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  • · Künstliche Intelligenz, Teil 2

    KI im Arbeitsverhältnis: Praxisfälle und spezifische Anwendungsbereiche

    Bild: © Anon - stock.adobe.com

    | Im zweiten Teil der Serie „KI im Arbeitsverhältnis“ geht es um typische Probleme bei der Anwendung von KI in der Praxis des Arbeitsverhältnisses. Was ist wann erlaubt und was nicht? |

    1. Gesichtserkennung

    KI-gestützte Gesichtserkennung im Arbeitsverhältnis wirft erhebliche datenschutz- und mitbestimmungsrechtliche Probleme auf. Der Einsatz ohne Einwilligung der Beschäftigten verstößt regelmäßig gegen § 26 BDSG in Verbindung mit der DSGVO.

     

    Die Verarbeitung biometrischer Daten nach Art. 9 DSGVO ist grundsätzlich verboten und nur mit Einwilligung zulässig ‒ und diese muss freiwillig sein, was im Arbeitsverhältnis problematisch ist. Der Einsatz ist nur möglich, wenn er zwingend erforderlich ist ( z. B. Hochsicherheitsbereiche) und keine milderen Mittel bestehen. Das Arbeitsgericht Berlin (16.10.19, 29 Ca 5451/19, Abruf-Nr. 213545) entschied, dass eine Zeiterfassung über ein Zeiterfassungssystem, das über einen Fingerabdruck der Beschäftigten, die Arbeitszeiten erfasst, nicht ohne Einwilligung der Beschäftigten erfolgen darf.

     

    PRAXISHINWEIS | ArbG sollten stets die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG wahren und alternative Zutrittskontrollen prüfen.

     
    • Beispiel

    Ein Werkstor wird mit Gesichtserkennung zur Zugangskontrolle ausgestattet. Ohne gleichwertige alternative Zugangsmöglichkeit (z. B. Ausweis) liegt ein Verstoß gegen Freiwilligkeit vor.

     

    2. Ermittlung von Kündigungsabsichten oder Streikbereitschaft

    Die Ermittlung von Kündigungsabsichten mittels KI ist arbeitsrechtlich hoch problematisch. KI-Systeme analysieren Kommunikations- oder Leistungsdaten, um die Wechselbereitschaft von Beschäftigten vorherzusagen. Dies berührt das Persönlichkeitsrecht (§ 75 Abs. 2 BetrVG) und verstößt regelmäßig gegen Datenschutzrecht (Art. 6, 9 DSGVO). Zudem ist der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu beteiligen.

     

    Bereits das BAG (27.7.17, 2 AZR 681/16, Abruf-Nr. 195600) entschied, dass ein ArbG, der eine Überwachungsmaßnahme „ins Blaue hinein“ veranlasst, sich weder in einer Notwehr- oder notwehrähnlichen Situation gemäß § 227 BGB bzw. § 32 StGB noch in einer Notstandslage im Sinne von § 34 StGB befindet.

     

    PRAXISHINWEIS | ArbG sollten auf Transparenz setzen, den Betriebsrat frühzeitig einbeziehen und KI-Systeme nicht zur Überwachung individueller Kündigungsabsichten einsetzen. Stattdessen empfiehlt sich die Förderung von Mitarbeiterbindung durch offene Kommunikation und Beteiligung.

     

    Das Auswerten von Kommunikationsdaten oder Verhaltensmustern zur Prognose von Streikteilnahmen verletzt das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) sowie das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten. Auch datenschutzrechtlich (Art. 6, 9 DSGVO) ist ein solcher Eingriff unzulässig, da besonders sensible Daten verarbeitet werden.

     

    PRAXISHINWEIS | ArbG sollten keine KI zur Ermittlung von Streikbereitschaft einsetzen. Stattdessen gilt es, konstruktiv mit Gewerkschaften zu verhandeln und eine vertrauensvolle Sozialpartnerschaft zu fördern.

     

    3. Die Videoüberwachung und die KI-Auswertung

     

    Ist die Videoüberwachung zulässig, darf die Auswertung durch KI nur erfolgen, wenn kein erweiterter Überwachungszweck entsteht. Eine KI-Analyse (z. B. Verhaltensprofiling) kann eine neue Datenverarbeitung sein. Dann ist eine erneute Rechtsgrundlage erforderlich. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

     

    • Beispiel

    Eine Kamera überwacht eine Lagerhalle aus Sicherheitsgründen. Die KI erkennt zusätzlich die Arbeitsgeschwindigkeit einzelner Mitarbeiter ‒ dies ist ohne gesonderte Regelung unzulässig.

