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  • · Fachbeitrag · Urlaubsabgeltung

    Wie ist in der Elternzeit erworbener Urlaub abzugelten und zu kürzen?

    von DirArbG Dr. Guido Mareck, Siegen

    | Bislang war in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob der ArbG die Erklärung nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG im bestehenden Arbeitsverhältnis abgeben muss, wenn er von der dort geregelten Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will. Nach dieser Norm kann der ArbG den Erholungsurlaub im Urlaubsjahr für jeden vollen Monat der Elternzeit um 1/12 kürzen. Nach Aufgabe der Surrogatstheorie geht das BAG davon aus, dass die Kürzungsmöglichkeit entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Elternzeit beendet wird. |

     

    Damit gibt das BAG seine bisherige Rechtsprechung auf, nach der der ArbG nicht verpflichtet ist, die Kürzungserklärung nach § 17 Abs. 1 BEEG im noch bestehenden Arbeitsverhältnis abzugeben. Auch eine Kürzungserklärung erst im Zahlungsrechtsstreit um die Urlaubsabgeltung hat das BAG früher als wirksam angesehen (BAG 23.4.1996, 9 AZR 165/95). Dies hat sich in einer Entscheidung des BAG (BAG 19.5.15, 9 AZR 725/13, Abruf-Nr. 144712) geändert.

    Die Aufgabe der Surrogatstheorie

    Maßgeblich begründet wird dieser Richtungswechsel mit der Aufgabe der Surrogatstheorie (19.6.12, 9 AZR 652/10, Abruf-Nr. 130177). Insofern argumentiert der 9. Senat des BAG damit, dass § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG schon nach seinem Wortlaut von der Kürzung des „Urlaubsanspruchs“ und nicht des Urlaubsabgeltungsanspruchs spricht. Nach der Aufgabe der Surrogatstheorie könne die Kürzungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG daher nicht mehr auf den Urlaubsabgeltungsanspruch angewandt werden. Nach der früheren Rechtsprechung des BAG war der Urlaubsabgeltungsanspruch Erfüllungssurrogat des Urlaubsanspruchs. Daher bestand Zweckidentität zwischen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen. Nach Aufgabe der Surrogatstheorie sei hingegen der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ein reiner Geldanspruch und gerade nicht mehr Surrogat des Urlaubsanspruchs.

     

    Ein solcher Geldanspruch auf Urlaubsabgeltung sei nach Entstehung ein Teil des Vermögens des ArbN . Er unterscheide sich rechtlich nicht von anderen Zahlungsansprüchen des ArbN gegen den ArbG (so bereits BAG 14.5.13, 9 AZR 844/11, Abruf-Nr. 131878). Der Abgeltungsanspruch sei daher nicht mehr als Äquivalent des Urlaubsanspruchs, sondern als ein Aliud anzusehen.

     

    Rechtliche Konsequenz dieser Auffassung ist, dass eine Kürzungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 BEEG entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Elternzeit beendet wird. Wird das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt, kann der ArbG während der einzuhaltenden Kündigungsfristen von seiner Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nach Auffassung des BAG eine Kürzungsmöglichkeit ausgeschlossen.

    Vertrauensschutz in die bisherige Rechtsprechung des BAG?

    Der 9. Senat betont, dass sich der ArbG nicht auf geschütztes Vertrauen in die Fortgeltung der bisherigen Rechtsprechung des BAG berufen könne. So sei eine höchstrichterliche Rechtsprechung kein Gesetzesrecht und erzeuge keine vergleichbare Rechtsbindung.

     

    Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung sei auch unter dem Gesichtspunkt des Vertauensschutzes unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet sei und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung halte. Eine gefestigte Rechtsprechung hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 17 Abs. 1 BEEG habe überdies nicht vorgelegen. Schon mit Ablauf der Umsetzungsfrist der ersten Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23.11.96 habe kein schützenswertes Vertrauen mehr in den Fortbestand der Rechtsprechung zur Surrogatstheorie bestanden.

     

    Die Frage, ob die Kürzungsbefugnis nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG dem Grunde nach mit EU-Recht vereinbar ist, lässt das BAG in seiner Entscheidung vom 19.5.15 offen. Weil die Kürzungsmöglichkeit nach Auffassung des BAG und der Vorinstanz (LAG Hamm) nicht eingriff, kam es hierauf nicht mehr an.

    Wann verfallen Urlaubsansprüche aus der Elternzeit?

    Macht der ArbG von der Kürzungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 BEEG keinen Gebrauch und wird das Arbeitsverhältnis nach Ende der Elternzeit fortgesetzt, bestimmt § 17 Abs. 2 BEEG, dass der ArbG den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr gewähren muss. Wird der kraft Gesetzes nach § 17 Abs. 2 BEEG übertragene Urlaub nicht genommen, verfällt er damit abweichend von § 7 Abs. 3 BUrlG erst nach Ende des folgenden Urlaubsjahres. Ist Urlaub daher verfallen, ist er auch nicht mehr abzugelten. Auf nach der Elternzeit entstandenen Urlaub findet § 17 Abs. 2 BEEG keine Anwendung.

     

     

    Quelle: Ausgabe 11 / 2015 | Seite 195 | ID 43636086