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30.09.2005 · IWW-Abrufnummer 052506

Arbeitsgericht Bamberg: Urteil vom 05.05.1980 – 1 Ca 643/79

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Im Namen des Volkes

ENDURTEIL

In dem Rechtsstreit xxx

für Recht erkannt

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.809,36 brutto nebst 4 % Zinsen seit 01.05.79 sowie weitere DM 823,68 brutto nebst 4 % Zinsen seit 01.06.79 zu bezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf DM 4.442,40 festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger ist seit August 1973 bei der Beklagten als Maurer bei einem Stundenlohn von DM 11,40 und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Am 31. März 1979 hatte der Kläger einen Verkehrsunfall auf dem Weg zur Arbeit und ist seit dieser Zeit Verkehrsunfall auf dem Weg zur Arbeit und ist seit dieser Zeit arbeitsunfähig. Er kam bei Schneeregen in einer leichten Linkskurve von der Fahrbahn ab und prallte mit seinem PKW gegen einen Baum. Bei diesem Verkehrsunfall war der Kläger nicht angegurtet. Der Kläger erlitt eine Aoetabulumfraktur rechts sowie multiple Prellungen und Schürfungen. Seit dem Verkehrsunfall ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 09.07.79 machte die IG Bau-Stein-Erde im Auftrag des Klägers Lohnfortzahlungsansprüche geltend. Der Höhe nach betragen solche Lohnfortzahlungsansprüche geltend. Der Höhe nach betragen solche Lohnfortzahlungsansprüche unstreitig wie folgt:

Monat April 1979
21 Tage a 8 Std. a DM 10,77 = DM 1.809,36 brutto

Monat Mai 1979
9 Tage a 8 Std. a DM 11,44 = DM 823,68 brutto

Der Kläger ist der Auffassung,
er habe die Ansprüche rechtzeitig schriftlich und gerichtlich geltend gemacht. Im stehe Lohnfortzahlung zu. Das Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung (der Bruder des Klägers befand sich mit im Fahrzeug und wurde verletzt) sei am 04.05.79 eingestellt worden. Auch wenn er angeschnallt gewesen wäre, hätte er mit hoher Wahrscheinlichkeit die gleichen Verletzungen erlitten.

Wegen des weiteren Sachvortrags des Klägers wird auf die Schriftsätze vom 07.08.79 (Bl. 1 bis 2 d. A.), 29.10.79 (Bl. 8 bis 9 d. A.), 18.12.79 (Bl. 19,20 d. A.) und vom 12.03.80 (Bl. 27 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantrag:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.809,36 brutto nebst 4 % Zinsen seit 10.05.79 sowie weitere DM 823,68 brutto nebst 4 % Zinsen seit 01.06.79 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor,
die Lohnfortzahlung werde verweigert, weil der Kläger grobfahrlässig den Unfall verschuldet habe. Der Kläger hab sich der Verkehrssituation nicht angepasst und sei bei Schneeregen mit zu hoher Geschwindigkeit gefahren. Gegen ihn sei ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung anhängig. Außerdem sei der Kläger nicht angegurtet gewesen. Es werde bestritten, dass der Kläger die gleichen Unfallfolgen erlitten hätte, wenn er angegurtet gewesen wäre.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Ingenieurs Helmut Klaffs. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme (Bl. 24 bis 26 d. A.) wird Bezug genommen. Ferner lag dem Gericht eine fachärztliche Bescheinigung des Dr. Weber über die Arbeitsunfähigkeit des Klägers sowie die Akte der Polizeiinspektion Hassfurt (BTgb.-Nr. 3887/79) zu Beweiszwecken vor. Gegen den Kläger ist ein Bußgeld von DM 140,00 verhängt worden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gemäß § 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes für einen Zeitraum von sechs Wochen nach dem 31. März 1979 Lohnfortzahlung zu. Wird eine Arbeiter nach Beginn der Beschäftigung durch Arbeitsunfähigkeit in Folge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihm ein Verschulden trifft, so verliert er dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitsentgelt für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen (§ 1 Abs. 1 Lohnfortzahlungsgesetz, LfzG). Der Kläger ist im Anschluss an seinen Unfall für mehr als sechs Wochen an der Arbeitsleistung verhindert gewesen, ohne dass ihm deswegen ein Verschulden trifft. Bei dem Verschulden handelt es sich nicht um ein Verschulden gegenüber dem Arbeitgeber, sondern um einen anspruchsbeseitigendes Verschulden gegen sich selbst. Es liegt dann vor, wenn es auf einen gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten zurückzuführen ist. Der Arbeitgeber ist für das Verschulden des Arbeitnehmers darlegungs- und beweispflichtig. Für ein Verschulden können die Grundsätze des Anscheinsbeweises sprechen (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch´, § 98 Anm. 6 mit Hinweis auf ständiger Rechtsprechung). Ein Verschulden des Klägers könnte einmal darin liegen, dass er wegen unvernünftiger Fahrweise von der Straße abgekommen ist und überhaupt verunglückt ist, weiter auch darin, dass er sich nicht angegurtet hat. Die wohl in Anbetracht des Schneeregens zu hohe Geschwindigkeit des Klägers kann nicht als ein gröblicher Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartendes Verhalten gewürdigt werden. Gerade bei extremen Witterungsbedingungen, wie bei Schneefall oder Schneeregen kommt es immer wieder vor, dass ein Kraftfahrer die Geschwindigkeit falsch einschätzt und zu schnell fährt. Der Kläger ist in einer leichten Linkskurve verunglückt. Seine Geschwindigkeit von 70 bis 80 Kilometer pro Schneeregen nicht gewesen wäre. Von einem gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen zu erwartende Verhalten kann daher nicht gesprochen werden. Es liegt vielmehr ein Fall leichterer Fahrlässigkeit vor. Dies schließt ein Lohnfortzahlungsanspruch nicht aus.

