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  • · Fachbeitrag · Säumnis einer Partei

    Entscheidung nach Lage der Akten ist schon im ersten Kammertermin möglich

    | Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist aufgrund der abweichenden gesetzlichen Regelung in § 54 Abs. 1 S. 1 ArbGG im Vergleich zu § 278 Abs. 2 S. 1 ZPO auch bereits die Güteverhandlung eine Verhandlung in einem früheren Termin i. S. des § 251a Abs. 2 S. 1 ZPO. Daher kann ‒ auch im ersten ‒ Kammertermin ein Urteil nach Lage der Akten ergehen. |

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Köln (24.7.18, 8 Ca 2481/18, Abruf-Nr. 204420) konnte durch die Säumnis des ArbG im Kammertermin nach Lage der Akten entschieden werden. Im ersten Termin war nämlich bereits eingehend zu sämtlichen Anträgen mündlich verhandelt worden, § 251a ZPO in Verbindung mit § 331a ZPO.

     

    § 251a Abs. 1 ZPO bestimme, dass das Gericht nach Lage der Akten entscheiden könne, wenn in einem Termin beide Parteien nicht erscheinen oder verhandeln. § 251a Abs. 2 S. 1 ZPO sehe vor, dass ein Urteil nach Lage der Akten nur ergehen dürfe, wenn in einem früheren Termin bereits mündlich verhandelt worden sei; insofern sei Verkündungstermin zu bestimmen (§ 251a Abs. 2 S. 2 und S. 3 ZPO). § 331a ZPO erweitere den Anwendungsbereich der Entscheidung nach Lage der Akten auch auf den Fall der nur einseitigen Säumnis; hier könne der Gegner anstelle eines Versäumnisurteils eine Entscheidung nach Lage der Akten beantragen. Dem Antrag sei zu entsprechen, wenn der Sachverhalt für eine derartige Entscheidung hinreichend geklärt erscheine (§ 331a S. 1 letzter Halbsatz ZPO).

     

    Hiervon ausgehend lägen die Voraussetzungen für ein Urteil nach Lage der Akten vor: Der ArbG sei im Kammertermin säumig geblieben. Der ArbN habe eine Entscheidung nach Lage der Akten beantragt. Diese sei im Verkündungstermin unter Beachtung der zweiwöchigen Frist (§ 251a Abs. 2 S. 2 ZPO) verkündet worden.

     

    Es sei bereits in einem früheren Termin mündlich verhandelt worden. Auch der Gütetermin im arbeitsgerichtlichen Verfahren sei ein früher Termin im Sinne des § 251a Abs. 2 S. 1 ZPO. Dies sei für das arbeitsgerichtliche Verfahren klargestellt durch § 54 Abs. 1 S. 1 ArbGG, wonach im arbeitsgerichtlichen Verfahren die mündliche Verhandlung mit einer Verhandlung vor dem Vorsitzenden zum Zwecke der gütlichen Einigung der Parteien beginne (Güteverhandlung). Insofern weiche die Gesetzesformulierung zur Güteverhandlung im ArbGG von derjenigen der ZPO in § 278 Abs. 2 S. 1 ZPO ab. Im Zivilverfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit geht der mündlichen Verhandlung eine Güteverhandlung lediglich „voraus“, sie ist mithin nicht deren Bestandteil. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren sei dies vom Gesetzgeber anders geregelt. Hier sei die Güteverhandlung kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 54 Abs. 1 S. 1 ArbGG ein vollwertiger Termin und Bestandteil der mündlichen Verhandlung. Er gehe dieser nicht „voraus“.

     

    Diese Abweichung im ArbGG von den allgemeinen zivilprozessualen Vorschriften sei dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz geschuldet. Es solle den Parteien im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Möglichkeit erschwert werden, den Rechtsstreit durch eine „Flucht in die Säumnis“ zu verzögern (so auch Arbeitsgericht Köln 8.3.13, 2 Ca 4314/12). Zweck des gesetzlichen Erfordernisses einer vorangegangenen Verhandlung in der gleichen Instanz in § 251a Abs. 2 S. 1 ZPO sei, dass die Parteien ihre Standpunkte wenigstens einmal auch mündlich vortragen könnten. Dieser Zweck werde gerade auch durch eine eingehende Güteverhandlung im arbeitsgerichtlichen Verfahren gewahrt.

     

    Relevanz für die Praxis

    Jedenfalls dann, wenn zwischen Güteverhandlung und Kammertermin die Anträge ‒ wie vorliegend ‒ unverändert bleiben, bestehen für die Beklagtenseite auch keinerlei Irritationen bei der Bestimmung des Streitgegenstands. Die Beklagtenseite weiß, was auf sie zukommt. Sie muss bei Säumnis im Termin mit Erlass eines ‒ bereits vorläufig vollstreckbaren ‒ Versäumnisurteils oder bei Entscheidungsreife mit dem Erlass eines die Instanz beendenden und ebenfalls vorläufig vollstreckbaren Urteils nach Lage der Akte über den ihr bekannten Streitgegenstand rechnen.

     

    Insofern stellt auch die Güteverhandlung im arbeitsgerichtlichen Verfahren zweifelsfrei eine mündliche Verhandlung in einem früheren Termin im Sinne des § 251a Abs. 2 S. 1 ZPO dar (so die klar herrschende Meinung, zum Beispiel LAG Köln 12.10.17, 7 Sa 68/17; LAG Hessen 31.10.00, 9 Sa 2072/99; Arbeitsgericht Köln 2.9.11, 2 Ca 2969/11; andererseits: LAG Köln 10.04.18, 4 Sa 1024/16).

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2018 | Seite 174 | ID 45500860