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  • · Fachbeitrag · Krankheitsbedingte Kündigung

    Welche Folgen hat es, wenn kein betriebliches Eingliederungsmanagement erfolgt?

    Die Nichtdurchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) führt stets zur Unwirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung, wenn denkbar ist, dass das bEM ein positives Ergebnis hätte erbringen können. Der ArbG muss darlegen, dass nicht einmal die Möglichkeit besteht, dass im Rahmen der Durchführung des bEM potentieller Rehabilitationsbedarf beim ArbN hätte erkannt und durch entsprechende Maßnahmen Fehlzeiten spürbar reduziert werden können (BAG 20.11.14, 2 AZR 755/13, Abruf-Nr. 176329).

     

    Sachverhalt

    Der ArbN war seit mehreren Jahren wegen verschiedener Krankheiten arbeitsunfähig, deren Umfang sechs Wochen pro Jahr deutlich überschritten. Dabei wurde er von dem Betriebsarzt mehrfach untersucht. Da die Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht rückläufig waren, kündigte der ArbG das Arbeitsverhältnis aus personenbedingten Gründen.

     

    Im Rahmen der von ihm erhobenen Kündigungsschutzklage berief sich der ArbN unter anderem auf die Nichtdurchführung des bEM. Die Kündigungsschutzklage war auch in der Revisionsinstanz erfolgreich.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 2. Senat des BAG geht zwar davon aus, dass die Anforderungen an eine Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen und vor allem die negative Gesundheitsprognose erfüllt sind. Allerdings stelle die Kündigung nicht das letzte Mittel für den ArbG dar. Das folge daraus, dass er die Durchführung des bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX unterlassen habe.

     

    Der Verstoß gegen § 84 Abs. 2 SGB IX führe im vorliegenden Fall dazu, dass die Kündigung als rechtsunwirksam anzusehen sei. Sei nämlich denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, liege in der Nichtdurchführung des bEM eine vorschnelle Arbeitgeberkündigung.

     

    Der 2. Senat betont, dass ein solches positives Ergebnis nicht allein darin bestehen könne, dass im Rahmen des bEM Möglichkeiten gefunden würden, den Arbeitsplatz an den tatsächlichen Gesundheitszustand des ArbN anzupassen. Auch wenn man unterstelle, dass dies nicht möglich sei, hätte hingegen zumindest die Möglichkeit bestanden, dass im Rahmen der Durchführung des bEM potenzieller Rehabilitationsbedarf des ArbN hätte erkannt werden können. Durch entsprechende Maßnahmen wäre es dann möglich gewesen, künftige Fehlzeiten spürbar zu reduzieren.

     

    Ein ordnungsgemäß durchgeführtes bEM erfordere nicht nur die Konsultation des Betriebsarztes. In § 84 Abs. 2 S. 4 SGB IX sei ausdrücklich vorgesehen, dass die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder das Integrationsamt zum bEM hinzugezogen werden, wenn Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht kämen. Dies führe dazu, dass der ArbG hätte beweisen müssen, dass auch bei einer regelkonformen Durchführung des bEM keine derartigen geeigneten Leistungen oder Hilfen für den ArbN denkbar seien, die die Fehlzeiten hätten erheblich verringern können.

     

    Praxishinweis

    Zwar führt auch nach der aktuellen Entscheidung des BAG die Unterlassung des bEM nicht automatisch zur Unwirksamkeit einer gleichwohl ausgesprochenen Kündigung aus personenbedingten Gründen. Gleichwohl ist faktisch die Durchführung des bEM als Kündigungsvoraussetzung etabliert. Es wird kaum einem ArbG möglich sein, den negativen Beweis dafür zu erbringen, dass keine vorstellbare Rehabilitationsmaßnahme oder Maßnahme der Gesundheitsprävention für den gekündigten ArbN in Betracht gekommen wäre.

     

    Dies bedeutet in der Praxis, dass der ArbG das bEM in eigenem Interesse vor jeder krankheitsbedingten Kündigung durchführen muss. Lehnt der ArbN die Durchführung bzw. Teilnahme an einem bEM ausdrücklich ab, endet hier das Verfahren. Ist dies hingegen nicht der Fall, müssen die §§ 84 Abs. 1 und 2 SGB IX genannten Stellen beteiligt werden. Dies sind insbesondere die Schwerbehindertenvertretung, der Betriebsrat, das Integrationsamt und gegebenenfalls auch der Werk- oder Betriebsarzt. Auch die örtlichen Servicestellen der Krankenkassen können beteiligt werden. Es empfiehlt sich vor allem in größeren Betrieben zusammen mit dem Betriebsrat eine freiwillige Betriebsvereinbarung über den genauen Ablauf und die Ausgestaltung des bEM-Verfahrens zu entwickeln. Einen ausdrücklichen gesetzlichen Ablaufplan sieht § 84 SGB IX gerade nicht vor, da es sich um ein relativ freies Verfahren handelt.

     

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Was gilt bei der Durchführung des bEM? Leserforum in AA 14, 89
    Quelle: Ausgabe 08 / 2015 | Seite 129 | ID 43473734