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  • · Fachbeitrag · Befristung

    Rechtsmissbrauch durch Kettenbefristungen?

    von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FOM Hochschule Bremen

    Ein Arbeitsvertrag kann befristet abgeschlossen werden, wenn ein Sachgrund für die Befristung in Form einer Vertretung eines anderen ArbN oder der Durchführung einer zeitlich begrenzten Projektarbeit vorliegt. Im Einzelfall kann sich ein Rechtsmissbrauch aus den konkreten Umständen der Befristungen ergeben. Hierfür sind insbesondere Gesamtdauer und Anzahl der Befristungen als Indizien zu betrachten. Liegt nach diesen Maßstäben ein Rechtsmissbrauch vor, obliegt es dem ArbG, konkrete Umstände vorzutragen, die die Kettenbefristungen rechtfertigen (BAG 18.7.12, 7 AZR 443/09, Abruf-Nr. 122573).

    Sachverhalt

    Eine ArbN war mit insgesamt 13 Verträgen über mehr als 11 Jahre beim Land Nordrhein-Westfalen angestellt. Alle Befristungen erfolgten mit Sachgrund, die meisten hatten die Vertretung von Arbeitskollegen zum Gegenstand.

     

    Entscheidungsgründe

    Dem 7. Senat stellte sich die Frage, ob diese Form der Kettenbefristungen mit dem TzBfG und der Richtlinie 1999/70/EG zu befristeten Arbeitsverträgen vereinbar ist. Nach dem Wortlaut des § 14 TzBfG ist die Praxis nicht zu beanstanden. Weder das TzBfG noch die europäische Richtlinie nehmen Stellung zu der Frage, welche Zeiträume Sachgrundbefristungen einnehmen können. Auch wird die Anzahl aufeinanderfolgender Arbeitsverhältnisse nicht reguliert. Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH (26.1.12, C-586/10, Abruf-Nr. 120351) hat das BAG den Versuch unternommen, ein System der Missbrauchs-prüfung im Einzelfall zu etablieren. Das BAG hat dazu grundsätzlich festgestellt, dass an das Vorliegen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nach § 242 BGB hohe Anforderungen zu stellen sind. Auch im Fall von Kettenbefristungen wird daran festgehalten, dass nur eine Sachgrundprüfung nach dem TzBfG zu erfolgen hat. In einem Parallelverfahren (BAG 18.7.12, 7 AZR 783/10, Abruf-Nr. 122574) hat das BAG eine Dauer von 7 Jahren und 9 Monaten bei vier Sachgrundbefristungen noch nicht als ausreichendes Indiz für einen Rechtsmissbrauch qualifiziert.

     

    Praxishinweis

    Grundsätzlich ist eine Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG auch möglich, wenn bereits zuvor ein oder mehrere Arbeitsverhältnisse mit dem ArbN bestanden haben. Die Grenze für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB liegt hoch. Das BAG lässt erste Anhaltspunkte zur Konkretisierung erkennen: 11 Jahre Befristungen indizieren einen Rechtsmissbrauch, knapp 8 Jahre noch nicht. Es spricht einiges dafür, dass die Grenze der Indizwirkung bei 10 Jahren angesiedelt werden kann. Viele Befristungen verstärken dies, wenige sprechen dagegen. Welche Umstände ein ArbG zu seiner Entlastung vorbringen kann, ist noch offen. ArbG ist daher zu raten, Kettenbefristungen nicht über zehn Jahre hinaus zu vereinbaren.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2012 | Seite 146 | ID 35124510