Der Lohnfortzahlungsanspruch entfällt auch nicht, weil der Kläger sich nicht angegurtet hat. Der Beklagte ist zuzugeben, dass bei Nichtanlegen eines Sicherheitsgurtes ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 21 a StVO vorliegt. Nach dieser Vorschrift müssen vorgeschriebene Sicherheitsgurte für die Vordersitze von Kraftfahrzeugen während der Fahrt angelegt sein. Für die Geltung dieser Vorschrift komm es nicht darauf an, dass der Verstoß gegen sie nicht mit Strafe bewehrt ist. Bei Nichtanlegen von Sicherheitsgurten spricht daher der erste Anschein dafür, dass ein gröblicher Verstoß gegen das zu erwartende Verhalten vorliegt.

Der Lohnfortzahlungsanspruch entfällt aber nur, wenn anzunehmen ist, dass bei Anlegung des Sicherheitsgurtes eine wesentlich kürzere Krankheitszeit insbesondere unter sechs Wochen hätte erwartet werden können. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Anscheinsbeweis widerlegt. Der Sachverständige Helmut Klaffs hat überzeugend dargelegt, dass aus der Sicht des Technikers nicht das fehlende Anlegen der Sicherheitsgurte, sondern die überhöhte Geschwindigkeit wesentliche Ursache der Verletzung gewesen wäre. Der Anpressdruck gegen die Gurte im Beckenbereich war so hoch, dass ein Beckenbruch auch im angeschnallten Zustand hätte eintreten können. Die Beklagte hat gegen die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen keine Einwendungen erhoben. Sie ist beweispflichtig. Gegenbeweis, etwa durch ein medizinisches Gutachten, hat sie nicht angeboten. Da der Anscheinsbeweis widerlegt ist, die Beklagte aber beweispflichtig ist, muss im Ergebnis davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei Anlegung des Sicherheitsgurtes auch Verletzungen erlitten hätte, die ihn für sechs Wochen arbeitsunfähig gemacht hätten.

Die Höhe der Forderung ist nicht streitig. Der Anspruch ist rechtzeitig geltend gemacht worden. Gemäß § 16 BRTV Bau verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit ihm in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Die Lohnfortzahlung für April 1979 ist gemäß § 5 Nr. 8.2 BRTV Bau bis zur Mitte des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist. Dies bedeutet, dass der Aprillohn am 15. Mai 1979 fällig war. Die Verfallsfrist geht bis zum 15. Juli 1979. Eine Geltendmachung mit Schreiben vom 09. Juli 1979 ist daher rechtzeitig. Der Anspruch ist auch rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht worden. Die Klage ist am 08. August 1979 beim Arbeitsgericht Bamberg eingegangen und am 14. August 1979 zugestellt worden.

Der Klage ist daher stattzugeben.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf den § 61 Abs. 1, 12 Abs. 6 ArbGG, 12 GKG, 3 ff ZPO.

Gegen dieses Urteil ist Berufung gemäß nachfolgender Rechtsmittelbelehrung zulässig.

Rechtsmittelbelehrung xxx

RechtsgebieteArbeitsrecht, Arbeitsunfähigkeit, EntgeltfortzahlungVorschriften§ 1 LohnFG

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