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  • 01.10.2005 | Entgeltfortzahlung

    Der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers bei Schäden im Straßenverkehr

    von RA Christian Stake, FA Arbeitsrecht, Werne

    In der letzen Ausgabe von „Arbeitsrecht aktiv“ hatten wir dargestellt, wann ein ArbN bei einem Sportunfall Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat (AA 05, 152). Die folgende Übersicht gibt einen Überblick über die Rechtsprechung zu der Frage, wann der Entgeltfortzahlungsanspruch des ArbN wegen Eigenverschuldens im Straßenverkehr ausgeschlossen ist (§ 3 Abs. 1 S. 1 EntgeltfortzG).  

     

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    Rechtsprechungsübersicht: Entgeltfortzahlung bei Schäden im Straßenverkehr

    Alkohol  

    Ein ArbN handelt schuldhaft, wenn er sich von einem Kraftfahrer, der – wie er weiß – beträchtliche Mengen Alkohol zu sich genommen hat, in dessen Kraftfahrzeug mitnehmen lässt. Er hat deshalb keinen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitslohns für die Zeit einer Arbeitsunfähigkeit, die durch einen bei einer solchen Fahrt erlittenen Unfall herbeigeführt worden ist.  

    ArbG Bremen,  

    29.6.71,  

    3 CA 3522/70,  

    DB 72, 540  

    Alkohol  

    Ein mit einem betrunkenen Kollegen fahrender ArbN hat nach einem Unfall nur dann keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn ihm infolge grober Fahrlässigkeit die Fahruntüchtigkeit des Kollegen unbekannt gewesen ist.  

    ArbG Emden,  

    14.12.72,  

    Ca 133/72,  

    ARST 73, 55  

    Alkohol  

    Ein ArbN handelt schuldhaft i.S. des § 1 Abs. 1 S. 1 LohnFG, wenn er sich so betrinkt, dass er nicht mehr beurteilen kann, ob der Fahrer eines Kraftfahrzeugs, in dem er mitfährt, ebenfalls wegen Alkoholgenusses fahruntüchtig ist.  

    LAG Hessen,  

    24.4.89,  

    1 Sa 1544/88,  

    DB 89, 2031  

    Dichtes Auffahren  

    Bemerkt ein Fahrer zu spät, dass das vor ihm fahrende Fahrzeug verkehrsbedingt bremsen muss und fährt er deshalb auf den Pkw auf, ist ein solches Verhalten fahrlässig. Selbst wenn der Fahrer zu dicht aufgefahren ist, kann es aber nicht als grob fahrlässig angesehen werden.  

    LAG Hamm,  

    13.4.05,  

    18 Sa 1320/04,  

    Abruf-Nr. 052505 

    Führerschein  

    Der ArbN hat einen Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn er als verantwortlicher Kfz-Führer eine andere Person fahren lässt, von der er nicht wusste, dass sie keinen Führerschein hat und die dann einen Verkehrsunfall verursacht.  

    ArbG Celle,  

    19.5.71,  

    2 CA 443/70,  

    ARST 71, 126  

    Fußgänger  

    Grob fahrlässige Verletzungen von Verkehrsvorschriften können den Lohnfortzahlungsanspruch ausschließen. Eine solche Verletzung liegt vor beim grob unvorsichtigen Überschreiten der Straße.  

    LAG Hamm,  

    5.10.83,  

    7 Sa 549/83,  

    DB 84, 515  

    Fußgänger  

    Läuft ein ArbN nachts „blind“ auf eine durch Laternen gut ausgeleuchtete 3-spurige Fahrbahn, um unbedingt den an der Verkehrsinsel abfahrbereit stehenden Bus zu erreichen und beachtet er dabei nicht die Vorfahrt des auf der Mittelspur herannahenden Pkws, ist die durch den Zusammenprall hervorgerufene Arbeitsunfähigkeit selbstverschuldet.  

    LAG Hamm,  

    5.10.83,  

    7 Sa 549/83,  

    DB 84, 515  

    Geschwindigkeitsbeschränkung  

    Grobfahrlässige Verletzung der Verkehrsvorschriften stellt ein Eigenverschulden dar, welches den Lohnfortzahlungsanspruch des ArbN ausschließt.  

     

    Die Überschreitung der Geschwindigkeitsbeschränkung im Stadtverkehr von 50 km um 8 km stellt für sich allein noch keine grobe Fahrlässigkeit dar. Es kommt auf die Gesamtverkehrssituation an.  

    LAG Baden-Württemberg,  

    19.12.74,  

    7 Sa 122/74,  

    DB 75, 1035  

    Reifenwechsel  

    Es stellt ein den Lohnfortzahlungsanspruch ausschließendes grobes Verschulden des ArbN dar, wenn er einen Reifen an seinem Auto wechselt, ohne den Wagenheber im weichen Erdreich zu verankern.  

