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  • 17.05.2013 · IWW-Abrufnummer 131562

    Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Beschluss vom 14.03.2013 – 1 Ta 40/13

    1.

    Gewährt das Arbeitsgericht dem Antragsteller nach Abschluss der Instanz eine Nachfrist zur Vervollständigung des PKH-Antrags, sind nach Fristablauf eingegangene Unterlagen dann zu berücksichtigen, wenn die Fristversäumnis schuldlos erfolgte.
    2.

    Der Maßstab des Verschuldens richtet sich nach § 233 ZPO. Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich. Das Verschulden von Angestellten des Prozessbevollmächtigten wird nicht zugerechnet.


    LAG Schleswig-Holstein

    14.03.2013

    1 Ta 40/13

    Im Beschwerdeverfahren
    betreffend Prozesskostenhilfe
    In pp.
    hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 14.03.2013 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ...als Vorsitzenden
    beschlossen:
    Tenor:

    Der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 11.02.2013 - 4 Ca 2064 b/12 - wird aufgehoben. Das Prozesskostenhilfeverfahren wird an das Arbeitsgericht Elmshorn zurückverwiesen mit der Maßgabe, dass der Prozesskostenhilfeantrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts erneut zu prüfen und zu bescheiden ist.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
    Gründe

    I.

    Mit der sofortigen Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe durch das Arbeitsgericht.

    Die Parteien haben einen Kündigungsschutzprozess geführt und sich im Gütetermin beim Arbeitsgericht verglichen. Im Gütetermin hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt. Durch Beschluss des Arbeitsgerichts vom 22.01.2013 ist der Klägerseite aufgegeben worden, binnen 2 Wochen einen aktuellen Einkommensnachweis und eine entsprechende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers zur Akte zu reichen. Der Beschluss ist im Gütetermin am 22.01.2013 verkündet worden.

    Mit Beschluss vom 11.02.2013 ist der Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen worden, nachdem bis zum Fristablauf keine Unterlagen eingegangen waren.

    Am 12.02.2013 gingen per Telefax die Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen bei Gericht ein. Mit am 14.02.2013 eingegangenem Telefax hat der Kläger sofortige Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss eingelegt und zur Begründung ausgeführt:

    Das Sitzungsprotokoll vom 22.01.2013 sei am 30.01.2013 bei seiner Prozessbevollmächtigten eingegangen. Daraufhin sei durch das Sekretariat eine 2-wöchige Frist beginnend ab dem 30.01.2013 berechnet worden. Die bearbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte, Frau D., die sonst stets sorgfältig und gewissenhaft arbeite, sei fälschlicherweise davon ausgegangen, die 2-wöchige Frist laufe ab Zustellung des Protokolls. Frau D. nehme regelmäßig an Schulungen teil und werde in regelmäßigen Abständen anwaltlich überwacht. Dennoch sei die Fehlannahme von Frau D. erst am späten Abend des 12.02.2013 aufgefallen. Die entsprechenden Erklärungen hat der Kläger durch eidesstattliche Versicherung seiner Prozessbevollmächtigten sowie der Rechtsanwaltsfachangestellten glaubhaft gemacht.

    Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, da eine nach dem Ende der Instanz ablaufende Nachfrist zwingend einzuhalten sei.

    Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.

    II.

    Die statthafte, form- und fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers ist in der Sache begründet. Mit der angegebenen Begründung durfte das Arbeitsgericht Elmshorn den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss nicht aufrecht erhalten.

    1. Nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO kann das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnen, wenn der Antragsteller innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist die Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet hat. Nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind schon dem Antrag auf Prozesskostenhilfe neben einer Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die entsprechenden Belege beizufügen. Grundsätzlich muss der vollständige Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit dem ordnungsgemäß ausgefüllten Antragsvordruck und allen Unterlagen bis zum Abschluss der Instanz oder des Verfahrens beim zuständigen Gericht vorliegen. Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen. Nach Instanzende ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum einen dann möglich, wenn das Gericht zuvor schon über den Antrag hätte positiv entscheiden können. Zum anderen kann eine Bewilligung nur noch in Ausnahmefällen erfolgen. Über einen rechtzeitig eingereichten Prozesskostenhilfeantrag mit unvollständigen Angaben und Unterlagen kann noch nach Abschluss der Instanz bzw. des Verfahrens ausnahmsweise positiv entschieden werden, wenn das Gericht eine Frist zur Nachreichung der fehlenden Unterlagen und Belege gesetzt hat. Soweit dem Antragsteller eine solche gerichtliche Nachfrist, die nach dem Ende der Instanz liegt, gesetzt worden ist, muss diese Nachfrist - anders als eine vor dem Ende der Instanz ablaufende Nachfrist - aber eingehalten werden (BAG, Beschluss vom 03.12.2003 - 2 AZB 19/03 - [...], Rn 9 f).