     

    4. Ortungssysteme und KI

    Der Einsatz von KI bei Ortungssystemen im Arbeitsverhältnis berührt erhebliche rechtliche Fragen. KI-gestützte Auswertungen von GPS-Daten können das allgemeine Persönlichkeitsrecht (§ 75 Abs. 2 BetrVG) sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen. Zulässig ist die Ortung nur, wenn ein legitimer Zweck (z. B. Routenoptimierung, Sicherheit) vorliegt und keine unverhältnismäßige Dauerüberwachung erfolgt.

     

    PRAXISHINWEIS | ArbG sollten vor Einsatz von KI-Ortungssystemen stets den Betriebsrat beteiligen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG), eine klare Betriebsvereinbarung schaffen und Transparenz gegenüber den Beschäftigten wahren.

     

    5. Die Verarbeitung medizinischer Daten

    Der Einsatz von KI bei der Verarbeitung medizinischer Daten im Arbeitsverhältnis ist rechtlich heikel. Gesundheitsdaten sind besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Art. 9 DSGVO. Sie dürfen nur in engen Ausnahmen verarbeitet werden, etwa mit ausdrücklicher Einwilligung oder zur Erfüllung arbeitsrechtlicher Pflichten. Der Einsatz von KI zur Analyse von Arbeitsunfähigkeitszeiten oder Krankheitsmustern kann das Persönlichkeitsrecht und die Fürsorgepflicht des ArbG verletzen.

     

    PRAXISHINWEIS | ArbG sollten den Einsatz von KI auf anonymisierte Daten beschränken, Betriebsrat und Datenschutzbeauftragten frühzeitig einbinden und sensible Gesundheitsinformationen nicht für Leistungs- oder Verhaltenskontrollen nutzen.

     

    6. Proaktive Gestaltung von Transformationsprozessen

     

    Der Einsatz von KI bei der proaktiven Gestaltung von Transformationsprozessen im Arbeitsverhältnis eröffnet Chancen, wirft aber erhebliche rechtliche Fragen auf. Werden Personalstrukturen mittels KI analysiert und Empfehlungen zu Umsetzungen oder Kündigungen generiert, berührt dies das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) und das Diskriminierungsverbot (§ 1 AGG). Datenschutzrechtlich ist Art. 22 DSGVO relevant: automatisierte Einzelentscheidungen mit erheblicher Wirkung sind unzulässig. In der Praxis nutzen Unternehmen KI etwa zur Simulation von Personalbedarf in Digitalisierungsprojekten.

     

    PRAXISHINWEIS | ArbG sollten KI-Systeme nur unterstützend nutzen, frühzeitig eine Betriebsvereinbarung abschließen und Entscheidungsverantwortung immer bei menschlichen Führungskräften belassen.

     

    7. Einsatz einer KI zur Leistungsbewertung

    KI-gestützte Bewertungssysteme greifen tief in das Persönlichkeitsrecht ein und unterliegen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Datenschutzrechtlich bedarf es einer Rechtsgrundlage nach Art. 6 DSGVO; automatisierte Einzelentscheidungen sind nach Art. 22 DSGVO unzulässig, wenn sie erhebliche Auswirkungen haben.

    8. Verarbeitung von Beschäftigtendaten

    § 26 BDSG erlaubt die Verarbeitung von Beschäftigtendaten nur, wenn sie für das Arbeitsverhältnis erforderlich ist. Und: ArbG sollten Beschäftigte in Datenschutz, Funktionsweise und Grenzen der eingesetzten KI unterweisen.

     

    Musterformulierung / KI in der Betriebsvereinbarung (Auszug)

    „Der Einsatz von KI-Systemen im Betrieb wird dokumentiert. Beschäftigte erhalten vor erstmaligem Einsatz eine Beschreibung der Funktionsweise der verarbeiteten Datenarten und der Zwecke. Entscheidungen mit wesentlicher Auswirkung werden stets von einer natürlichen Person geprüft und bestätigt.“

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2025 | Seite 179 | ID 50554855