    ArbG Celle,  

    22.10.74,  

    1 Ca 320/74,  

    ARST 75, 79  

    Sicherheitsgurt  

    Verunglückt ein ArbN mit einem Kraftfahrzeug und hat er den Sicherheitsgurt nicht angelegt, obwohl er nach § 21a StVO hierzu verpflichtet gewesen wäre, behält er den Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, wenn anzunehmen ist, dass auch bei Anlegung des Sicherheitsgurts erhebliche Verletzungen aufgetreten wären und nicht anzunehmen ist, dass der ArbN bei Anlegung des Sicherheitsgurts für einen erheblich kürzeren Zeitraum arbeitsunfähig gewesen wäre.  

    ArbG Bamberg,  

    5.5.80,  

    1 Ca 643/79,  

    Abruf-Nr. 052506 

    Sicherheitsgurt  

    Bei Nichtanlegen des Sicherheitsgurts besteht kein Anspruch auf Lohnfortzahlung.  

    ArbG Kiel, 27.6.80, 3b Ca 659/80,  

    BB 80, 1214  

    Sicherheitsgurt  

    Hat der ArbN bei einem Verkehrsunfall, der seine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat, die Sicherheitsgurte entgegen § 21a Abs. 1 S. 1 StVO nicht angelegt, kann allein deshalb noch kein den Lohnfortzahlungsanspruch ausschließendes Verschulden i.S. des § 1 LohnFG angenommen werden.  

    LAG Düsseldorf,  

    24.7.80,  

    25 Sa 256/80,  

    EzA zu § 1 LohnFG Nr. 58,  

    aufgehoben durch BAG, s.u.  

    Sicherheitsgurt  

    Das Nichtanlegen von Sicherheitsgurten kann bei einer auf einem Verkehrsunfall beruhenden Arbeitsunfähigkeit des ArbN als Selbstverschulden i.S. des § 1 Abs. 1 LohnFG anzusehen sein mit der Folge, dass ein Lohnfortzahlungsanspruch des ArbN nicht besteht.  

    LAG Berlin,  

    18.7.79,  

    5 Sa 53/79,  

    NJW 79, 2327  

    Sicherheitsgurt  

    Der ArbN, der als Kraftfahrer die vorgeschriebenen Sicherheitsgurte nicht anlegt, handelt schuldhaft i.S. der Lohnfortzahlungsbestimmungen.  

     

    Wegen dieses Verschuldens verliert er seinen Anspruch auf Lohnfortzahlung, soweit die bei einem Unfall erlittenen Verletzungen auf das Nichtanlegen des Sicherheitsgurts zurückzuführen sind.  

    BAG,  

    7.10.81,  

    5 AZR 1113/79,  

    NJW 82, 1013  

    und BGH,  

    7.10.81,  

    5 AZR 475/80,  

    n.v.  

    Stoppschild  

    Wird ein angestellter Kraftfahrer durch grobe Verletzung der StVO (Überfahren eines Stoppschilds) arbeitsunfähig, hat er keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Denn seine Fahrweise ist besonders leichtfertig und enthält ein grob fahrlässiges Verschulden.  

    ArbG Passau,  

    29.4.71,  

    2 Ca 21/71,  

    ARST 72, 30  

    Verkehrsunfall  

    Ein ArbN ist gegenüber dem ArbG nicht verpflichtet, sein gesamtes außerdienstliches Verhalten danach einzurichten, dass er arbeitsfähig bleibt. Nicht jeder von dem ArbN als Verkehrsteilnehmer im straf- oder zivilrechtlichen Sinne schuldhaft herbeigeführter Unfall stellt auch ein Verschulden i.S. des § 1 LohnFG dar. Eine auf einem selbstverschuldeten Unfall beruhende Arbeitsunfähigkeit ist nur als verschuldete Krankheit i.S. des § 1 Abs. 1 S. 1 LohnFG anzusehen, wenn der ArbN den Unfall besonders leichtsinnig oder mutwillig herbeigeführt hat.  

    ArbG Verden,  

    12.5.76,  

    Ca 129/76,  

    ARST 77, 15  

    Verkehrsunfall  

    Ist strittig, ob eine behauptete HWS-Verletzung durch einen Auffahrunfall eingetreten ist, muss der ArbN den Vollbeweis für die Verletzung und die Ursächlichkeit des Unfalls hierfür führen. Die Beweiserleichterung gem. § 287 ZPO kommt erst zum Tragen, wenn feststeht, dass eine Verletzung vorliegt. Nur für die Frage der Kausalität einer (festgestellten) unfallbedingten Gesundheitsbeschädigung und einem behaupteten Schaden bzw. dessen Ausmaß findet diese Anwendung. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des Gesundheitsschadens bleibt es bei den allgemeinen Beweisanforderungen. Wird der erforderliche Nachweis nicht geführt, können weder Schadenersatz- und/oder Schmerzensgeldansprüche noch übergegangene Ansprüche des ArbN aus Lohnfortzahlung bestehen.  

    AG Berlin-Mitte,  

    16.8.04,  

    113 C 3366/02,  

    Schaden-Praxis 05, 122  

     

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2005 | Seite 171 | ID 85477