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  • · Fachbeitrag · Beweiswürdigung

    Welche Beweiskraft hat eine strafrechtliche Verurteilung im Kündigungsschutzprozess?

    Ein Zivilgericht darf sich im Hinblick auf seine Überzeugungsbildung, ob ein bestimmtes Geschehen sich so zugetragen hat, grundsätzlich auf ein hierzu ergangenes Strafurteil stützen. Das Zivilgericht darf die beantragte Vernehmung weiterer Zeugen ablehnen, wenn deren mögliche Beweiskraft im Hinblick auf die von dem Gericht bereits getroffenen Feststellungen als nicht ausreichend eingestuft werden kann (BAG 23.10.14, 2 AZR 865/13, Abruf-Nr. 174571).

     

    Sachverhalt

    Dem als Lehrer beschäftigten ArbN wurde vom ArbG die sexuelle Belästigung einer elfjährigen Schülerin während des Unterrichts vorgeworfen. Nach Ausspruch der hierauf gestützten außerordentlichen Kündigung wurde der ArbN wegen des Vorfalls vom LG Bielefeld rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Das mit der Kündigungsschutzklage befasste LAG hält diese für unbegründet. Es stützt sich dabei im Wesentlichen auf die Feststellungen des LG Bielefeld und die Aussage eines im Rahmen des Strafverfahrens vernommenen Zeugen. Die Revision des ArbN, der der Meinung ist, die Belastungszeugen aus dem Strafverfahren und weitere von ihm benannte Zeugen hätten vom LAG vernommen werden müssen, blieb erfolglos.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 2. Senat des BAG ist der Auffassung, das LAG als Vorinstanz habe in nicht zu beanstandender Weise die volle Überzeugung von der Wahrheit des Kündigungsvorwurfs erlangt. Das Zivilgericht habe sich im Hinblick auf seine Überzeugungsbildung vom Geschehensablauf grundsätzlich auf ein hierzu ergangenes Strafurteil stützen dürfen. Zwar seien dessen Feststellungen für ein Zivilgericht nicht bindend. Sie könnten aber im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO Berücksichtigung finden. Berufe sich eine Partei auf die Feststellungen des Strafurteils, sei dieses im Rahmen des Urkundenbeweises nach §§ 415, 417 ZPO verwertbar. Dabei habe der Zivilrichter die Urkunde hinsichtlich der Feststellungen einer eigenen kritischen Überprüfung zu unterziehen und den Beweiswert der Aussagen des Strafurteils sorgfältig zu prüfen.

     

    Eventuelle Zeugen aus dem Strafverfahren müssten dann nochmals gehört werden, wenn eine Partei die Vernehmung zum Zwecke des unmittelbaren Beweises ausdrücklich verlange. Die Vernehmung weiterer Zeugen habe das LAG zu Recht abgelehnt, weil es deren mögliche Beweiskraft im Hinblick auf die bereits getroffenen Feststellungen als nicht ausreichend eingestuft habe.

     

    Hier müsse ausdrücklich zwischen den vom Strafgericht vernommenen Zeugen und weiteren, vom ArbN benannten Zeugen hinsichtlich der Verwertung des Strafurteils unterschieden werden.

     

    Praxishinweis

    Versäumt es der ArbN, die unmittelbare Vernehmung von Belastungszeugen aus dem Strafverfahren durch das Arbeitsgericht zu verlangen, ist ein solcher Antrag in der Revisionsinstanz unbeachtlich. Eine Ausweitung der Beweisaufnahme auf weitere Zeugen kommt nur in Betracht, wenn sich das Zivilgericht nicht schon aufgrund des vorliegenden Strafurteils die ausreichende Überzeugung von einem bestimmten Geschehen gebildet hat.

     

     

     

    Weiterführende Hinweise

    • Erstattung von Anwaltskosten durch ArbG nach leicht vermeidbarer Strafanzeige:Arbeitsgericht Köln in AA 15, 21
    • Kündigung wegen Untersuchungshaft: BAG in AA 14, 5
    Quelle: Ausgabe 04 / 2015 | Seite 60 | ID 43256685