die Partei aufzeigen, wie es dazu kommen konnte. Ein atypischer Fall (vgl. BT Drucksache 17/11472 Seite 33; LAG Baden-Württemberg v. 05.03.2015, 17 Ta 2/14- juris), der ein Abweichen von der Sollvorschrift des § 124 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO rechtfertigen würde, ist nicht ersichtlich.

    Der Kläger hat keine tragfähige Begründung angegeben, die eine anderweitige Beurteilung als die gesetzlich vorgesehene Regelrechtsfolge, die Aufhebung der Prozesskostenhilfe, in Betracht kommen ließe.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

    IV.

    Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

    Dr. Ulrich

    Vorschriften§ 120a ZPO, §§ 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2, 567 Abs. 1, 2, 569 Abs. 1, 2 ZPO, § 120a Abs. 2 ZPO, § 115 Abs. 1 ZPO, § 120a Abs. 2 S. 2 ZPO, § 124 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO, § 124 ZPO, § 97 ZPO, §§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 ArbGG