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  • · Fachbeitrag · Scheinselbstständigkeit

    Einsatz einer externen Abrechnungskraft: So vermeiden Sie Scheinselbstständigkeit!

    von Rechtsanwalt Michael Lennartz, lennmed.de Rechtsanwälte, Bonn

    | Zahnarztpraxen lassen sich zum Teil bei der Abrechnung durch externe selbstständige Abrechnungskräfte unterstützen. Bei Prüfungen durch Sozialversicherungsträger wird die freie Mitarbeit der externen Kraft jedoch regelmäßig infrage gestellt und die Beschäftigung als abhängig - und somit als sozialversicherungspflichtig - qualifiziert. Dass man sich dagegen mit Erfolg wehren kann, zeigt ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg. Das LSG hat sich dezidiert mit den Kriterien auseinandergesetzt, die für eine freie Mitarbeit sprechen (LSG, Urteil vom 08.07.2016, Az. L 4 R 4979/15, Abruf-Nr. 193759 ). |

    Der Fall: Zahnärztin setzte externe ZMV ein

    In dem Urteilsfall setzte eine niedergelassene Zahnärztin eine geprüfte zahnmedizinische Verwaltungsassistentin (ZMV) in ihrer Praxis insbesondere für Abrechnung und Rechnungserstellung ein. Die ZMV hat an ihrem Wohnsitz ein Gewerbe für „Zahnmedizinische Verwaltungstätigkeit“ mit Büro angemeldet. Für die Zahnärztin war sie aufgrund eines mündlich abgeschlossenen Vertrags tätig. Für ihre Tätigkeit erstellte sie jeweils monatlich eine Rechnung, aufgeschlüsselt nach geleisteten Zeitstunden. Sie konnte sich u. a. ihre Zeit sowohl innerhalb als auch außerhalb der Praxissprechzeiten frei einteilen. Insgesamt erbrachte sie Praxisverwaltungstätigkeiten für sechs Zahnarztpraxen. Dennoch wurde ihre Tätigkeit von dem zuständigen Sozialversicherungsträger als sozialversicherungspflichtig eingestuft. Dagegen klagte die Zahnärztin.

    LSG: Tätigkeit der freien ZMV war selbstständig

    Mit ihrer Klage war sie erfolgreich: Wie schon die Vorinstanz sah auch das LSG Baden-Württemberg die Tätigkeit der ZMV bei der Zahnärztin als selbstständig an - und somit als nicht sozialversicherungspflichtig. In der Urteilsbegründung verwies das LSG auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Demnach setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei dem Weisungsrecht des Arbeitgebers zu Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit unterliegt.

     

    Maßgebend für die Beurteilung des Arbeitsverhältnisses sei das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses spricht im vorliegenden Fall nach Auffassung des LSG für eine selbstständige Tätigkeit der ZMV. Im Einzelnen:

     

    • Vorliegend habe weder in örtlicher noch in zeitlicher Sicht ein (arbeitsrechtliches) Weisungsrecht bestanden.

     

    • Die ZMV sei auch in personeller Hinsicht nicht in die Arbeitsorganisation der Zahnärztin eingegliedert gewesen. Sie habe ihre Tätigkeit in der Praxis ausgeübt, ohne mit den Beschäftigten der Zahnärztin zusammenzuarbeiten.

     

    • Auch in fachlicher Hinsicht habe kein Weisungsrecht bestanden. Weder böte der mündliche Vertrag für ein fachliches Weisungsrecht eine Grundlage noch lasse sich aus der tatsächlichen Tätigkeit der ZMV auf das Bestehen eines solchen Weisungsrechts schließen.

     

    • Für eine selbstständige Tätigkeit spreche auch die Vergütungsregelung: Würde wie hier ein Stundenhonorar für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde vereinbart und gezahlt, so sei dies ein Indiz dafür, dass keine abhängige Beschäftigung vorliegt (BSG, Urteil vom 12.02.2004, Az. B 12 KR 26/02 R). Bei abhängig Beschäftigten würde ein Entlohnungsanspruch bereits dann entstehen, wenn er seine Arbeitsleistung anbietet und nicht erst dann, wenn der Arbeitgeber diese auch annimmt und die Tätigkeit ausgeführt wurde.

     

    • Für eine selbstständige Tätigkeit spreche zudem, dass die ZMV für weitere fünf Zahnarztpraxen arbeitete, für die sie gleich gelagerte Tätigkeiten erbrachte. Außerdem gab es noch weitere Praxen, in denen sie Schulungen durchführte. Damit würde die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Auftraggeber bzw. Arbeitgeber reduziert oder gar aufgehoben. Prinzipiell sei jedoch für jedes Vertragsverhältnis die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung gesondert vorzunehmen.

     

    • Gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung spreche auch, dass die ZMV keinen Urlaubsanspruch und keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hatte.

     

    • Im vorliegenden Fall ließe sich auch ein Unternehmerrisiko feststellen. Selbstständige würden u. a. dann ein Unternehmerrisiko tragen, wenn der Erfolg des Einsatzes ihrer Arbeitskraft ungewiss ist, also ihnen kein Mindesteinkommen garantiert ist. Ein Mindesteinkommen war der ZMV nicht garantiert, denn ihre Vergütung hing davon ab, dass sie tatsächlich tätig wurde.

     

    FAZIT | Das Thema, wann eine selbstständig in Zahnarztpraxen tätige ZMV als sozialversicherungspflichtig einzustufen ist, beschäftigt die Gerichte zunehmend. Stets ist eine Betrachtung des Einzelfalls notwendig. Auf welche Kriterien dabei zu achten ist und wie diese sozialversicherungsrechtlich zu bewerten sind, lässt sich gut an dem Urteil des LSG Baden-Württemberg nachvollziehen.

    Insgesamt sind die Anforderungen jedoch hoch. Zudem kann die Auslegung durch Gerichte noch strenger ausfallen - wie z. B. in dem Urteil des LSG Berlin-Brandenburg (LSG, Urteil vom 29.01.2016, Az. L 1 KR 118/14, Abruf-Nr. 193760): Das Gericht bewertete die Tätigkeit einer externen ZMV als „in den Praxisbetrieb integriert“ - es überwögen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung. Sie arbeitete in der Praxis und unter Verwendung der dortigen Hard- und Software und erstellte die Rechnungen, Mahnungen und Abrechnungen nicht in eigenem Namen, sondern trat im Außenverhältnis nicht in Erscheinung.

     
    Quelle: Ausgabe 05 / 2017 | Seite 16 | ID 44447434