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  • · Fachbeitrag · Verhaltensbedingte Kündigung

    Kündigung eines leitenden Angestellten wegen privater Internetnutzung

    • 1. Auch ein nach seinem zeitlichen Umfang erheblicher Verstoß gegen das Verbot der privaten Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses und das Herunterladen pornografischen Materials in erheblichem Umfang schaffen keinen absoluten Kündigungsgrund.
    • 2. Ein ArbN kann auch dann leitender Angestellter nach § 14 Abs. 2 KSchG sein, wenn sich seine personelle Entscheidungskompetenz auf eine begrenzte Gruppe von Mitarbeitern bezieht, die für das Unternehmen von Bedeutung sind. Er ist zur selbstständigen Einstellung und Entlassung berechtigt, wenn sich eine entsprechende Befugnis nicht nur auf das Außen-, sondern auch auf das Innenverhältnis erstreckt. Dem steht nicht entgegen, dass der ArbN unternehmensinterne Vorgaben und einen Stellenplan zu beachten hat.

    (BAG 19.4.12, 2 AZR 186/11, Abruf-Nr. 130536)

    Sachverhalt

    Der ArbN ist seit 1992 bei dem ArbG und zwei weiteren Gesellschaften, die dem Arbeitsverhältnis als weitere ArbG beitraten beschäftigt. Zuletzt war er als Leiter Baufinanzierung für ein Bruttomonatsgehalt von 8.155,19 EUR tätig. Ihm ist seit 2001 Prokura erteilt.

     

    Durch Rundschreiben vom 8.8.02 und im Rahmen einer Abteilungsleiterbesprechung am 9.2.02 wurden der ArbN und sämtliche Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass jegliche private Nutzung von Internet, Intranet und E-Mails untersagt ist. Bei einem einmaligen Verstoß sei mit „arbeitsrechtlichen Konsequenzen (Abmahnung, Kündigung)“ zu rechnen.

     

    Bei einer Überprüfung des Internetzugangs des ArbN stellt der ArbG fest, dass der ArbN zumindest im Zeitraum zwischen dem 13.10.06 und dem 2.11.06 in erheblichem Umfang auf Internetseiten mit teilweise pornografischen Inhalten zugegriffen hatte.

     

    Nach form- und fristgemäßer Anhörung des Sprecherausschusses der leitenden Angestellten und vorsorglicher Anhörung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, sprach der ArbG unter dem 21.11.06 dem ArbN eine fristlose, vorsorglich ordentliche Kündigung zum 30.6.07 aus. Zuvor hatte der Sprecherausschuss am 20.11.06 zugestimmt und der Betriebsrat am gleichen Tag mitgeteilt, er habe „keine Bedenken“.

     

    Hiergegen erhob der ArbN Kündigungsschutzklage mit dem Vortrag, die private Internetnutzung rechtfertige allenfalls eine Abmahnung. Er habe seine Arbeit, feste Arbeitszeiten seien nicht vorgegeben gewesen, nicht vernachlässigt. Die mit dem Surfen verwandte Zeit habe er nachgearbeitet. Zwar sei auf Seiten, die sich mit Erotik beschäftigten, zugegriffen worden, diese hätten allerdings keinen pornografischen oder strafbaren Inhalt gehabt.

     

    Die ArbG ist der Auffassung, der Zugriff auf die Internetseiten sei vom ArbN eingeräumt. Zumindest sei das Arbeitsverhältnis in jedem Fall gerichtlich aufzulösen, da eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei. Der ArbN sei leitender Angestellter gewesen, da er eigenverantwortlich Mitarbeiter seines Teams einstellen und entlassen habe können. Nur die Anzahl der bewilligten Stellen sei insofern zu berücksichtigen gewesen.

     

    Das ArbG hat der Klage daher stattgegeben. Das LAG Nürnberg hat am 17.11.10 (4 Sa 795/07) unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gegen Zahlung einer Abfindung von 11.800 EUR zum 30.6.07 aufgelöst. Die Revision des ArbN und die Anschlussrevision der ArbG blieben vor dem BAG erfolglos.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 2. Senat des BAG hat zunächst klargestellt, dass die Würdigung des LAG Nürnberg, die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 21.11.06 sei unwirksam, rechtsfehlerfrei ergangen sei. Dies gelte insbesondere für die Frage, ob das Verhalten des ArbN einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses bilde. Hierbei seien zwei Prüfungsstufen zu unterscheiden,

    • nämlich ob ein Sachverhalt ohne die besonderen Umstände „an sich“, typischerweise als wichtiger Grund geeignet sei,
    • und ob auf der zweiten Stufe im Rahmen einer Gesamtwürdigung das Interesse des ArbG an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Fortbestandsinteresse des ArbN überwiege.