    Vorliegend konnte das Arbeitsgericht vor Instanzende über den Antrag des Klägers nicht entscheiden, da ein ordnungsgemäßer Antrag nicht vorlag. Grundsätzlich hätte der Kläger daher die ihm gesetzte Nachfrist einhalten müssen.

    2. Von der Verpflichtung zur Einhaltung der Nachfrist sind aber wiederum in eng begrenzten Fällen Ausnahmen zu machen.

    Ist eine Partei ausnahmsweise ohne ihr Verschulden gehindert gewesen, Belege rechtzeitig vorzulegen, kann dem nach allgemeinen Grundsätzen Rechnung getragen werden. § 67 SGB I sieht die Möglichkeit vor, eine Sozialleistung noch nachträglich ganz oder teilweise zu erbringen, wenn sie versagt oder entzogen war, weil der Antragsteller entgegen §§ 60 - 62 und 65 SGB I bestimmten Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist. Allerdings kann diese Vorschrift nicht unmittelbar angewandt werden, weil dann in jedem Fall der Nachreichung von Unterlagen Prozesskostenhilfe zu bewilligen wäre und damit der Sinn des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf den Kopf gestellt würde. In Frage kommt aber, dass eine Partei bei Antragstellung glaubhaft macht, dass es ihr ohne Verschulden, tunlichst im strengen Sinne des § 233 ZPO nicht möglich ist, näher zu bezeichnende Belege dem Gesuch beizufügen und ihr dann die nachträgliche Vorlage zu ermöglichen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.05.2006 - 16 WF 37/06 - [...], Rn 11). Ferner berechtigt die schuldlose Versäumung einer Mitwirkungsfrist zur rückwirkenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe (Gottwald, Anmerkungen zu OLG Karlsruhe vom 06.10.2003 in: FamRZ 2004, 1218; Zöller, § 117, Rn 2 b). Maßstab des Verschuldens ist auch hier die Regelung in § 233 ZPO. Fehlendes Verschulden ist glaubhaft zu machen.

    Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Arbeitsgericht zitierten Beschluss des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (6 Ta 28/12). Im vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschiedenen Fall lag, wie das Landesarbeitsgericht (a.a.O.) ausdrücklich festgestellt hat, ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten bei der Fristversäumung vor, das gemäß § 85 ZPO dem Antragsteller zugerechnet wurde.

    3. Der Kläger hat dargelegt und durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen glaubhaft gemacht, dass ihn im vorliegenden Fall kein Verschulden an der Versäumung der vom Arbeitsgericht gesetzten Nachfrist traf.

    a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann ein Rechtsanwalt die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Angestellten überlassen. Er hat durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden; unverzichtbar sind insoweit eindeutige Anweisungen an das Büropersonal, die Festlegung klarer Zuständigkeiten und die mindestens stichprobenartige Kontrolle des Personals. Unentbehrliches Hilfsmittel für die Fixierung der Fristen ist in erster Linie der Fristenkalender (BGH, Beschluss vom 05.02.2003 - VIII ZB 115/02 - [...], Rn 7 f).

    b) Bei der Notierung der hier vom Arbeitsgericht gesetzten Frist handelt es sich um eine einfache Frist im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Es galt schlicht, den Termin der Verkündung des Beschlusses vom 22.01.2013 zur Kenntnis zu nehmen und eine 14-tägige Frist, gerechnet ab diesem Tag, zu notieren. Das Notieren der Frist und deren Überwachung durfte die Prozessbevollmächtigte des Klägers daher an eine Rechtsanwaltsfachangestellte übertragen, sofern diese entsprechend ausgebildet und überwacht wurde. Beides trifft auf die Angestellte D. zu, wie sowohl deren eigene eidesstattliche Versicherung als auch die der Rechtsanwältin des Klägers glaubhaft machen. Frau D. hat die Frist auch in einem Fristenkalender eingetragen, wie sich aus ihrer eidesstattlichen Versicherung ergibt. Der ihr unterlaufene Fehler hinsichtlich der Berechnung der Frist ist daher nach vorstehenden Grundsätzen nicht der Prozessbevollmächtigten des Klägers zuzurechnen.

    4. Das Arbeitsgericht hat daher zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der eingereichten Unterlagen hinsichtlich der Bedürftigkeit sowie im Hinblick auf die Erfolgsaussichten der Klage nunmehr Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist oder nicht.

    Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.