     

    Insofern habe das LAG rechtsfehlerfrei im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und die vorzunehmende Interessenabwägung eine vorherige Abmahnung des ArbN nicht für entbehrlich gehalten. Das Fehlverhalten des ArbN lasse keine eindeutige negative Prognose zu, auch wenn man den zeitlichen Umfang der privaten Internetnutzung und den Inhalt der Seiten zugrunde lege, wie ihn der ArbG darstelle. Der ArbN habe keine festen Arbeitszeiten gehabt. Er sei daher frei gewesen, die ausgefallenen Arbeitszeiten an Abendstunden oder am Wochenende auszugleichen. Dem Vortrag des ArbN, er habe nur während Erholungspausen privat im Internet gesurft, sei der ArbG nicht konkret entgegen getreten.

     

    Es sei auch durch den ArbG nicht dargelegt, dass die private Nutzung des Internets durch den ArbN zusätzliche Kosten verursacht habe. Ein alleiniger Verstoß gegen das ausdrückliche Verbot der privaten Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses und das Herunterladen von Bildmaterial, das unter Umständen zu einer Vireninfizierung des Betriebssystems hätte führen können, sowie eine mögliche Rufschädigung infolge des Aufrufens und Ladens der fraglichen Seiten bleibe zulasten des ArbN übrig. Angesichts der langen beanstandungsfreien Dauer des Arbeitsverhältnisses hätte sich der ArbG auf den Ausspruch einer Abmahnung beschränken und dem ArbN die Möglichkeit geben müssen, sein Verhalten zu korrigieren. Offenbar sei der ArbN aufgrund seiner hervorgehobenen Position davon ausgegangen, bei ihm werde eine private Internetnutzung in gewissem Umfang hingenommen.

     

    Das BAG führt aus, dass dem ArbN aufgrund des ausdrücklichen Verbots der privaten Internetnutzung habe klar sein müssen, dass der ArbG das Verhalten als vertragswidrig ansehen würde. Nicht zu beanstanden sei, dass das LAG davon ausging, der ArbG hätte nicht sofort mit einer Kündigung, sondern mit einer Abmahnung reagieren müssen. Auch habe der ArbN mithilfe des ihm dienstlich zur Verfügung gestellten Internets keine Straftaten begangen.

     

    Auch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindungszahlung, die der ArbN angreife, halte nach Ansicht des BAG einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Insofern sei ohne Rechtsfehler angenommen worden, der Auflösungsantrag des ArbG habe nach § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG keiner Begründung bedurft, da der ArbN leitender Angestellter im Sinne dieser Norm gewesen sei. Der Antrag des ArbG auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedürfe daher nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG keiner Begründung.

     

    Der ArbN habe als Abteilungsleiter die Befugnis gehabt, die ihm unterstellten Mitarbeiter selbstständig einzustellen und zu entlassen. Diese Kompetenz habe sich auf die Abteilung Baufinanzierung (45 Mitarbeiter) bezogen. Diese Gruppe sei für den unternehmerischen Erfolg des ArbG als Bausparkasse von besonderem Gewicht gewesen. Eine Einschränkung ergebe sich auch nicht daraus, dass der ArbN an den vom ArbG festgelegten Stellenplan gebunden gewesen sei. Er habe selbstständig entscheiden können, wer in seinem Bereich eingestellt oder entlassen werde. Er sei daher als leitender Angestellter als „ im Lager“ des ArbG stehend anzusehen. Die Personalkompetenz habe einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des ArbN ausgemacht, da sie von wesentlicher Bedeutung für das Unternehmen gewesen sei.

     

    Auch die Höhe der vom LAG Nürnberg festgesetzten Abfindung nach den §§ 9, 10 KSchG sei im Rahmen der in § 10 Abs. 1 und 3 KSchG geregelten Bemessungsgrundlagen festgelegt worden. Grundlage seien insofern die Bezüge, die dem ArbN insgesamt aus dem Arbeitsverhältnis zuständen. Das LAG habe hier nachvollziehbar einen Betrag von 12 durchschnittlichen Monatseinkommen unter Einbezug der Sonderzahlungen festgesetzt.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung zeigt, dass auch für leitende Angestellte das KSchG nicht außer Kraft gesetzt ist. Auch in solchen Arbeitsverhältnissen gilt der Grundsatz, dass es zum einen keine „absoluten“ Kündigungsgründe gibt und zum anderen grundsätzlich der verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung voranzugehen hat. Ob eine Abmahnung geeignet ist, beim ArbN künftige Vertragstreue zu bewirken und wieweit das Vertrauensverhältnis durch einen Vorfall geschädigt ist, ist Abwägungsfrage. Auf der anderen Seite bedarf der Auflösungsantrag des ArbG gegenüber einem leitenden Angestellten keiner Begründung. In diesen Fällen kommt es darauf an, ob der betreffende ArbN ein „echter“ leitender Angestellter ist und wie hoch die jeweilige tatrichterliche Instanz die Abfindung bemisst.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Leitende Angestellte: Kündigung leicht gemacht durch Auflösungsantrag des ArbG? Laskawy/Malek AA 07, 58
    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 39 | ID 38062030